Nicht Islamisten, sondern Autonome stehen hinter den Paketbomben. Die Terroristen kämpfen gegen Demokratie und Kapitalismus.
Hamburg/Athen. Sie führen keinen Heiligen Glaubenskrieg gegen die christliche Welt. Anders als das islamistische Terrornetzwerk al-Qaida kämpfen die griechischen Terroristen gegen die Demokratie und den Kapitalismus. Ihr Feind ist das "System", so schreiben es die Gruppen in ihren Erklärungen. Bisher hielten die Terroristen mit ihren Anschlägen vor allem die Menschen in Griechenland in Atem. Ihre Bomben blinkten nur schwach auf dem Radar internationaler Medien auf.
Das ist seit dieser Woche anders - seit den Briefbomben, die an ausländische Botschaften in Athen verschickt wurden, seitdem eine Paketbombe im Kanzleramt eintraf und eine weitere in Bologna entschärft wurde. Die Absender des Terrors in Griechenland tragen kämpferische Namen wie "Sekte der Revolutionäre", "Revolutionärer Kampf", "Volksaktion" oder "Verschwörung der Feuerzellen", die für die aktuellen Briefbomben verantwortlich sein sollen.
Als im Dezember 2008 ein Polizist einen 15 Jahre alten Jungen erschossen hatte, eskalierte die Gewalt. Über Wochen griffen Autonome Geschäfte und Banken an. Im Januar 2009 wurde ein Polizist von einem Extremisten lebensgefährlich verletzt. Im Mai starben drei Bankangestellte bei einem Brandanschlag. Im Juni dieses Jahres kam der Sekretär des Ministers für öffentliche Ordnung ums Leben, als eine Briefbombe im Ministerium eingetroffen war. Auch wenn es Festnahmen und Erfolge gegen militante Gruppierungen gegeben hat, hält die Radikalisierung der Extremisten seit dem Dezember 2008 bis heute an. Die Grenze zum linksautonomen Milieu scheint dabei fließend.
Glaubt man den griechischen Experten, dann gibt es aber keine homogene linksextremistische Szene. In den verschiedenen Untergrundorganisationen sammeln sich vor allem Jugendliche, die in dem krisengeschüttelten Land keinerlei Zukunftsperspektive sehen. Hinzu kommen Kinder reicher Familien, die eine neue Gesellschaft wollen. Griechische Intellektuelle beklagen eine "Kultur der Gewalt" bei den jungen Menschen, sogar alte Autonome distanzieren sich mit Sorge.
Die Anschläge in Griechenland verunsichern den Westen - nur wenige Tage, nachdem Paketbomben aus dem Jemen für Aufregung sorgten. Doch die griechischen Autonomen stehen in keinerlei Verbindung zum Terror von al-Qaida. Dafür spricht auch die Machart der Bomben. Während die einen nach Angaben der Sicherheitsbehörden Schwarzpulver mit relativ geringer Sprengkraft verwendeten, wie er auch beim Feuerwerk zum Einsatz kommt, nutzte al-Qaida für ihre Pakete den hochexplosiven Sprengstoff PETN. Auch der Grad der Organisierung unterscheidet sich. Die linksextremen Gruppen in Griechenland agieren isoliert und haben selbst in ihrem eigenen Land kaum Rückhalt bei den Menschen. Al-Qaida ist weltweit, besonders in der arabischen Welt, eng vernetzt. Die Organisation rekrutiert ihr Personal aus Staaten wie Pakistan oder Saudi-Arabien und trainiert es in speziellen Lagern für ihre Terrorakte. Das Geld für die Ausbildung zahlen nicht selten wohlhabende Scheichs. Das Netz der Kooperation reicht bis in deutsche Kleinstädte, wie der Coup gegen die Sauerland-Gruppe gezeigt hat. Auch bei dem gerade vereitelten Anschlag mit den Paketbomben sollen die Sprengstoff-Experten von al-Qaida Flugrouten und Frachtabläufe im September mit Post ohne Sprengstoff getestet haben.
Und doch ist der Terror in Griechenland nicht zu unterschätzen - auch er ist mörderisch. Das Bundeskriminalamt schickt sogar Ermittler nach Athen. Die griechischen Behörden fahnden unter Hochdruck nach fünf verdächtigen Männern, die der Organisation "Verschwörung der Zellen vom Feuer" zugerechnet werden. Zwei Verdächtige, die seit Montag in Haft sitzen, wurden bereits wegen versuchten Totschlags angeklagt. Die beiden Männer hatten bei ihrer Festnahme zwei Paketbomben bei sich, die an die belgische Botschaft in Athen und an den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy adressiert waren. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou ließ für 48 Stunden alle Kurierdienste von Griechenland ins Ausland stoppen. "Wir haben es eindeutig mit Amateuren zu tun", sagt die Terrorexpertin Mary Bossiaber. "Aber diese Amateure haben weltweite Aufmerksamkeit bekommen."