Nach einer Umfrage erreichen die Republikaner bei den Kongresswahlen in beiden Häusern die Mehrheit. Demonstration in Washington.
Washington. US-Präsident Barack Obama kann laut Umfragen eine schwere Niederlage bei den Kongresswahlen am Dienstag nicht mehr abwenden. Neuesten Umfragen und Berechnungen zufolge können die Republikaner im Abgeordnetenhaus mit einer klaren Mehrheit rechnen. Im Senat dagegen wird es knapp, berichtete die „Washington Post“ am Sonntag. Einer Umfrage der Zeitung unter wahrscheinlichen Wählern ergab, dass 49 Prozent für die Republikaner stimmen wollen. Lediglich 45 Prozent würden für die Demokraten votieren. Einigen Berechnungen zufolge könnten die Republikaner 50 oder gar mehr Sitze im Abgeordnetenhaus hinzugewinnen – für die Mehrheit brauchen sie lediglich 39 neue Sitze.
Am Sonnabend hatten zehntausende Menschen in Washington haben gegen die politische Polarisierung in ihrem Land demonstriert. Zu der Kundgebung unter dem Motto „Rally to Restore Sanity and/or Fear“ (Wiederherstellung der Vernunft und/oder der Furcht) hatten die beiden prominenten Fernsehkomiker Jon Stewart und Stephen Colbert aufgerufen. Die Menschenmenge auf der wshington Mall reichte fast vom Kapitol bis zum National Monument, und auch drei Stunden nach Beginn der Kundgebung kamen immer mehr Teilnehmer – viele in Halloween-Kostümen – hinzu. Die Polizei wollte keine Schätzungen zur Teilnehmerzahl abgeben, doch hatten sich bereits im Vorfeld mehr als 200.000 Menschen angemeldet.
Stewart rief die Politiker zur Zusammenarbeit statt des ewigen Zanks auf. „Dies ist keine Kundgebung, um zu suggerieren, dass die Zeiten nicht schwer sind und wir nichts zu befürchten haben, denn sie sind schwer und wir haben begründete Ängste. Aber wir leben nur in schwierigen Zeiten, nicht in der Endzeit“, sagte Stewart. „Als Volk wissen wir instinktiv, dass wir zusammenarbeiten müssen, um durch die Finsternis zu finden. Aber wir wissen auch, dass das Licht am Ende des Tunnels machmal nicht das Gelobte Land ist – sondern nur New Jersey“, sagte der Satiriker unter dem Gelächter der Zuhörer weiter.
Viele der Teilnehmer imitierten auf ihren Spruchbändern den satirischen Ton der Redner. Auf einem Plakat stand „Gott hasst dieses Schild“, auf einem anderen hieß es: „Wann immer Sarah Palin twittert, tötet Gott ein Kätzchen“ – eine Anspielung auf die Angewohnheit der Galionsfigur der Rechten, ihre Anhänger über den Kurzbotschaftendienst im Internet, Twitter (Zwitschern), zu mobilisieren.
+++ Info: Die Tea-Party-Bewegung +++
Stewart wie Colbert stehen politisch den Demokraten nahe. Ihre Initiative gilt als Antwort auf die Washingtoner Kundgebung vom August, zu der unter dem Motto „Wiederherstellung der Ehre“ der ultra-konservative Talkshow-Moderator Glenn Beck das rechte Lager geladen hatte. Mindestens 80.000 Menschen waren damals Becks Ruf gefolgt und hatten gegen US-Präsident Barack Obama und die „sozialistische“ Politik seiner Regierung demonstriert.
Die Teilnehmerin der Gegenkundgebung vom Samstag, Linda Paul, war nach eigenen Angaben aus Iowa nach Washington gekommen, um das „Land wieder ins Gleichgewicht zu rücken“. „Wir wollten der Welt zeigen, dass nicht jeder in den USA so ist wie die zehn Prozent, die spalten und wieder rückwärts gehen wollen“, sagte sie. Ihre Nachbarin Jody Silvio bestätigte: „Bei dieser Kundgebung geht es darum, Menschen wieder zusammen zu bringen und zu zeigen, dass wir nicht so gespalten sein müssen, dass wir durchaus zivilisiert miteinander reden können“, sagte sie.