Islamabad soll Osama Bin Ladens Helfer nennen. Die komplizierten Beziehungen Pakistans zu den USA und Indien verschlechtern sich zunehmend.
Hamburg. Schon vor den tödlichen Schüssen amerikanischer Navy SEALs auf Al-Qaida-Führer Osama Bin Laden in der pakistanischen Stadt Abbottabad wurde das Verhältnis zwischen den USA und Pakistan als "kompliziert" beschrieben. Dass der meistgesuchte Mensch der Erde jahrelang unbehelligt in einer streng überwachten Garnisonsstadt leben konnte, hat nicht eben für eine Annäherung zwischen Washington und Islamabad gesorgt.
US-Präsident Barack Obama bewegte sich am äußersten Rande diplomatischer Höflichkeiten, als er die pakistanische Regierung im amerikanischen Fernsehen jetzt unmissverständlich aufforderte, die Helfer des Terrorfürsten zu nennen. "Wir glauben, dass es ein Unterstützer-Netzwerk für Bin Laden in Pakistan gegeben hat", erklärte Obama im US-Sender CBS. "Das ist etwas, was wir untersuchen müssen - und noch wichtiger: was die pakistanische Regierung untersuchen muss." Obama deutete an, dass auch Mitglieder ebendieser Regierung unter den Bin-Laden-Helfern gewesen seien könnten. Pakistans Ministerpräsident Yousuf Raza Gilani wies gestern Vorwürfe einer Komplizenschaft mit Bin Laden vor dem Parlament in Islamabad als "absurd" zurück. Im Übrigen sei al-Qaida auch nicht in Pakistan geboren worden, an der langen Dauer der Suche nach dem Terrorchef sei das Land ebenfalls unschuldig. Gilani räumte immerhin ein Geheimdienst-Versagen ein - doch nicht nur des Dienstes seines Landes, sondern der Dienste aller Staaten der Welt. Der Regierungschef kündigte eine Untersuchung zu Bin Ladens Aufenthalt in Abbottabad an.
Pakistans Regierung hält dabei mühsam die eigene Wut im Zaum. Dass amerikanische Truppen einen derartigen Coup auf pakistanischem Territorium unweit der Hauptstadt ausführten, ohne Islamabad zu informieren, hat den Stolz der Pakistaner zutiefst verletzt. Es kam zu wütenden antiamerikanischen Demonstrationen im Lande; und zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres wurde der Name des mutmaßlichen CIA-Chefs in Islamabad in pakistanischen Medien enttarnt - eine offensichtlich lancierte Enthüllung. Im Dezember hatte der damals bloßgestellte amerikanische Top-Spion hastig nach Hause abreisen müssen.
Doch die "Operation Geronimo" mit der Liquidierung Bin Ladens hat nicht nur zu einer neuen Belastung der Beziehungen zu den USA geführt, sondern auch zu Indien. Delhi hatte nach dem Schlag in Abbottabad Islamabad eine Liste mit Namen von gesuchten Terroristen vorgelegt und geprahlt, auch Indien verfüge über die militärischen Möglichkeiten, solche Terroristen auf pakistanischem Boden auszuschalten. Islamabad drohte für diesen Fall eine "sehr starke" militärische Reaktion an. Damit ist der Kern des Problems freigelegt, die Frage nämlich, warum Pakistan, namentlich sein mächtiger Geheimdienst ISI, eigentlich ein Interesse daran haben könne, al-Qaida oder die radikalislamischen Taliban zu unterstützen. Sind doch schon Tausende Pakistaner Anschlägen muslimischer Terroristen zum Opfer gefallen. Letztlich geht es immer um die alte Feindschaft mit Indien.
Vier Kriege haben beide Nationen bereits gegeneinander geführt. Beide sind Atommächte, doch der westlich ausgerichtete Gigant Indien ist militärisch deutlich stärker. Islamabad will unbedingt verhindern, dass ein vom Westen strukturiertes Afghanistan eines Tages ein strategisches Bündnis mit Indien eingehen könnte. Pakistan unterhält daher enge Beziehungen zu den Taliban beiderseits der afghanisch-pakistanischen Grenze, vor allem zum berüchtigten Netzwerk des Haqqani-Stammes. Diese hochkriminelle Familie kontrolliert bis zu 12 000 Taliban und setzt Selbstmordattentäter ein - auch gegen das Regime von Präsident Hamid Karsai.
2006 nannte ein hoher ISI-Vertreter den Chef des radikalislamischen Netzwerks, Maulavi Jalaluddin Haqqani, "einen Aktivposten". Doch auch Washington will sich für alle Fälle diese Schiene offenhalten. Politik paradox: Während Teile des pakistanischen Geheimdienstes offenbar Terroristen unterstützen, ist Pakistan der wichtigste Verbündete der USA im Kampf gegen al-Qaida und Taliban. 20 Milliarden Dollar hat das klamme, politisch labile Pakistan seit 2001 von Washington dafür erhalten. Die USA und Pakistan sind aufeinander angewiesen - und misstrauen einander zutiefst.