Aus Angst vor einer Pilgerstätte für Terroristen. Islamisten kündigen im Internet bereits Rache für die Ermordung Osama bin Ladens an.
Islamabad/Berlin/Washington. Sie hatten Angst vor einer Pilgerstätte für angehende Terroristen. Vermutlich deshalb haben die Soldaten des US-Spezialkommandos den getöteten Al-Qaida-Chef Osama bin Laden bereits im Meer bestattet. Das berichtet der Sender CNN unter Berufung auf amerikanische Regierungskreise. Ein Beamter hatte zuvor vor Journalisten erklärt, es werde sichergestellt, dass der Umgang mit der Leiche „im Einklang mit islamischen Praktiken und islamischer Tradition“ stehe. Das sei „etwas, dass wir sehr ernst nehmen, und deshalb wird das in einer angemessenen Weise gehandhabt“. Im Islam werden nach Auskunft von Webseiten wie „Religion Online“ die Toten sehr schnell nach dem Ableben bestattet. Feuerbestattungen sind verboten. Üblicherweise wird der Kopf des Toten gen Mekka gedreht. Es wird vermutet, dass die Amerikaner verhindern wollten, dass bin Laden mit einer ausgewiesenen Grabesstätte noch mehr zu einem Märtyrer für Islamisten wird. Ob die Leiche tatsächlich und wo im Meer versenkt wurde, ist ungewiss.
Ein von pakistanischen Fernsehsendern verbreitetes angebliches Foto des getöteten Osama bin Laden war eine Montage. Das Bild, das angeblich das verstümmelte Gesicht von bin Ladens Leiche zeigt, sei eine Fälschung gewesen, die bereits 2009 im Internet kursierte, sagte Rana Jawad vom privaten pakistanischen Fernsehsender Geo der Nachrichtenagentur AFP. Nachdem der Fehler bei einer Kontrolle auffiel, wurde es zurückgezogen. Mehrere andere Privatsender hatten das angebliche Bild der Leiche nach seiner Tötung durch ein US-Kommando in der nordpakistanischen Stadt Abbottabad ebenfalls gesendet. Offenbar basiert die Montage auf einem früheren Bild bin Ladens.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat erleichtert auf die Tötung Osama bin Ladens reagiert. Das erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Mit der Kommandoaktion gegen Osama bin Laden und seiner Tötung ist dem US-Militär ein entscheidender Schlag gegen al-Qaida gelungen“, teilte Seibert mit. Besiegt sei der internationale Terrorismus damit aber noch nicht. „Wir alle werden wachsam bleiben müssen.“ Bin Laden sei verantwortlich für den Tod Tausender unschuldiger Menschen, erklärte Seibert. „In seinem direkten Auftrag und in seinem Namen wurde der Terror in viele Länder getragen, er richtet sich gegen Männer, Frauen und Kinder, Christen wie Muslime.“ Bin Laden habe vorgegeben, im Namen des Islam zu handeln. In Wirklichkeit habe er jedoch die Grundwerte seiner und anderer Religionen verhöhnt.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat nach dem Tod bin Ladens vor Racheakten von Extremisten gewarnt. „Wir müssen weiter wachsam sein, denn es geht um unsere Freiheit und um unsere Sicherheit“, sagte er dem Bayerischen Rundfunk'. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass jetzt, nachdem Osama bin Laden das Handwerk gelegt wurde, es andere Mittäter gibt, die noch einmal versuchen, ihre schrecklichen Taten in der Welt zu verbreiten.“
Anhänger radikal-islamischer Gruppen haben nach der Tötung bin Ladens ihren Kampfeswillen bekräftigt. In arabischsprachigen Internet-Foren beteuerten sie ihre Entschlossenheit, vor allem die USA und deren Präsidenten Barack Obama in ihrem Visier zu behalten. „Gott verfluche Dich, Obama“, hieß es in einer der ersten Reaktionen aus islamistischen Gruppen. „Ihr Amerikaner: es ist noch immer unser Recht, euch den Hals abzuschneiden.“ Auf einer anderen Internet-Seite schrieb ein Diskussionsteilnehmer: „Osama mag getötet worden sein, aber sein Aufruf zum Dschihad wird niemals sterben. Brüder und Schwestern, wartet ab, sein Tod wird sich als Segen entfalten.“
Die US-Spezialeinheiten schlugen kurz nach Mitternacht zu und griffen das Versteck von Al-Qaida-Chef bin Laden in der Stadt Abbottabad rund 50 Kilometer nördlich von Islamabad mit Hubschraubern an. Die Stadt mit 100.000 Einwohnern liegt im Vorgebirge des Himalaja. Wie der pakistanische Geheimdienst ISI bestätigte, wurden weitere Personen getötet. ISI-Chef Ahmed Shuja Pasha sagte, auch ein Sohn bin Ladens sowie drei Wachleute seien ums Leben gekommen. Die drei Ehefrauen, sechs weitere Söhne sowie vier enge Mitstreiter wurden festgenommen. Ihre Namen wurden zunächst nicht bekannt.
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Das letzte gesicherte Lebenszeichen bin Ladens stammte aus dem Jahre 2004. Die Anschläge von al-Qaida haben die Welt verändert. „Sein Bekenntnis zum Kampf gegen die Ungläubigen auf der ganzen Erde“ hatte sich wie ein Virus verbreitet. Bin Laden wurde als der Drahtzieher der verheerenden Flugzeuganschläge in den USA angesehen, bei denen am 11. September 2001 rund 3000 Menschen getötet worden waren. Von Zeit zu Zeit haben sich bin Laden und Zawahiri mit stets neuen Terrordrohungen gegen die „Ungläubigen“ über den arabischen Sender al-Dschasira zu Wort gemeldet. Die meisten aus der alten Al-Qaida-Führung sind schon tot oder sitzen in Gefängnissen der CIA.
Osama entstammte der saudi-arabischen Großfamilie der bin Ladens. Der Vater von Osama hatte nie richtig lesen und schreiben gelernt. Er hatte aber nach den Forschungen der Historiker einen „ungeheuren Tatendrang und einen ausgeprägten Geschäftssinn“. Zunächst schlug sich bin Laden senior als Lastenträger für Pilger durch, gründete aber nach eisernem Sparen eine Baufirma, mit der er neben dem Bau von Großprojekten für Straßen und Flugplätze schließlich vom saudi-arabischen Königshaus sogar den Auftrag zur Renovierung der Heiligen Stätten erhielt. Mohammed bin Laden wurde schließlich Minister für öffentliche Angelegenheiten, er verdiente ein gewaltiges Vermögen.
Nach der Bekanntgabe des Todes von bin Laden sagte der frühere US-Präsident George W. Bush: „Diese bedeutsame Errungenschaft ist ein Sieg für Amerika, für Menschen in der ganzen Welt, die nach Frieden streben, und für all diejenigen, die am 11. September 2001 Angehörige und Freunde verloren haben.“ Weiter sagte er: „Der Kampf gegen den Terrorismus geht weiter, aber heute Abend hat Amerika eine unmissverständliche Nachricht gesandt: Egal, wie lange es dauert, Gerechtigkeit wird einkehren.“
Wie vor dem Weißen Haus in Washington haben sich in der Nacht zum Montag auch am Ground Zero in New York Hunderte Menschen versammelt, um den Tod von Terroristenchef bin Laden zu feiern. US-Präsident Barack Obama hatte in einer Rede den Tod bin Ladens bekannt gegeben. Es sei sein vorrangiges Ziel zu Beginn seiner Amtszeit gewesen, sagte Obama. Doch die Jagd nach Terroristen gehe weiter. Ground Zero ist der Ort, an dem die Zwillingstürme des World Trade Center standen. Bin Ladens Terroristen hatten am 11. September 2001 zwei Flugzeuge in die Türme gesteuert, 2600 Menschen starben. Eine Maschine flog ins Pentagon in Washington, eine zerschellte auf einem Feld bei Shanksville im Bundesstaat Pennsylvania. Insgesamt über 3000 Menschen starben in den USA an jenem schrecklichen Tag, der als 9/11 in die Geschichte einging.
Mit Material von AFP, dapd, rtr und dpa