Berlin. Nach der Todesfahrt auf dem Weihnachtsmarkt bringen sich die Parteien verstärkt in Stellung. Und Abgeordnete haben jede Menge Fragen.

Nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt mit fünf Toten und mehr als 200 Verletzten haben sich führende Bundespolitiker sichtlich mit vorschnellen Schlussfolgerungen und Forderungen zurückgehalten. Das Profil des Täters Taleb A., eines saudi-arabischen Staatsbürgers, Arztes und bekennenden Islam-Gegners, ist in jeder Hinsicht ungewöhnlich. Mehrfach wurde er in den vergangenen Jahren auffällig gegenüber Justiz, Polizei und anderen Stellen. Das Verhalten der Behörden ihm gegenüber wirft viele Fragen auf.

Innere Sicherheit: Abgeordnete wollen Antworten auf die Rolle der Behörden

Nun ist aber absehbar, dass die politische Debatte über den Anschlag von Magdeburg deutlich Fahrt aufnehmen wird: Für den kommenden Montag, also den vorletzten Tag des Jahres, ist eine Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses geplant. Dort wollen die Abgeordneten anfangen zu ergründen, wie es zu der Tat kommen konnte und ob sie durch ein rechtzeitiges Eingreifen der Sicherheitsbehörden womöglich hätte verhindert werden können. Und bereits vor dem Treffen versuchen Regierung und Opposition, unter dem Eindruck der Vorgänge von Magdeburg Werbung zu machen für ihre jeweiligen Projekte zur inneren Sicherheit.

Nach Todesfahrt auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg
Blumen, Kuscheltiere und Kerzen stehen auf farbigen Betonpollern, die zum Schutz des Magdeburger Weihnachtsmarktes aufgestellt wurden. Bei der Amokfahrt eines Mannes kamen am vergangenen Freitag fünf Menschen ums Leben, 200 weitere wurden verletzt. © DPA Images | Klaus-Dietmar Gabbert

So fordert Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), noch ausstehende Gesetzentwürfe umgehend zu beschließen: Nach der Messer-Attacke eines Islamisten auf das Stadtfest in Solingen im vergangenen Sommer habe man bereits das Waffenrecht verschärft und die Befugnisse der Ermittler ausgeweitet. Weitere Schritte habe aber die damalige Regierungspartei FDP verhindert – etwa das neue Gesetz über die Bundespolizei. Die Union wiederum habe die Einführung der biometrischen Überwachung im Bundesrat aufgehalten. „All diese Gesetzentwürfe von uns könnten sofort beschlossen werden, wenn Union und FDP sich dem nicht verweigern“, sagte Faeser dem „Spiegel“.

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Im Streit mit der Union geht es um einen wichtigen Teil des sogenannten Sicherheitspakets, das die Ampel als Konsequenz auf den Solinger Anschlag auf den Weg gebracht hatte. Dazu gehörte auch ein Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung. Diesem verweigerte der Bundesrat aber Mitte Oktober seine Zustimmung. Unionsregierte Länder argumentierten, dass der Entwurf aus dem Faeser-Ministerium vollkommen unzureichend sei. Das ist auch jetzt die Position von CDU und CSU.

Innere Sicherheit: Union pocht auf Speicherung von IP-Adressdaten

Unions-Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) sagte jetzt dieser Redaktion: „Klar ist, dass wir unsere Bevölkerung besser schützen müssen, wofür die Union schon zahlreiche Vorschläge unterbreitet hat. Vor allem brauchen die Behörden wirksame Befugnisse, wie der biometrische Abgleich von Polizeidaten oder die IP-Adressdatenspeicherung.“ Wichtig sei vor allem auch der gute Austausch zwischen den Behörden. „An diesen Forderungen wird die Union auch festhalten“, betonte Lindholz.

FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle sagte mit Blick auf die Sondersitzung des Innenausschusses: „Im Zentrum der parlamentarischen Aufarbeitung der nächsten Tage und Wochen muss die Frage stehen, welche Kontakte es zwischen dem Täter und deutschen Behörden in den vergangenen Jahren gegeben hat.“

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Offensichtlich gebe es ein großes Problem mit Personen, die gegenüber Behörden und Journalisten, aber auch in den sozialen Medien „abseitige oder wirre Verschwörungstheorien verbreiten und sich dann zu Gewalttätern entwickeln“, sagte Kuhle. Diese Personen ließen sich bislang nicht hinreichend in das Gefahrenraster der Sicherheitsbehörden einordnen.