Berlin. Die Ampel hatte sich einmal „Fortschritt“ auf die Fahnen geschrieben, auch bei Gleichberechtigung. Viel geblieben ist davon nicht.

Sie sollte ein Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit zwischen Männern und Frauen sein: Die Einführung der Steuerklasse 4 mit Faktorverfahren als Regelfall anstelle der Steuerklassen 3 und 5, die die Ampel-Koalition sich einmal vorgenommen hatte. Doch dazu wird es wohl nicht mehr kommen, die nötigen Stimmen für eine Mehrheit im Bundestag sind nicht in Sicht.

Angekündigt, aber nicht umgesetzt – so oder so ähnlich wie diesem Projekt ging es in den vergangenen drei Jahren vielen Vorhaben, die auf mehr Gleichstellung von Männern und Frauen zielten. SPD, Grüne und FDP waren einmal angetreten als „Fortschrittskoalition“. Und ein Teil des Fortschritts sollte es sein, bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zu korrigieren. Doch die Bilanz ist mager.

Paragraf 218: Bleibt die Abtreibung rechtswidrig?

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    Zwar gab es durchaus Verbesserungen: Abtreibungsgegner, die schwangere Frauen vor Beratungsstellen und Praxen bedrängen, müssen künftig mit bis zu 5.000 Euro Strafe rechnen, weil Gehbelästigung seit kurzem eine Ordnungswidrigkeit sind. Der Strafrechtsparagraf 219a, nach dem Frauenärztinnen und -ärzte verurteilt wurden, weil sie über Schwangerschaftsabbrüche informierten, ist abgeschafft. Und bei aller Kritik ist das Selbstbestimmungsgesetz für transgeschlechtliche Menschen ein echter Fortschritt.

    Keine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, keine Familienstartzeit

    Doch den Erfolgen gegenüber steht eine lange Liste von gleichstellungspolitischen Vorhaben, die es in drei Jahren nie aus dem Koalitionsvertrag in die Wirklichkeit geschafft haben.

    Theresa Martus / Funke Zentralredaktion
    Theresa Martus, Politik-Korrespondentin © FUNKE Foto Services | Reto Klar

    Frauenhäuser und Beratungsstellen für alle Opfer häuslicher Gewalt klagen seit Jahren über viel zu wenig Plätze und unsichere Finanzierung ihrer Arbeit. Doch erst vor zwei Wochen, nach dem Rauswurf der FDP aus der Regierung, verabschiedete das Kabinett einen Entwurf für ein Gesetz, das eine stabile finanzielle Grundlage für Anlaufstellen schaffen soll und einen Rechtsanspruch auf Hilfe. Dass dieses Gesetz vor der Bundestagswahl verabschiedet wird, ist unwahrscheinlich.

    Im Frühjahr hatte eine eigens eingesetzte Fachkommission deutlich gesagt, dass es „nicht haltbar“ sei, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland generell rechtswidrig sind, wenn auch meist straffrei. Auf den letzten Metern der Legislaturperiode kam jetzt ein Gruppenantrag zustande von Abgeordneten, der diesen Zustand ändern soll, doch zur Abstimmung wird er wohl nicht kommen. Und auch die zwei Wochen Freistellung vom Job für zweite Elternteile, vor allem Väter, nach der Geburt eines Kindes, stehen nicht ganz oben auf der Liste der Dinge, die vor der Wahl noch im Parlament beschlossen werden. Andere Vorhaben, wie etwa der Plan, Verhütungsmittel zur Satzungsleistung der Krankenkassen zu machen, haben es nicht einmal bis in den Bundestag geschafft.

    Die Großbaustellen bei der Gleichstellung sind nahezu unangetastet

    Und auf den gleichstellungspolitischen Großbaustellen scheint sowieso Baustopp zu sein: Bei den Kitas zum Beispiel, wo hunderttausende Plätze im ganzen Land fehlen. Es sind vor allem Frauen, die diese Lücke füllen und auch Jahre nach der Geburt zuhause Kinder betreuen, anstatt wieder ins Arbeitsleben zurückzukehren, mit allen Folgen, die das für ihr Einkommen und spätere Rente hat. Und das Ehegattensplitting, dessen Effekte die Einführung des Faktorverfahrens als Regelfall zumindest abmildern sollte, ist nach wie vor unangefochten.

    „Die Gleichstellung von Frauen und Männern muss in diesem Jahrzehnt erreicht werden“, hieß es im Koalitionsvertrag der Ampel. Das Jahrzehnt ist inzwischen halb vorbei. Wesentlich gleicher als vor drei Jahren ist das Land nicht.