Berlin. Friedrich Merz will Olaf Scholz aus dem Kanzleramt verdrängen. Aber ist er beliebter als der Kanzler? Eine Umfrage gibt Antworten.
Elf Monate vor dem regulären Termin der nächsten Bundestagswahl hat sich die SPD auf eine Taktik festgelegt, damit Olaf Scholz Kanzler bleibt. Die Sozialdemokraten wollen ein Duell zwischen Scholz und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz inszenieren und den Wählerinnen und Wählern die Frage stellen: Wer von den beiden soll dieses Land regieren? Das Kalkül dahinter: Merz soll als Politiker und als Person abschreckend wirken. Eine Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Civey exklusiv für diese Redaktion durchgeführt hat, zeigt jedoch, dass diese Taktik nicht aufgehen könnte.
„Scholz und Merz haben sehr unterschiedliche Charaktereigenschaften“, sagte der für die Organisation des Wahlkampfes zuständige SPD-Generalsekretär Matthias Miersch kürzlich dieser Redaktion. Merz nannte er „einen sehr impulsiven Oppositionsführer“, Scholz hingegen sei besonnen, das habe er bei den Waffenlieferungen an die Ukraine bewiesen. Der Kanzler verfüge außerdem über „Sachkompetenz und große Tatkraft“. Die Umfragedaten zeigen: Viele Bürgerinnen und Bürger teilen dieses Bild nicht.
Umfrage: Manche Klischees über Merz sind in der Bevölkerung nicht verankert
Merz bekommt überwiegend bessere Kompetenzwerte zugesprochen – und schneidet nahezu ebenbürtig auch bei Themen ab, die Scholz für sich beanspruchen dürfte. Außerdem: Manche Klischees über den CDU-Chef scheinen in der Bevölkerung weitaus weniger verankert zu sein, als es die SPD-Strategen wohl gerne hätten. Die Teilnehmer der Umfrage sollten auch angeben, mit welchem der beiden Politiker sie lieber ein Abendessen verbringen würden, doch dazu später mehr.
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Die SPD will Themen wie den Mindestlohn und eine höhere Besteuerung der Bestverdienenden zur Entlastung des Großteils der Arbeitenden in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes stellen. Merz hingegen fiel auf mit der Forderung nach mehr Respekt für Besserverdienende – die SPD kritisierte ihn dafür scharf. Auf die Frage, ob sich Scholz oder Merz mehr für soziale Gerechtigkeit einsetze, nannten aber nur 36 Prozent den Kanzler. Merz liegt mit 33 Prozent überraschend knapp hinter dem SPD-Politiker. Ein weiteres Drittel (31 Prozent) ist in der Frage unentschieden.
Taurus an die Ukraine: Merz droht Putin
Auch in Bezug auf seine Ukraine-Politik dürfte die Umfrage für den Kanzler eine Enttäuschung sein. Scholz will mit seinem Kurs zur militärischen Unterstützung der Ukraine punkten: Einerseits liefert der Kanzler umfangreich Waffen – mit westlichem Gerät Ziele tief in russischem Gebiet zu beschießen, lehnt Scholz jedoch ab. Die Lieferung des deutschen Marschflugkörpers Taurus, mit dem die Ukraine sogar Moskau erreichen könnte, schließt der Kanzler ebenfalls aus. Scholz begründet dies damit, dass die Nato nicht in einen direkten Krieg mit Russland verwickelt werden dürfe.
Merz hingegen forderte vergangene Woche im Bundestag, die Reichweitenbeschränkung gelieferter Waffen aufzuheben, wenn Russlands Staatschef Wladimir Putin weiterhin zivile Ziele wie Krankenhäuser und Kindergärten bombardiere. Wenn Putin nicht einlenkt, will Merz auch den Taurus liefern. Merz machte den Kanzler persönlich dafür verantwortlich, „dass die Ukraine gegen Putin mit einer Hand auf dem Rücken kämpfen muss“.
Krieg mit Putin: Das Vertrauen in Scholz ist größer, aber nur knapp
Dennoch trauen nur 36 Prozent der Wählerinnen und Wähler eher Scholz zu, Deutschland aus einem Konflikt mit Russland herauszuhalten. Mit 35 Prozent erwarten dies fast ebenso viele Menschen von Merz trotz dessen offensiveren Haltung. Auffällig ist, dass im Osten das Vertrauen in Scholz in dieser Frage (43 Prozent) größer ist als in Merz (25 Prozent). Die Frage von Krieg und Frieden hatte bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg eine große Rolle gespielt. Für die repräsentative Online-Umfrage befragte Civey von Montag bis Mittwoch dieser Woche rund 5000 Bundesbürger ab 18 Jahren.
Obwohl Merz keine Regierungserfahrung hat, hält ihn mehr als die Hälfte (58 Prozent) der Befragten in der internationalen Politik für durchsetzungsstärker als Scholz. Weniger als ein Fünftel (17 Prozent) vertraut in diesem Punkt dem aktuellen Kanzler – ein schlechtes Ergebnis für Scholz. Ein nahezu identisches Bild zeigt sich in der Migrationspolitik: 58 Prozent schreiben Merz die stärkeren Kompetenzen zu, Scholz kommt auf 18 Prozent. Jeweils rund ein Viertel ist in den beiden Fragen unentschieden. Ein interessantes Detail ist, dass 78 Prozent der FDP-Anhänger Merz in der Migrationsfrage für kompetenter halten als den Ampel-Kanzler Scholz.
In der Klimapolitik überzeugt keiner der beiden Politiker wirklich: Gut ein Drittel (36 Prozent) hält Merz für kompetenter, ein Viertel (26 Prozent) Scholz. Die Mehrheit (38 Prozent) sieht keinen der beiden vorne.
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Frauenbild: Kritiker werfen Merz veraltete Ansichten vor
Die SPD wird im Wahlkampf absehbar betonen, dass Merz im Gegensatz zu Scholz bisher weder ein Regierungsamt innehatte noch Erfahrung im Führen einer Koalition hat. Aber auch diese Kritik verfängt nach den teils chaotischen Jahren der Ampel-Koalition möglicherweise nicht: Die Hälfte der Befragten (49 Prozent) traut es eher dem Christdemokraten zu, auf Bundesebene eine konfliktfreie Koalition zu führen. Knapp ein Viertel (23 Prozent) setzt auf Scholz. Wie unzufrieden FDP-Anhänger mit der aktuellen Koalition sind, zeigt sich auch hier: Zwei Drittel von ihnen halten Merz für geeigneter, ein Regierungsbündnis zu führen.
Ob Wirtschaftspolitik oder Frauen- und Familienbild: Kritiker werfen dem 68-jährigen Merz immer wieder altmodische Ansichten und rückwärtsgewandte Konzepte vor. Der Umfrage zufolge verfängt dieser Vorwurf in der breiten Bevölkerung jedoch nicht. Demnach sind 42 Prozent der Ansicht, dass der Christdemokrat Merz das modernere Gesellschaftsbild vertritt, nur 28 Prozent meinen dies von dem Sozialdemokraten Scholz.
Frauenschreck Merz? Die Umfrage sagt anderes
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Mehr als eine Fußnote ist in dieser Frage das ausgeglichene Verhältnis von Männern und Frauen: 42 Prozent der Wählerinnen halten Merz für progressiver, nur 27 Prozent Scholz. Bei den Männern bescheinigen 41 Prozent dem CDU-Chef das modernere Gesellschaftsbild und 31 Prozent dem Kanzler. Aufgrund mancher Äußerungen aus der Vergangenheit und anderer Umfragen galt Merz bisher als unbeliebt bei Frauen und als mögliches Risiko für einen Wahlerfolg, weil er Wählerinnen abschrecken könnte.
Dies belegt die Civey-Umfrage auch in einem anderen Punkt so nicht: in der Kanzlerfrage. Mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) wünscht sich Merz als künftigen Kanzler. Ein Viertel (25 Prozent) möchte Scholz weiterhin im Kanzleramt sehen, 23 Prozent sind unentschieden. Eine gute Nachricht für Merz ist, dass dies auch die Wählerinnen mehrheitlich so sehen. Genau die Hälfte der Frauen will den CDU-Chef als Kanzler, 24 Prozent sind für Scholz. 52 Prozent der Männer wünschen sich Merz, 27 Prozent Scholz.
Womit nur noch eine Frage offen wäre: Mit wem würden die Bundesbürger lieber zu Abend essen? Auch hier liegt Merz (42 Prozent) deutlich vor Scholz, mit dem nur ein Viertel (27 Prozent) gerne einen Abend bei Tisch verbringen würde.
So sind die Daten erhoben worden
Civey hat für Funke Mediengruppe vom 21.10. bis 23.10.2024 online rund 5.000 Bundesbürgerinnen und Bundesbürger ab 18 Jahren befragt. Die Ergebnisse sind aufgrund von Quotierungen und Gewichtungen repräsentativ unter Berücksichtigung des statistischen Fehlers von 2,6 Prozentpunkten (Gesamtergebnis).
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