Berlin. Deutschlands Wirtschaft ist in der Krise. Die Rezepte dagegen von SPD-Kanzler Scholz und CDU-Herausforderer Merz sind sehr verschieden.

Die Lage ist beunruhigend: Deutschland droht das zweite Rezessionsjahr in Folge, zum letzten Mal gab es das vor mehr als 20 Jahren. Die Angst vor Kahlschlag, Werkschließungen und Massenarbeitslosigkeit – das ist alles wieder da. Die Wirtschaftskrise wird den Bundestagswahlkampf bestimmen. Doch wer hat die besseren Antworten? SPD-Kanzler Olaf Scholz oder Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz?

Mindestlohn

Scholz hat mit der Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro 2021 Wahlkampf gemacht, nun geht die SPD mit der Forderung nach 15 Euro ins Rennen. „Das ist gerecht und erhöht die Kaufkraft in Deutschland“, argumentiert die Kanzlerpartei. Dafür schließt die SPD auch einen erneuten politischen Eingriff nicht aus. Die Höhe wird eigentlich durch die Mindestlohnkommission festgelegt, in der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten sind. Die CDU lehnt Eingriffe der Politik in deren Entscheidung ab.

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Die CDU sieht im Mindestlohn einen wichtigen Bestandteil der Arbeitsmarktordnung, in ihrem Grundsatzprogramm setzt sie allerdings einen anderen Schwerpunkt: „Damit sich Arbeit auch für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen wieder mehr lohnt, wollen wir die Löhne von Steuern und Beiträgen entlasten.“

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnt ebenfalls davor, die Höhe des Mindestlohns politisch festzulegen. „Wirtschaftspolitisch ist das überhaupt nicht klug“, sagt die Ökonomin. Wirtschaftsverbände warnen, eine erneute deutliche Erhöhung des Mindestlohns sei eine Belastung für Unternehmen.

Friedrich Merz
Die SPD will im Wahlkampf auf Wirtschaftsthemen setzen, CDU-Chef Friedrich Merz kritisiert die Vorschläge der Sozialdemokraten scharf. © DPA Images | Michael Kappeler

Bürgergeld

Die SPD feierte das Bürgergeld als Ende des Hartz-IV-Systems. Inzwischen arbeiten sie in der Ampelkoalition jedoch daran, den Druck auf die Empfänger zu erhöhen. An der Höhe will die SPD nicht rütteln. Merz und die Union lehnen das Bürgergeld als bedingungsloses Grundeinkommen ab, das Menschen von der Arbeit abhalte – zum Leidwesen von Unternehmen, die Arbeitskräfte suchen würden.

Die Union fordert daher: Wer arbeitet, soll deutlich mehr haben als Sozialleistungsempfänger. Merz will das Bürgergeld durch eine „neue Grundsicherung“ ersetzen. Wer arbeiten kann, soll das auch müssen, ansonsten werden Leistungen gekürzt. Mögliche Sanktionen, etwa für das Ablehnen einer Stelle, will die Union verschärfen.

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Wirtschaftsexpertin Grimm unterstützt die Position der Union. Die hohen und steigenden Kosten der sozialen Sicherungssysteme bedrohten die Handlungsfähigkeit des Staates. Es brauche daher unter anderem „Anpassungen beim Bürgergeld, die die Anreize erhöhen, Arbeit anzunehmen“. 

Investitionen und Infrastruktur

Scholz sieht in Sachen Infrastrukturmodernisierung Handlungsbedarf: „Wir haben unsere Infrastruktur zu lange auf Verschleiß gefahren. Dafür zahlen wir heute doppelt und dreifach mit Zugverspätungen, Brückensperrungen und maroden öffentlichen Gebäuden.“ Für größeren Investitionsspielraum will die SPD die Schuldenbremse reformieren. Grundsätzlich will die SPD aber auch mehr privates Kapital für Investitionen in Infrastruktur mobilisieren. Etwa durch einen Deutschlandfonds, der private und öffentliche Mittel einsammelt.

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Merz will für die Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen auch „nutzerfinanzierte Gebühren“ erheben. Der CDU-Chef schielt für Modernisierungen zudem auf das fast drei Billionen Euro schwere private Sparvermögen der Deutschen: „Kann man nicht zehn Prozent davon mobilisieren, um zum Beispiel gute Infrastruktur zu finanzieren und das mit einer guten Verzinsung zu garantieren?“ Eine Reform der Schuldenbremse hingegen lehnt er ab.

Die Wirtschaft dringt mit Blick auf Infrastrukturmodernisierungen auf schnellere Genehmigungsverfahren. Auch das Vergaberecht müsse vereinfacht werden, sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, unserer Redaktion. Zusätzlich pocht Adrian auf Anreize: „Deshalb müssen steuerliche Entlastungen durch eine investitionsfreundliche Unternehmenssteuerreform und die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages auf die Agenda.“

Bundeskanzler Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz will in Brücken, Schienen und Straßen investieren: „Wir haben unsere Infrastruktur zu lange auf Verschleiß gefahren.“  © DPA Images | Kay Nietfeld

Energie

Mit Blick auf den Strom zählt Deutschland zu den hochpreisigen Ländern in Europa. Die SPD verspricht weitere Entlastungen. Unter anderem wollen die Sozialdemokraten Netzentgelte senken und den Strompreis für die Industrie dauerhaft wettbewerbsfähig machen. Die CDU arbeitet noch an energiepolitischen Vorschlägen. Die Christdemokraten stehen zum Kohleausstieg. Gaskraftwerke sollen – so sieht es auch die SPD – die Grundlast decken. Vom ursprünglichen „Ja“ zur Kernkraft hat Merz inzwischen Abstand genommen: „Das Thema Kernenergie ist entschieden.“

Unternehmensvertreter sind dafür, auch im Energiebereich Belastungen für Firmen abzubauen. „Das Energieeffizienzgesetz und das Gebäudeenergiegesetz dürfen in der vorliegenden Form nicht bestehen bleiben. Die Politik muss die Netzentgelte mit frei gewordenen Geldern aus dem Klima- und Technologiefonds (KTF) senken und die umfassenden Vorgaben des EU Green Deal drastisch reduzieren“, forderte DIHK-Präsident Adrian.

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Steuern

Die SPD will die große Mehrheit der Steuerzahlenden bei der Einkommensteuer entlasten „und dafür die höchsten ein Prozent der Einkommen“ stärker belasten. Laut SPD-Chefin Saskia Esken geht es um Bezieher von Einkommen ab 15.000 Euro im Monat. Merz hält dagegen: Das eine Prozent der Einkommenstärksten seien nicht die Besserverdienenden, sondern Leistungsträger. „Das sind häufig mittelständische Unternehmer, das sind die Handwerksbetriebe.“ Die zu belasten, bedeute eine Belastung des Mittelstands. Nötig sei eine Entlastung der Bürger sowie der Unternehmen auf ganzer Breite.

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch konterte: Es seien natürlich alle Leistungsträger. „Vor allem die 95 Prozent, die jeden Tag zur Arbeit gehen.“ Wirtschaftsexpertin Grimm interpretiert das SPD-Wirtschaftskonzept als Wahlkampfmanöver und ist nicht überzeugt. „Von den höchsten ein Prozent (der Einkommensteuerzahler) wird man jetzt nicht genug bekommen, all das zu finanzieren, was man sich da vorstellt“, sagte Grimm im Deutschlandfunk.

SPD-Steuerpläne: Wirtschaftsweise «nicht überzeugt»

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    Fachkräfte

    Der Mangel an Fachkräften gilt als eine der größten Gefahren für die deutsche Wirtschaft. Die SPD hat in der Ampel das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht, mit dem ausländische Arbeitnehmer leichter nach Deutschland kommen sollen. Die Sozialdemokraten fordern nun: „Den Unternehmen müssen wir dabei helfen, Verfahren beschleunigen zu können, aber auch eine Ankommenskultur für Fachkräfte aus dem Ausland zu entwickeln.“ Die SPD setzt außerdem auf die Aus- und Weiterbildung inländischer Arbeitnehmer.

    Auch die CDU will ausländischen Fachkräften den Weg nach Deutschland ebnen, indem sie Visaverfahren und die Anerkennung von Qualifikationen vereinfacht und beschleunigt. Einen starken Fokus legt die Union zudem darauf, das Arbeits- und Fachkräftepotenzial im Inland besser zu nutzen, etwa indem Frauen und ältere Menschen durch finanzielle Anreize zu mehr Arbeit motiviert werden. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sagt allerdings: „Beide Parteien lassen die große Frage unbeantwortet, wie die zunehmende Arbeitskräftelücke in Deutschland geschlossen werden soll.“