Berlin. Kurzzeitig zieht Trump Wähler auf seine Seite, sagt Experte van de Laar. Doch eine Analyse zeige: Die Angstmache bewirkt das Gegenteil.
In den USA können die ersten Wähler bereits ihre Stimme abgeben. In Arizona tauchen Probleme auf, und Trump kann aus dem zweiten versuchten Attentat nicht so viel Honig saugen wie aus dem Vorfall in Butler/Pennsylvania, sagt US-Experte Julius van de Laar.
Herr van de Laar, das versuchte zweite Attentat auf Donald Trump ist das politisch bestimmende Ereignis der Woche. Welche Auswirkungen befürchten Sie für den Wahlkampf?
Julius van de Laar: Die Frage ist: Wie gewalttätig wird dieser Wahlkampf noch? Ich habe gerade wieder eine Studie gesehen, wonach 14 Prozent der Republikaner bereit sind, die Ergebnisse der Wahl im November gewaltsam anzufechten, falls Trump verlieren sollte. Das ist furchtbar! Wir müssen an all die Waffen denken, die in den USA im Umlauf sind. Da ist es wenig überraschend, dass sich einmal mehr jemand auf die Lauer legt und ein politisches Attentat plant. Was ich bemerkenswert finde: Trump sagt, die Rhetorik der Demokraten lasse die Kugeln fliegen, und das sei gefährlich für beide Seiten. Er versucht damit, den einenden Politiker zu geben – doch er ist es, der immer schon zu Gewalt aufgerufen hat. Erinnern Sie sich an das Zitat vom „Blutbad“.
Das stand im Zusammenhang mit der Autoindustrie…
Van de Laar: Ja, aber das ist egal – da wird diese Sprache verwendet, die Gewalt aufheizt. Auch damals hat er gesagt: „Wenn ihr jemanden eine Tomate werfen seht, dann schlagt ihm ins Gesicht“. Trump verherrlicht die Gewalt.
Die Kritik am Secret Service ist nach diesem Golfplatz-Vorfall wieder einmal groß…
Van de Laar: Es kann nicht sein, dass die Sicherheitsleute sich damit so schwer tun, einen Ex-Präsidenten zu schützen. Fairerweise, so ein Golfplatz ist gigantisch groß. Es ist der richtige Schritt, dass Kamala Harris und Joe Biden nun dafür sorgen, dass Trump denselben Schutz bekommt wie Harris.
Wird der Attentatsversuch die wichtige Gruppe der noch unentschlossenen Wähler beeinflussen?
Van de Laar: Ich glaube, wir alle stumpfen mit dem fortlaufenden Wahlkampf ab. Der große Unterschied zum Anschlag im Juli ist: Damals gab es ein ikonisches Bild von Trump. Diesmal gab es das nicht, diesmal ist auch kein Schuss gefallen. Es hat den Nachrichtenfluss für 24 Stunden einmal auf den Kopf gestellt – aber ich wäre nicht überrascht, wenn es keinen maßgeblichen Einfluss auf die Umfragen hätte. Das hat es auch im Juli nicht getan. Da war es Joe Bidens Schwäche, die zu Trumps Stärke geführt hat.
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
Trumps Vize-Kandidat J.D. Vance hat zugegeben, dass die Geschichte über Haitianer, die Haustiere äßen, nur erfunden sei. Rächt sich das jetzt?
Van de Laar: Ich habe das Interview, in dem er das gesagt hat, gesehen. Es ist natürlich irre, wenn jemand live im Fernsehen zugibt, dass da Fake News kreiert werden, um die Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken. Wenn wir einmal rauszoomen, steckt etwas Psychologisches dahinter: Trump und Vance schaffen es immer wieder, Dinge anzusprechen, die die Menschen für plausibel halten. Die Katzen-und-Hunde-Geschichte über die Migranten klang für einen Teil der Leute offenbar immerhin so plausibel, dass sie bereit waren, sich hinter ihm zu versammeln. Damit schafft er es einmal mehr, Angst zu schüren und seine Basis zu mobilisieren. Doch dabei gibt es ein Problem.
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Welches ist das?
Van de Laar: Laut der Analyse-Plattform ZELF, die nach der TV-Debatte zwischen Harris und Trump knapp 51.000 Social-Media-Posts auf TikTok ausgewertet hat, kommt Trump mit seiner Angstmacherei gar nicht gut an. Diese Posts, in denen Trump vorkam, haben 850 Millionen Views bekommen, wurden also unheimlich oft von Usern wahrgenommen. Nur 24 Prozent dieser Posts waren positiv, 72 Prozent waren negativ. Wenn man sich das anschaut, kann man argumentieren: Trumps Strategie geht nicht auf.
Es erinnert an andere Populisten, die bestimmte Gruppen für das vermeintliche Leid einer größeren Bevölkerungsgruppe verantwortlich machen.
Van de Laar: Trump fällt immer wieder mit dieser Rhetorik auf. „Sie vergiften unser Blut“, war ein anderes Zitat von ihm. Er nannte Migranten „Abschaum“, der da über die Grenze komme. Wie in der dunkelsten Zeit in Deutschland. Trump will sich als starke Vaterfigur inszenieren, die die Wähler beschützen möchte – während Harris ihm dabei im Weg stehe. In dieser Geschichte hat sich Trump seit 2015 geübt.
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Profitiert Harris in den Umfragen davon, dass viele von Trumps Rhetorik abgestoßen sind?
Van de Laar: Am Dienstag hat sich, eine Woche nach dem TV-Duell, erstmals die Zuspruch-Rate bei Kamala Harris vom Negativen ins Positive gedreht. Sie startete damals mit knapp 48 Prozent Zuspruch in die Vize-Präsidentschaft und sackte dramatisch ab, etwa um den Afghanistan-Abzug 2021 herum. Danach pendelte sie sich bei etwa 37 Prozent ein. Jetzt, nach der Debatte, gehen ihre Werte steil nach oben, auf 46,6 Prozent. Statt 54 Prozent sehen jetzt noch 46 Prozent Harris negativ. Aus Sicht der Harris-Kampagne zeigt der Zeiger in die richtige Richtung.
Die unentschlossenen Wähler sind aber immer noch nicht überzeugt…
Van de Laar: Die größte offene Flanke hat Harris bei der Wirtschaft. Wenn sie, so wie in der vergangenen Woche, eine Interview-Frage zum Thema beginnt mit „Ich stamme aus einer Mittelschichtsfamilie und bin unter Krankenschwestern und Feuerwehrleuten aufgewachsen“, dann reicht das den Leuten nicht mehr. Es gibt eine Reihe von Dingen, die sie machen möchte, um die Wirtschaft anzukurbeln. Aber der sogenannte consumer confidence index spielt ihr nicht in die Karten…
… Am CCI-Wert lässt sich ablesen, wie sich das Kaufverhalten entwickeln dürfte und wie es um die Ersparnisse der privaten Haushalte steht…
Van de Laar: Ein Index von über 100 signalisiert ein gestiegenes Vertrauen der Verbraucher. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Fällt der Wert im Oktober eines US-Wahljahres niedrig aus, verliert der Amtsinhaber meistens die Präsidentschaft. Bei Kamala Harris liegt der Index aktuell bei 69. Im Vergleich: Bei Obama war es 82, bei der Wiederwahl von George W. Bush war es 91, bei Reagan knapp 100. 69 ist also echt mies. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie damit gewinnt, ist zumindest historisch betrachtet recht gering. Die Leute wollen jetzt wissen, was sie tun wird und wie mehr Geld ins Portemonnaie kommen soll. Bei Trump erinnern sich alle noch an die 2000-Dollar-Schecks, die er während der Corona-Pandemie per Post verschickt hat.
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In Pennsylvania wird seit Montag bereits gewählt. Wie läuft das an?
Van de Laar: Wenn Kamala Harris in den Umfragen leicht vorn ist, läuft Donald Trump die Zeit davon – wer sagt, „Ich habe die Debatte gesehen und fand Harris überzeugend, das reicht mir“, der gibt Trump seine Stimme nicht. Gleichzeitig haben in Arizona Wahlleiter vor Gericht geklagt, weil knapp hunderttausend Langzeit-Einwohner ihre Staatsbürgerschaft nicht nachweisen können. Sie sollen nun nicht wählen dürfen. Entschieden ist das noch nicht. Das sind Leute, die wahrscheinlich mehrheitlich für die Demokraten stimmen würden.
Wie ist das Verhältnis von Donald Trump und Taylor Swift jetzt, nach ihrer Wahlempfehlung für Harris?
Van de Laar: Trump hat einen Post in Großbuchstaben abgesetzt, der alles sagt: „Ich hasse Taylor Swift.“ Man versteht seine Wut. Aber es ist sicher nicht politisch opportun, so etwas über eine der beliebtesten Figuren Amerikas zu schreiben. J.D. Vance wiegelte ab und sagte: „Wir lieben Taylor Swifts Musik, aber ich glaube nicht, dass die Amerikaner auf Milliardäre hören werden.“ Da möchte man rufen: J.D., erinnerst du dich, für wen du arbeitest?