Berlin. Nach der satten Erhöhung Anfang dieses Jahres werden die Bürgergeld-Sätze eingefroren. Minister Heil sagt: „Das ist auch richtig so.“
- Schon seit seiner Einführung ist das Bürgergeld umstritten
- Nach einer satten Erhöhung Anfang 2024 soll es nun eine Nullrunde geben
- Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick
Kaum ein anderes Thema hat der Kanzlerpartei SPD in den vergangenen anderthalb Jahren so viel Ärger eingebracht wie das Bürgergeld. Die von den Sozialdemokraten konzipierte Grundsicherung für Arbeitslose falle viel zu hoch aus, monieren Kritiker innerhalb und außerhalb der Koalition. Oft lohne es sich gar nicht mehr, einen Job anzunehmen. Außerdem sei die Leistung ein Anreiz für Flüchtlinge, gezielt nach Deutschland zu kommen. Nun bekräftigte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), dass es Anfang kommenden Jahres eine Nullrunde beim Bürgergeld geben wird. „Das ist auch richtig so“, sagte er am Mittwoch bei RTL/ntv. Ein Überblick.
Warum gibt es eine Nullrunde beim Bürgergeld?
Das ist keine politische Entscheidung – auch wenn es in der öffentlichen Debatte manchmal so dargestellt wird. Vielmehr regelt das Gesetz, wie die Regelsätze neu zu berechnen sind. Dabei wird die Preissteigerung berücksichtigt. Anfang 2024 waren die Sätze wegen der hohen Inflation sehr stark gestiegen. Inzwischen hat sich die Teuerung aber stark verlangsamt. Die Rate ist nun deutlich niedriger als bei der letzten Erhöhung der Zahlungen angenommen.
Bürgergeld: Kommt die Nullrunde überraschend?
Nein. Minister Heil hatte bereits im Juni bei einer Fragerunde im Bundestag mit Blick auf die langsamer steigenden Preise gesagt, dass es 2025 beim Bürgergeld „auch mal eine Nullrunde geben kann“. Ende Juli bekräftigte dann sein Ministerium: „Wir rechnen im Moment damit, dass angesichts der jetzt rückläufigen Preissteigerungsraten wahrscheinlich nach jetziger Lage zum 1. Januar 2025 es auch sein kann, dass es keine Erhöhung geben wird.“
Unabhängig davon taten sich in den vergangenen Monaten immer wieder verschiedene Akteure mit Forderungen nach einer Nullrunde oder gar Leistungskürzungen hervor, insbesondere beim Koalitionspartner FDP sowie bei der oppositionellen Union. FDP-Fraktionschef Christian Dürr etwa empfahl unlängst eine „Anpassung nach unten“: Angesichts der Inflationsentwicklung falle das Bürgergeld derzeit bis zu 20 Euro im Monat zu hoch aus.
Wie hoch ist das Bürgergeld?
Alleinstehende erhalten derzeit 563 Euro pro Monat für ihren Lebensunterhalt. Erwachsene Partner im selben Haushalt bekommen 506 Euro, für Kinder und Jugendliche zahlt der Staat zwischen 357 und 471 Euro. Die Kosten für Miete und Heizen werden gesondert übernommen. Anfang 2024 waren die Regelsätze um satte zwölf Prozent gestiegen. Dies rief heftige Kritik hervor, die bis heute nicht verstummt ist.
Seit wann gibt es das Bürgergeld?
Seit Anfang 2023. Es löste damals das Arbeitslosengeld II ab – besser bekannt unter dem Namen Hartz IV. Ziel der Reform war ehedem, nicht nur ein menschenwürdiges Existenzminimum abzusichern, sondern verstärkt Jobsuche und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen in den Blick zu nehmen. So enthalten etwa Bezieher, die sich weiterbilden, einen Zuschlag.
Die Ampekoalition sprach damals von einer der größten sozialpolitischen Reformen seit Jahren und einer „Kooperation auf Augenhöhe“ zwischen Arbeitssuchenden und Jobcentern. Der SPD wurde vorgeworfen, ihr „Hartz-IV-Trauma“ überwinden zu wollen: Die Einführung dieser Grundsicherung unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder hatte Anfang der 2000er-Jahre zum Zerwürfnis mit den Gewerkschaften geführt, viele linke Sozialdemokraten verließen frustriert die Partei.
Bei den Beratungen im Jahr 2022 stemmte sich die oppositionelle Union zunächst gegen die Bürgergeld-Pläne der Koalition. Sie setzte bei Bund-Länder-Gesprächen dann aber deutliche Änderungen am Konzept durch und trug den Kompromiss anschließend mit. Inzwischen will die Union davon nichts mehr wissen: Sie plant, im Falle einer Regierungsübernahme das Bürgergeld abzuschaffen und durch eine neue Grundsicherung zu ersetzen.
Plant die Ampel Änderungen am Bürgergeld?
Ja – und zwar erhebliche. Im Zuge der „Wachstumsinititative“, auf die sich SPD, Grüne und FDP im Juli verständigten, soll der Druck auf Bürgergeld-Bezieher deutlich erhöht werden. Wer einen zumutbaren Job ohne triftigen Grund ablehnt, soll drei Monate lang 30 Prozent weniger Geld bekommen. Diese Sanktion soll auch für Bezieher möglich sein, die schwarzarbeiten. Bei Job-Angeboten mit mehr als sechs Stunden Arbeitszeit pro Tag sollten Pendelzeiten von insgesamt drei Stunden für Hin- und Rückweg als zumutbar gelten.
- Interview: Pistorius: „Putin weiß, wie er Nadelstiche bei uns setzen muss“
- Vertrauensfrage: Fünf Erkenntnisse aus einem historischen Tag
- Buchpräsentation: Diesen Putin-Satz vergisst Merkel bis heute nicht
- Podcast: Bärbel Bas über ihre Kindheit und Armut
- Infrastruktur: Gekappte Ostsee-Kabel – Die Angst um unsere Lebensadern
Die sogenannte Karenzzeit soll von einem Jahr auf sechs Monate verkürzt werden: In dieser Zeit muss eigenes Vermögen erst dann für den Lebensunterhalt eingesetzt werden, wenn es 40.000 Euro übersteigt. Nach der Karenzzeit soll das Schonvermögen 15.000 Euro für jede Person der Bedarfsgemeinschaft betragen. Sogenannte Totalverweigerer sollen zur Aufnahme von Ein-Euro-Jobs gedrängt werden, um sie an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Über all das gibt es bislang eine grundsätzliche politische Verständigung in der Koalition und im Bundeskabinett. Die entsprechenden Gesetzesvorschläge werden gerade erarbeitet.
Was sagt Minister Heil zur Entwicklung beim Bürgergeld?
Er betonte am Mittwoch, dass in Not geratenen Menschen geholfen werden müsse. „Klar ist aber auch: Das ist das Existenzminimum, nicht mehr, aber auch nicht weniger.“ Über die geplante Verschärfung der Sanktionen sagte Heil, es habe schon immer Mitwirkungspflichten gegeben. Die Jobcenter sagten aber, dass diese zu bürokratisch seien.