Berlin. Trotz der Wahlschlappe im Osten setzt die Kanzlerpartei auf Sieg bei der Bundestagswahl. Die Strategie steht. Doch es gibt Zweifel.
Das Fazit von Bundeskanzler Olaf Scholz nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen lautet: „Es zeigt sich: Kämpfen lohnt.“ Nanu? Hatte die SPD nicht mit 6,1 Prozent in Thüringen und 7,3 Prozent in Sachsen zwei historische Katastrophen erlebt? Doch, erklären die Sozialdemokraten, aber schließlich hatten sie viel Schlimmeres befürchtet, auch ein Ausscheiden aus beiden Landtagen sei denkbar gewesen.
Dass es nicht so kam, wird von der SPD nun als Lichtblick gesehen – auch im Hinblick auf die nächste Bundestagswahl. Die Parteispitze gibt die Hoffnung nicht auf, dass es dann wieder gelingen könnte, stärkste Kraft zu werden. Eine Analyse der SPD-Strategie: Einen Kandidatenwechsel schließt die Parteispitze aus, obwohl die persönlichen Werte von Scholz schlecht sind.
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„Olaf Scholz ist unser starker Bundeskanzler und er wird unser starker Kanzlerkandidat sein“, stellte Parteichefin Saskia Esken nach den beiden Ostwahlen klar. „Wir haben bei der Bundestagswahl in den letzten Monaten den Wind gedreht. Und das wird uns auch dieses Mal gelingen.“ Die SPD-Wahlkämpfer berichten, dass bundespolitische Themen bei den Ostwahlen alles überschatteten. Als Beispiel wird die in Deutschland geplante Stationierung von US-Raketen genannt, die Ziele in Russland erreichen können.
Parteichefin Esken kündigte öffentliche Debattenformate an
Die Vereinbarung hatte die Bundesregierung ohne vorherige öffentliche Diskussion in einer dürren Erklärung mitgeteilt. Dies wird in der SPD als Kommunikationsdesaster gesehen. Die SPD müsse ihre Positionen und Entscheidungen besser erläutern, „bei denen wir uns in der Defensive“ fühlen, sagte Esken und nannte neben der Unterstützung für die Ukraine die Asylpolitik. Die Parteichefin kündigte öffentliche Debattenformate an.
Es sei die Aufgabe „aller verantwortlichen Kräfte in der SPD“, wieder Vertrauen aufzubauen. „Dazu gehört auch, dass wir uns wieder mehr Zeit nehmen, unsere Politik zu erklären und dafür zu werben.“ Dies kann als Aufforderung an Scholz verstanden werden. In der SPD gibt es die Erwartung an den Kanzler, seine Politik besser zu erklären. Das ist eine große Schwäche von Scholz. Seine Kommunikation wirkt bisweilen erratisch.
Am Wahlabend der Europawahl hatte der Kanzler die Frage nach einer Einordnung mit schnodderig mit „Nö“ abgelehnt und erst 24 Stunden später reagiert. Das hatte für Verwunderung gesorgt. Nun gab Scholz zunächst eine Stellungnahme an die Nachrichtenagentur Reuters, die später auch auf seinen persönlichen Profilen in sozialen Netzwerken veröffentlicht wurde. „Jetzt geht es darum, stetig um mehr und neue Zustimmung zu werben“, erklärt Scholz darin.
Olaf Scholz soll wieder die Herzen der Menschen erreichen
Die SPD-Kernklientel habe sich abgewandt, räumt Esken ein. Als Partei der Arbeit müsse die SPD „wieder die Herzen“ erreichen. Es ist seit Jahren eins der größten Probleme der Sozialdemokraten: Sie setzen in der Sozialpolitik vieles durch wie einen höheren Mindestlohn oder das Bürgergeld, gedankt wird es der SPD wenig. Den Fokus will die Partei bis zur Bundestagswahl auf die „arbeitende Mitte“ der Gesellschaft legen.
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Konkret will die SPD in der Koalition nun bei drei Themen Druck machen. Die Sozialdemokraten fordern eine schnelle Verabschiedung des Rentenpakets, mit dem das Rentenniveau stabilisiert werden soll. Unter dem Schlagwort „gute Arbeit, gute Löhne“ will die SPD für mehr Tariflöhne sorgen, in dem der Bund die Bezahlung nach Tarif bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zur Bedingung macht. Die von der Koalition geplante Belebung der Wirtschaft soll nach Vorstellung der SPD zudem zügig umgesetzt werden – in der Hoffnung, dass sie bis zur Bundestagswahl im September 2025 wirkt.
Der ständige Streit in der Ampelkoalition gilt als eine Ursache für die schlechten Wahlergebnisse. Damit müsse Schluss sein, verlangt die SPD – mal wieder. In der Vergangenheit waren diese Aufforderungen wirkungslos verhallt. Die Sozialdemokraten bemängeln zudem, dass Scholz ständig Konflikte moderieren müsse, die eigenen Positionen gingen unter. „Wir müssen deutlich machen, dass diese Regierung von der SPD geführt wird und dass sie selbstverständlich auch sozialdemokratisch geleitete Politik macht“, forderte Esken. Das allerdings könnte neuen Streit in der Ampel provozieren.
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