Berlin. Vor dem Parteitag der US-Demokraten befindet sich Kamala Harris im Aufwind. Grund ist ein Manko des Ex-Präsidenten – und eine Kehrtwende.
Kamala Harris nutzt die Gunst der Stunde und macht Wahlkampf mit guter Laune. Dagegen findet Ex-Präsident Donald Trump bislang kein Mittel. US-Wahl-Experte Julius van de Laar erklärt, warum ihm langsam die Zeit davonläuft.
Herr van de Laar, was war aus Ihrer Sicht in den USA zuletzt besonders bemerkenswert?
Julius van de Laar: Vor dreieinhalb Wochen hat Kamala Harris die Kandidatur der Demokraten übernommen – und seitdem schafft Donald Trump es nicht, eine klare, fokussierte und spitze Botschaft gegen sie zu artikulieren. Stattdessen kommt er in Reden immer wieder vom Kurs ab, attackiert weiterhin Joe Biden oder auch mal die Obamas. Harris wird natürlich auch kritisiert – mal für ihren Namen, mal für ihre politischen Ideen und mal wird sie als Fähnchen im Wind charakterisiert. Aber es fehlt die Stringenz. Dabei hatte es zuvor so ausgesehen, als hätte Trump so eine gut geölte Kampagnenmaschine.
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Wird Trump jetzt zum Problem für seine eigene Partei?
Die Partei ist dann zufrieden, wenn sie der Kandidat auf Erfolgskurs bringt. Wenn der Kandidat an Macht verliert, distanziert sich auch die Partei. Aber: Wenn man auf die Umfragen schaut, ist dieses Rennen weiterhin komplett offen. Die Demokraten haben zwar das Momentum auf ihrer Seite, aber die Republikaner haben im electoral college einen strukturellen Vorteil. Nichtsdestotrotz muss es der Trump-Kampagne gelingen, eine Botschaft zu formulieren, die Harris wieder in die Defensive schickt – spätestens nach dem Demokraten-Parteitag.
Was könnte das für eine Botschaft sein?
Er muss sich irgendwann entscheiden. Entweder kritisiert er Harris als politischen Wendehals und sagt, ihr fehle der moralische Kompass. Oder er hält an der Behauptung fest, sie sei eine radikale Linke, der man das Land nicht anvertrauen könne. Das Problem mit der Wendehals-Argumentation ist: Kaum einer ist ein gelenkigerer Wendehals als Donald Trump. Gerade erst hat er gesagt, er wolle Obamacare nun doch nicht mehr abwickeln, weil das mit den Mehrheitsverhältnissen im Kongress nicht möglich sei – dabei war das immer eines seiner großen Versprechen.
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
Wäre ich Trump, würde ich ganz klar auf die Wirtschaft setzen. Denn auch wenn die Inflationszahlen zuletzt runtergegangen sind: Laut Umfragen sind nach wie vor 70 Prozent der Menschen der Auffassung, die USA seien auf dem falschen Kurs. Kamala Harris holt bei der Wirtschaftskompetenz erst langsam auf. Das ist Trumps Hoheitsgebiet, und dementsprechend muss er ihr Momentum im Keim ersticken – im Zweifelsfall auch mit 100 Millionen Dollar in negativer Wahlwerbung.
Trump steigt bisher nicht voll darauf ein…
Nein. Man sieht das oft im Wahlkampf, dass die Kandidaten zu ihren greatest hits zurückkehren – besonders wenn der Druck wächst. Trump gelingt es bisher noch nicht, sich neu zu erfinden. Er geht immer genau dahin zurück, womit er in der Vergangenheit Erfolg hatte: Spitznamen, Polarisierung und Schwarzmalerei. Nach acht Jahren fragt man sich schon: Kann er damit wirklich erneut durchdringen? Hinzu kommt: Auch die Harris-Kampagne scheut nicht mehr davor zurück, Trump als alten Mann zu brandmarken. Ein weiterer Hinweis, dass Trumps Kampagne ins Schlingern kommt: Er hat gerade Corey Lewandowski, seinen Kampagnenmanager von 2016, zurück ins Team geholt. Sie brauchen offenbar jemanden, dem Trump vertraut.
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Sollte Kamala Harris sich auf drei TV-Duelle mit Trump einlassen?
Nein. Selbst wenn sie das Duell gegen Trump gewinnen sollte, würde ihr Sieg bei weitem nicht so dominant ausfallen, wie der von Trump gegen Biden. Aber in Falle eines Sieges könnte sie gönnerhaft sagen: „Also, so ein Duell möchte ich dem alten Herrn nicht noch einmal zumuten“ – so wie Trump es damals zu Joe Biden gesagt hat. Meine Prognose ist aber, dass es wahrscheinlicher ist, dass es keinen K.o.-Sieg von Trump oder Harris geben wird. Der Kandidat, der im Herbst in den Umfragen hinten liegt, wird vehement eine zweite und dritte Debatte fordern.
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Walz und Harris wirken sehr fröhlich, da wird viel gelacht. Kann man mit dieser Stimmung die Wahl gewinnen – obwohl die wirtschaftlichen Zeichen eher noch auf Krise stehen?
… die sogenannten „Happy Warriors“! Dafür gibt es auch einen Grund: Jede Kampagne braucht Optimismus. Die positive Vision darf niemals fehlen. Bei Obama waren es hope und change. Donald Trump hatte 2016 den Slogan „Make America Great Again“ — das war Hoffnung und Zuversicht pur. Um auf Ihre Frage zu antworten: Klar, angesichts der Weltlage wirkt die optimistische und positive Botschaft etwas aus der Realität gefallen.
Vielleicht hat aber auch die Harris-Kampagne aus Hollywood gelernt: Dort werden immer dann optimistische Filme produziert, wenn die Realität ziemlich düster aussieht. In den George-W.-Bush-Jahren war es „The West Wing“, eine extrem positive Erzählung. Bei Obama kam mit „House of Cards“ der scharfe Kontrast hinein ins Dunkle. Vielleicht lernt die Harris-Kampagne im Moment genau das: Den Leuten das zu geben, wonach sie sich gerade sehnen.
Harris inszeniert sich immer mal wieder gemeinsam mit Joe Biden – zuletzt am Donnerstagabend. Warum grenzt sie sich nicht stärker von ihm ab?
Das ist vordergründig überraschend, denn ihre Kampagne will sie ja eigentlich als „die Zukunft“ inszenieren. Aber es gibt eine einfache Erklärung: Sie hat bei allen Zielgruppen ziemlich aufgeholt, Junge, Afroamerikaner, Frauen. Nur bei den älteren Wählerinnen und Wähler liegt sie deutlich hinten, und erhofft sich hier Schützenhilfe von Joe Biden. Bei der gemeinsamen Veranstaltung ging es vor allem um die Höhe von Medikamentenzuzahlungen.
Harris nutzt also den Abstrahleffekt Bidens – ziemlich clever. Beim Parteitag darf Biden gleich am Montagabend sprechen und mit einem regelrechten Joe-Biden-Fest die Vergangenheit quasi beenden. Jeder zweite Delegierte wird Tränen in den Augen haben. Ich prognostiziere: Direkt im Anschluss wird Biden bis zum Wahltag von der Bildfläche verschwinden. Strategisch ist das absolut das Richtige. Aus einer menschlichen Perspektive ziemlich bitter.
Name | Kamala Harris |
Geburtsdatum | 20. Oktober 1964 |
Amt | Vize-Präsidentin der USA |
Partei | Demokraten |
Familienstand | verheiratet, zwei Stiefkinder |