Berlin. Ampel und Union wollen das Bundesverfassungsgericht gemeinsam besser gegen Extremisten schützen. Das ist richtig – reicht aber nicht.
Geht doch. Nach langem Ringen haben sich die Ampel-Fraktionen und die Union darauf geeinigt, das Grundgesetz zu ändern, um das Bundesverfassungsgericht besser abzusichern. Die Sorge dahinter: Extremistische Parteien könnten dessen Unabhängigkeit angreifen und für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren. Im Moment bräuchten sie dazu nur eine einfache Mehrheit im Parlament. Das soll künftig anders werden.
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Das Signal ist wichtig: Ampel und Union hocken nicht 24 Stunden lang an sieben Tagen in der Woche in ihren Schützengräben und schieben sich gegenseitig die Schuld für die Stärke der AfD in die Schuhe. Sie ziehen im Ernstfall an einem Strang, sie erinnern sich rechtzeitig wieder daran, was gute Demokraten ausmacht: Den Moment zu erkennen, in dem es nicht um Parteipolitik geht, sondern um den Schutz eines höheren Guts. In diesem Fall: Um die Sicherung der Verfassung und ihres höchsten Gerichts als Basis für alles andere.
AfD: Was passiert, wenn Rechtsextreme an die Macht kommen?
Wer die Sorge um das Verfassungsgericht für unnötige Panikmache hält, liegt leider falsch. Wie leicht scheinbar selbstverständliche, rechtsstaatliche Gewissheiten ins Rutschen kommen – um das zu begreifen, muss man sich nur anschauen, was Viktor Orbán in Ungarn oder die (inzwischen abgewählte) PiS-Regierung in Polen unter Rechtsstaat verstehen. Das Prinzip ist immer dasselbe – und historisch oft durchgespielt: Illiberale Parteien kommen demokratisch an die Macht – und fangen an, sich das Justizwesen gefügig zu machen.
Sicher, soweit sind wir in Deutschland noch nicht. Die AfD wird nach allem, was jetzt absehbar ist, im Herbst 2025 nicht die Bundesregierung stellen. Ob das 2029 immer noch so klar ist, lässt sich dagegen nur schwer prognostizieren. Deswegen gilt hier besonders, was generell immer gilt: Kluge Politik muss Szenarien kalkulieren – und das heißt in diesem Fall: Vorkehrung treffen.
Extremisten: Wer sie schlagen will, darf ihnen nicht hinterherlaufen
Doch das reicht nicht. Wenn es darum geht, das Land immun gegen Extremisten zu machen, ist der bessere grundgesetzliche Schutz des Verfassungsgerichts nur ein Baustein. Die stabilste Immunität entsteht woanders: in den Köpfen der Wählerinnen und Wähler. Wer das Gefühl hat, dass die Politik die eigenen Sorgen ernst nimmt, Entscheidungen klug begründet und Zumutungen gerecht auf alle Schultern verteilt – der verliert auch nicht den Glauben an den demokratischen Staat als handlungsfähigen Problemlöser.
Für die Immunität ist aber noch etwas anderes wichtig: Wahlkämpfer, die sich selbst immun zeigen gegen billigen Populismus und eine Rhetorik, die nur auf Angst und Überforderung setzt. Wer die Extremisten schlagen will, darf ihnen nicht hinterherlaufen.
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In genau einem Jahr, im Sommer 2025, beginnt die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs. In den Parteizentralen wissen sie alle: Die unentschlossenen Wähler, die Wechselwähler, die Erstwähler – sie alle entscheiden oft erst ganz kurz vor Schluss. Die Versuchung wird deswegen groß sein, auf den letzten Metern noch mal die ganz große Keule zu schwingen. CDU-Chef Friedrich Merz, der Mann mit der ausgeprägten Lust zur Provokation, hat sich selbst schon mal Zurückhaltung verordnet: „Hart in der Sache, aber konziliant und anständig im Ton.“
Ob es hilft? Das ist leider genauso offen wie die Frage, ob die Einigung zum Schutz des Verfassungsgerichts im Ernstfall ausreicht. Denn auch das zeigt die Geschichte: Wer den Rechtsstaat mit aller Macht aushebeln will, findet Wege.