Milwaukee. Trump-Vize J. D. Vance betont bei seiner Antrittsrede seine Proletarier-Ehre. Entscheidende Stellen seiner Biografie verschweigt er.
„Ich komme aus einer kleinen Stadt, in der die Menschen ihre Meinung gesagt, mit den Händen geschafft und Gott, ihre Familie, ihre Gemeinde und ihr Land mit ganzem Herzen geliebt haben.” Ein einziger Satz reichte J. D. Vance, um am Mittwochabend in der prall gefüllten Fiserv-Arena von Milwaukee seine kulturelle Visitenkarte abzugeben.
Amerikas neuer Vizepräsidentschaftskandidat, frisch auserkoren von der republikanischen Nr. 1 Donald Trump, präsentierte sich bei seiner Antrittsrede als Arbeiterkind mit Proletarier-Ehre, religiös grundiertem Patriotismus und Groll auf die Washingtoner Eliten. Middletown, das Städtchen seiner Kindheit, sei von der „herrschenden Klasse in Washington beiseitegeschoben und vergessen worden”, rief er vom Podium.
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Nachdem seine indischstämmige Frau Usha ihn als „enthusiastischen, neugierigen” Menschen vorgestellt hatte, verbeugte sich der 39-Jährige, der Trump vor acht Jahren noch als „Amerikas Hitler” beschimpfte, zehn lange Minuten rhetorisch vor dem milde aus der Ehrenloge lächelnden Parteichef und Präsidentschaftskandidaten.
Trumps Vize J. D. Vance schildert seine Aufsteigergeschichte
Donald Trump habe „Missbrauch” und „Verleumdung” erduldet und „alles für Amerika gegeben”. Beinahe auch sein Leben, sagte er mit mehreren Kunstpausen. Wie sich Trump nach den Schüssen von Pennsylvania verhalten habe, sei bewundernswert. „In einem Moment kann er sich trotzig gegen einen Attentäter stellen und im nächsten zur nationalen Heilung aufrufen.”
J. D. (James David) Vance blätterte vor dem Saalpublikum und den Millionen an den Fernsehgeräten daheim ausführlich eine rare Aufsteigergeschichte aus. Sie führte ihn, den Sohn einer damals drogenkranken Mutter, aus dem prekären Industriearbeiterstädtchen in Ohio über die Elite-Soldaten der Marines und die Elite-Universität Yale bis zur Vizepräsidentschaftskandidatur für die Vereinigten Staaten.
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Dass zwischendurch noch eine intensive Zeit als mit Millionensummen jonglierender Finanzinvestor in Kalifornien kam, ließ der eloquente Redner weitgehend aus. Es passt nicht so gut in die Erzählung vom bodenständigen Arbeiterkind. Vance‘ Zielpublikum ist klar definiert: die weiße Arbeiterwählerschaft in Swing Staates wie Pennsylvania, Wisconsin oder Michigan, die bei der Wahl am 5. November den Ausschlag geben könnten. Ihnen ruft er zu, dass Trumps Vision von der Zukunft Amerikas simpel sei. Vergesst die Wall Street: „Wir verpflichten uns der Arbeiterklasse.”
Vance stellt seine einst drogen- und alkoholsüchtige Mutter vor
Anstatt Billigarbeiter und -arbeit zu importieren, würden amerikanische Bürger gestärkt und würde mehr „made in the USA” produziert. Adressat seiner Attacken ist immer wieder Joe Biden, den er als Vertreter des Washingtoner Establishments „seit dem 4. Schuljahr” für jedwede politische Fehlentscheidung in wirtschaftlichen Dingen verantwortlich macht, die Städte in seiner Heimat und benachbarten Bundesstaaten bis heute auszubaden hätten. Stichworte: Abwanderung von Industriearbeitsplätzen nach China. Kehrseite: Import von tödlichem Fentanyl von ebendort.
Geschickt bastelt Vance, der mit dem autobiografischen Roman „Hillbilly-Elegie” einen Welterfolg hatte, in seiner Philippika gegen die Demokraten Anekdotisches ein. So die Geschichte von Großmutter „Mamaw”, die ihn erzog, strenggläubig, aber auch eine Anhängerin des bösen F-Wortes gewesen sei. Oder die Notiz, dass er nach der Universität seiner damaligen Freundin Usha beim Heiratsantrag gesagt habe, sie kriege es nun mit 120.000 Dollar Studentendarlehenschulden und einer Grabstelle in Ostkentucky zu tun. Mehr war nicht.
In einem hochemotionalen Moment stellte Vance dem Parteitag seine inzwischen seit zehn Jahren drogen- und alkoholfrei lebende Mutter Beverly vor, die mit Tränen in den Augen im Publikum saß. Als Vizepräsident, verspricht Vance, werde er nie vergessen, woher er komme. Trump sei „die letzte, beste Hoffnung für Amerika”. Gemeinsam werde man China bei dem Versuch stoppen, „ihre Mittelschicht auf dem Rücken von Amerikanern aufzubauen”.
Als indirekte Warnung an Amerikas Verbündete fügte er hinzu: Es gebe künftig keine „Freifahrtscheine” mehr für „Länder, die die Großzügigkeit des amerikanischen Steuerzahlers missbrauchen”.
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