Berlin. Gute Freunde kann niemand trennen: Kanzler und DFB-Präsidenten sind Weggefährten. Nationalelf ins Kanzleramt eingeladen. Im Wahljahr?
Nach dem EM-Aus wartet Olaf Scholz zwei Tage, eine Frage des Takts. So viel Trauerarbeit muss sein. Dann greift der Kanzler zum Telefon: Er ruft am Sonntag Julian Nagelsmann an und lädt den Bundestrainer sowie die DFB-Elf ins Kanzleramt ein.
Vor dem Finale dürfte das Treffen kaum zustande kommen. Bereits am Samstag verließ die Mannschaft ihr Quartier in Herzogenaurach. Viele der Spieler sind längst im Urlaub. Das Ausscheiden bei der Heim-Fußball-Europameisterschaft tut weh. Jetzt wollen sie Abstand gewinnen, vergessen und verdrängen. Außerdem geht Ende August die Bundesliga in eine neue Spielzeit. Jetzt steht Erholung obenan.
Enger Draht zum DFB-Präsidenten
Die nächsten Heimspiele der Nationalmannschaft in diesem Jahr sind in Düsseldorf, München und Freiburg. Mit einem Spiel in Berlin lässt sich ein Abstecher in die Regierungszentrale schlecht verbinden. Scholz wäre allerdings nicht der erste Kanzler, für den sie beim DFB extra anreisen.
Politik und Fußball, Kanzleramt und DFB – der Draht war schon immer eng. Auf Angela Merkels Spuren hat Scholz längst die Elf besucht, auch in ihrem Allerheiligsten: in der Kabine. Selten war der Draht persönlich so eng wie heute zwischen Scholz und DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Man kennt sich, man hilft sich.
Nagelsmann nahm Einladung sofort an
Der Rheinländer war mal Journalist und Pressesprecher. Anfang der 2000er Jahre sprach er für die SPD, genauer: für den damaligen Generalsekretär Scholz. Der saß zu der Zeit zwar im Bundestag, aber war für die breite Öffentlichkeit – außerhalb Hamburgs – eher ein ungeschriebenes Blatt. Neuendorf sollte mithelfen, dass die Medien daraus keinen Papiertiger falten.
Keine einfache Zeit, die späten Jahre der Schröder-Zeit. Scholz musste von Oktober 2002 bis März 2004 Schröder verteidigen, eine undankbare Aufgabe; Neuendorf wiederum Scholz „verkaufen“, den Mann, den alle nur den „Scholzomaten“ nannten. Wenn sie sich heute auf der Ehrentribüne in den Stadien treffen, wenn man sie plaudernd und scherzend sieht, ist es kein Fake. Es schwingt immer die Erinnerung an die Schicksalsgemeinschaft mit. Der eine wurde Verbandschef, der andere Kanzler. Zwei Aufsteiger.
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Es ist die Haltung, die dem Kanzler imponiert
Selbstredend hat Nagelsmann die Einladung sofort angenommen: aus Respekt? Aus Neugier? Weil alles andere verbandspolitisch inakzeptabel wäre? Weil Scholz ihn imponiert? Wir wissen es nicht.
Aber wir wissen, was Scholz imponiert hat: die Haltung. Scholz ist kein großer Fußballfan, er war unsportlich und hat erst spät angefangen zu laufen und zu rudern. Er wird wohl kaum mit Nagelsmann über die Dreierkette fachsimpeln.
Ein bisschen Optimismus bräuchte Scholz auch
Bei einem Besuch in Erlangen gestand er, „ich fand sehr beeindruckend, was der Trainer gesagt hat.“ Dieses „Leute, guckt mal“, wie schön, wie stark, wie einig Deutschland sein kann. „Wenn alle jetzt immer auf Depression machen, kommen wir ja auch nicht weiter. Wir müssen uns mal für uns selber und für das, was wir können, begeistern“, rekapitulierte er die Äußerungen des Bundestrainers. Als Wahlkämpfer weiß Scholz: Nur wer sich selbst begeistern kann, der kann auch andere begeistern.
Er finde, „das hat er völlig richtig formuliert.“ Das sollte in Zukunft die Stimmung in unserem Land sein, meinte Scholz. „Wir können was, wir wollen was erreichen und wir reden darüber, wie wir das am besten zustande kriegen.“ Dieses besseres Miteinander würde Scholz auch gern hinbekommen, erst in seiner eigenen Ampel-Koalition und dann am besten auf das gesamte Land übertragen. Gerade 2025, im Bundestags-Wahljahr. Das Treffen mit der Nationalmannschaft kommt gelegen.
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