Berlin. Der desaströse TV-Auftritt des US-Präsidenten wirkt nach. Nur mit einem neuen Kandidaten besteht die Chance, Donald Trump zu besiegen.
Die Bilder vom ersten TV-Duell zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem Herausforderer Donald Trump sorgen weltweit noch immer für Erschütterung. Ein Biden, der den Faden verlor, sich vernuschelte oder den Satz nicht zu Ende sprach: Selten gab ein amerikanischer Staatschef vor laufender Kamera eine derart demütigende Vorstellung. Trump hingegen schlachtete Bidens Schwäche gnadenlos aus, feuerte unzählige Lügen-Torpedos ab und mimte die dynamische Alternative.
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Das Biden-Lager wischt die Bedenken bislang vom Tisch und verweist auf die recht ordentliche Regierungsbilanz des Präsidenten. Das stimmt zwar, ist jedoch kurzsichtig. In sozialen Medien haben Videos und Fotos heute eine viel stärkere Wirkungskraft als Inhalte. Auf Youtube oder Tiktok kursieren zum Beispiel Clips mit dem Titel „Walk Like Joe Biden – „Laufe, wie Joe Biden“, in denen der US-Präsident auf der Gangway stolpert oder in einer Konferenz vor sich hindöst. Eine Welle voller Häme und Zynismus.
Im jugendwahnverrückten Amerika spielt das Alter eine noch größere Rolle als anderswo. Für viele US-Bürger haben sowohl der 81-jährige Biden als auch der 78-jährige Trump die Grenze deutlich überschritten. Aber der Republikaner kommt im Vergleich zu Biden wesentlich energiegeladener rüber. Für große Teile der Bevölkerung ist das Bild die Botschaft. Daraus erwächst der Nährboden für Populismus, den Trump meisterhaft beherrscht.
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Bis zum Parteitag könnten Demokraten Biden noch austauschen
Bidens körperliche Schwäche sowie seine mentalen Aussetzer sind ein wichtiger Grund, warum Trump seit Monaten in den Meinungsumfragen vorn liegt – trotz aller Prozesse, die er am Hals hat. Offenbar denkt der amtierende Präsident jetzt selbst darüber nach, aus dem Rennen auszusteigen. Das legt ein Medienbericht nahe. Sollte Biden auf seiner Präsidentschaftskandidatur beharren, wäre das Risiko des Scheiterns extrem hoch. Der Präsident schafft es, bei Wahlkampfveranstaltungen einigermaßen energisch aufzutreten, wenn er seinen Text vom Teleprompter ablesen kann. Aber in einer Livesituation wie beim TV-Duell wirkt er hoffnungslos überfordert.
Noch haben die Demokraten die Möglichkeit, Biden bis zum Nominierungsparteitag in der zweiten Augusthälfte gegen einen aussichtsreicheren Kandidaten auszutauschen. Dafür würden sich erfolgreiche Gouverneure und Gouverneurinnen aus den Bundesstaaten anbieten – etwa Gavin Newsom in Kalifornien oder Gretchen Whitmer in Michigan. Eine Wette ohne Biden wäre zwar ebenfalls riskant, weil bis zur Präsidentschaftswahl wenig Zeit zur landesweiten Profilierung bleibt. Aber es besteht die Chance, neuen Schwung in die Kampagne zu bringen.
Trump hat die Weichen für eine Quasi-Diktatur gestellt
Dies geht allerdings nur, wenn Biden als Kandidat zurücktritt und den Weg freimacht. Der einzige Mensch, der ihn dazu bewegen könnte, ist vermutlich Ehefrau Jill. An ihr läge es, Biden mit Feingefühl und Empathie umzustimmen. Der Präsident ist ein herausragender Politiker, der Amerika jahrzehntelang gedient hat. Bidens Verzicht zum Wohle des Landes würde ihm Respekt und einen besonderen Platz in den Geschichtsbüchern einbringen. Es wäre sein letzter – vielleicht sein wichtigster – Dienst an seinem Land.
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Zu viel steht auf dem Spiel: Trump wäre in seiner zweiten Amtszeit auf einem Rachefeldzug gegen Andersdenkende und eine Gefahr für Amerikas Demokratie. Das jüngste Urteil des mehrheitlich mit Trump-Leuten besetzten US-Verfassungsgerichts, das dem Präsidenten in seiner Amtszeit de facto Straffreiheit gewährt, zeigt: Der Republikaner schreckt nicht davor zurück, sich mitten in seiner Prozesslawine juristische Blankoschecks ausstellen zu lassen. Die Gewaltenteilung in den Vereinigten Staaten funktioniert nicht mehr. Trump hat die Weichen für eine Quasi-Diktatur gestellt.
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