Hamburg. Sie blockieren Straßen und Flughafen oder beschmieren Fassaden. Nun bekommen Klimaaktivisten die Rechnungen.

Seit vielen Monaten blockieren Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation auch in Hamburg immer wieder Straßen und Brücken, beschmieren Fassaden, Schiffe oder Flugzeuge mit Farbe – oder legen, wie zum Ferienbeginn, den Flughafen lahm.

Lange schien es so, als kämen die Täter mit ihren Aktionen für mehr Klimaschutz weitgehend ungeschoren davon. Jetzt aber bekommen viele der Klima-Kleber die ersten Rechnungen präsentiert.

So dürfte an diesem Wochenende die Schadenersatzforderung für das Beschmieren der Rathausfassade am 30. März, einen Tag vor dem Besuch von König Charles, bei den beiden Tätern im Briefkasten landen. Der Senat hat nämlich nicht nur Strafanzeige wegen Sachbeschädigung erstattet, er fordert auf zivilrechtlichem Weg nun auch die Kosten für die Beseitigung der Schäden am Rathaus ein.

Dafür hat er sich die Namen der beiden Aktivisten von den Ermittlungsbehörden geben lassen. Insgesamt 17.278,66 Euro verlangt die Stadt von den beiden Tätern, wie Senatssprecherin Julia Offen dem Abendblatt sagte.

Klima-Kleber: Jetzt trudeln die Rechnungen bei den Aktivisten ein

Und dies ist vermutlich erst der Anfang. Auch andere Geschädigte wollen es nicht bei Strafanzeigen belassen, sondern fordern von den Aktivisten voraussichtlich auch finanziellen Ausgleich für entstandene Schäden.

So ist etwa der Universität Hamburg nach eigenen Angaben ein Schaden von 37.600 Euro entstanden, als die Letzte Generation das Hörsaal-Gebäude Audimax II vom 30. Mai bis zum 2. Juni des vergangenen Jahres besetzte.

Vor dem Besuch von König Charles beschmierten militante Klimaschützer den Haupteingang des Hamburger Rathauses.
Vor dem Besuch von König Charles beschmierten militante Klimaschützer den Haupteingang des Hamburger Rathauses. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Die Aktivisten hatten u. a. Fassade, Fensterfront und Innenräume des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes auf dem Campus Von-Melle-Park mit roter und oranger Farbe besprüht. Weil sich zeitweise einige Aktivisten auf dem Vordach des Gebäudes aufhielten und für sie Lebensgefahr bestanden habe, so die Uni, rief das Präsidium die Polizei.

Letzte Generation: Uni Hamburg stellte in zwölf Fällen Strafanträge gegen Aktivisten

In zwölf Fällen stellte die Uni Strafanträge. In allen Fällen seien Strafbefehle erlassen worden; zwei Beschuldigte seien inzwischen rechtskräftig zu Geldstrafen verurteilt worden, sagte Liddy Oechtering, Sprecherin der Staatsanwaltschaften.

Auch in sechs weiteren Fällen erhielten die Beschuldigten Geldstrafen; diese Urteile seien jedoch noch nicht rechtskräftig. Ein 59-Jähriger, der mit anderen das Audimax beschmiert hatte, erhielt beispielsweise zunächst eine Geldstrafe von 1600 Euro; nachdem er Einspruch einlegte, wurde er zu 600 Euro verurteilt. Gegen einen anderen Beschuldigten wurden rechtskräftig 800 Euro Straf verhängt, Noch nicht rechtskräftig sind Geldstrafen in Höhe von 600 und 400 Euro.

In drei Verfahren hätten die Beschuldigten Einspruch gegen Strafbefehle eingelegt; die Hauptverhandlungen dazu sollen Ende August und Anfang September stattfinden. Der Sprecher von Uni-Präsident Hauke Heekeren, Alexander Lemonakis, sagte, die Uni plane, „die Verursacher zum Schadenersatz heranzuziehen“, sobald sie gesicherte Erkenntnisse zu Verurteilungen habe.

Flughafen Hamburg: Wegen Blockade drohen Klima-Klebern Millionenforderungen

Besonders teuer zu stehen kommen könnte die Klimaaktivisten die Blockade von Start- und Landebahnen des Hamburger Flughafens in der vergangenen Woche. Dort läuft die Aufarbeitung der Festklebeaktion vom 13. Juli noch. Die Schadenersatzansprüche prüfe man weiterhin, deren Höhe werde „genauestens“ analysiert, sagte Hamburg-Airport-Sprecherin Janet Niemeyer. „Dieses Prozedere wird gegebenenfalls noch mehrere Wochen in Anspruch nehmen.“

Der Flughafen spricht davon, einen hohen wirtschaftlichen Schaden zum Beispiel durch Einbußen der Entgelte und die erzwungene Reparatur an der Infrastruktur erlitten zu haben. Die Aktivisten mussten aus dem Asphalt der Rollwege herausgeflext, die Löcher anschließend beseitigt werden. Um den Schadenersatz umfänglich geltend zu machen, werde notfalls auch der gerichtliche Weg beschritten, sagte Niemeyer.

Blockade am Airport Hamburg: 10.000 Passagiere und 68 Flüge waren betroffen

Der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg schätzt die entstandene Schadenhöhe im Millionenbereich ein. Der Großteil des Schadens dürfte bei den Fluglinien aufgetreten sein. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Airlines sind durch Flugausfälle Ticketeinnahmen entgangen, es gibt Kosten für Ausweichlandungen, Weiterflüge nach Hamburg, Leerflüge, Crewwechsel, Ersatzflugzeuge und Umbuchungen bei nachfolgenden Flügen im Netzwerk der Airlines.

Als eine betroffene Airline-Gruppe prüft die Lufthansa, ob sie eine finanzielle Kompensation von der Letzten Generation verlangen will. „Die Prüfung eines Schadenersatzanspruchs und einer -forderung erfolgt jeweils bei Protestaktionen dieser Art“, sagte Lufthansa-Sprecherin Anja Stenger.

Am 13. Juli seien in Hamburg und bei der parallel stattfindenden Aktion in Düsseldorf 33 Flüge der Konzern-Airlines wie Lufthansa, Eurowings und Swiss ausgefallen, 3000 Passagiere seien betroffen gewesen. In Hamburg sind insgesamt 68 Flüge ausgefallen, 10.000 Passagiere sollen insgesamt die Auswirkungen zu spüren bekommen haben.

Lufthansa sieht „gefährlichen Eingriff in Luftverkehr“ – Staatsanwaltschaft nicht

Der Kranich-Konzern hatte bereits im November 2022 Erfahrungen mit der Letzten Generation gesammelt. Damals legten die Klimaschützer für knapp zwei Stunden den Hauptstadtflughafen lahm. Man sei dabei, Schadenersatz für die Beeinträchtigung des Flugbetriebs in Berlin geltend zu machen, hieß es in diesen Tagen.

Die Fluggesellschaft sieht in dem unbefugten Betreten des gesicherten Flughafenbereichs einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr, der strafrechtlich zu verfolgen sei. Der Flughafen hatte bereits einen Tag nach der Aktion mitgeteilt, dass man Strafantrag gegen die Aktivisten gestellt habe.

Airport-Blockade: Hamburger Staatsschutz ermittelt gegen die Klimaaktivisten

Doch bei der Staatsanwaltschaft sieht man bisher für eine Gefährdung des Luftverkehrs keine Anhaltspunkte. Dafür bedürfe es einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Sachen von bedeutendem Wert, sagte Sprecherin Oechtering. An einer solchen Gefahr fehlte es wohl, weil das sich im Anflug befindende Flugzeug rechtzeitig habe umgeleitet werden können.

Als mögliche Straftatbestände der Aktivisten blieben noch Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Widerstand beziehungsweise die Beihilfe dazu übrig. Der Strafrahmen liegt für diese Delikte bei maximal drei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe. Die Verfahren seien noch beim polizeilichen Staatsschutz anhängig, sagte Polizei-Pressesprecher Sören Zimbal. Ermittelt werde nach wie vor gegen zehn Personen.

Köhlbrandbrücke: Nach Blockade fünf Verfahren wegen Nötigung anhängig

Unterdessen wird der rund 22 Kilometer lange Zaun rund um das 570 Hektar große Flughafen-Gelände seit dem Vorfall offenbar besser bewacht. Die Aktivisten hatten mit Bolzenschneidern den Stahlmattenzaun zerschnitten, obwohl dieser laut Airport besser gesichert sei als verlangt.

„Mit vielen Sicherheitskräften werden die Außengrenzen der Betriebsflächen beziehungsweise des Sicherheitsbereiches dicht kontrolliert, sodass nötigenfalls außerordentlich rasche Reaktionen möglich sind“, sagte Martin Helfrich, Sprecher der Wirtschaftsbehörde. Die Behörde ist für die Prüfung, Bewertung und Aktualisierung des Luftsicherheitsprogramms zuständig.

Aufgrund einer anderen spektakulären Aktion der Aktivisten laufen derzeit bei der Staatsanwaltschaft fünf Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Nötigung: Am 23. März hatten mehrere Klima-Kleber die Köhlbrandbrücke im Hafen blockiert und so für Stunden den Verkehr lahm gelegt, sowie Staus verursacht. Die Polizei hatte die Täter aus dem Asphalt flexen müssen. Die Fahrbahn wurde beschädigt. Nicht nur die Verkehrslenkungsmaßnahmen waren aufwendig.

Letzte Generation beschmierte auch die Yacht einer Unternehmerwitwe aus Pinneberg

Die Polizei musste auch in größerem Umfang die Nummernschilder der im Stau stehenden Fahrzeuge erfassen, um Betroffene ermitteln zu können. „Die Ermittlungen dauern noch an“, sagte Staatsanwaltschaftssprecherin Oechtering. In welcher Höhe die Stadt Schadenersatz von den Tätern fordern könnte, war zuletzt noch unklar.

Im Fall der Aktion nahe der Elbbrücken am 4. Februar, bei der die Fahrbahn rund 20 Minuten blockiert wurde, gab es bereits Konsequenzen. In einem Fall wurde ein Strafbefehl über 50 Tagessätze verhängt, allerdings wegen gemeinschaftlicher Nötigung im Zusammenhang mit Widerstand. Der Beschuldigte hat dagegen Widerspruch eingelegt, weswegen es am kommenden Montag vor dem Amtsgericht Harburg in der Buxtehuder Straße zur Gerichtsverhandlung kommt.

Farbanschlag auf Yacht: Schaden geht wohl in den sechsstelligen Bereich

Aber nicht nur prominente Gebäude oder Verkehrsinfrastruktur wurden von den Aktivisten beschädigt bzw. blockiert. Es traf auch Privatpersonen. Die Pinneberger Unternehmerin Hella Mohr etwa, deren Yacht im Ancora Marina Yachthafen in Neustadt im Juni von Klimaaktivisten der Letzten Generation mit oranger Farbe beschmiert wurde, hat dieser Anschlag sehr getroffen. Die Yacht „Lady M.“ sei der Lebenstraum ihres verstorbenen Mannes Wilhelm gewesen, der Schaden der Attacke gehe „in den sechsstelligen Bereich“.

Die 85-Jährige ist die Witwe von Wilhelm Mohr, der in Bilsen einen Handel mit Waren aus Versicherungsschäden aufgebaut hat. „Wir sind keine Reichen“, sagte Hella Mohr nach der Tat. „Ich arbeite noch jeden Tag in der Firma, gehe frühmorgens zur Arbeit und nähe nachmittags Gardinen für Kunden.“ Die 30 Meter lange Luxusyacht „Lady M.“ habe sich die Familie 1995 angeschafft, so Hella Mohr. Die Polizei ermittelt nun gegen die verantwortlichen Klimaaktivisten.

Im Hafen von Neustadt wurde die Yacht der Familie Mohr beschmiert. Yacht im Hafen von Neustadt. Auf einem Transparent ist die Aufschrift „Euer Luxus = Unsere Ernteausfälle
Im Hafen von Neustadt wurde die Yacht der Familie Mohr beschmiert. Yacht im Hafen von Neustadt. Auf einem Transparent ist die Aufschrift „Euer Luxus = Unsere Ernteausfälle" zu sehen. © dpa | --

Insgesamt seien die Personalien von acht Beteiligten aufgenommen worden. Sie werden sich in einem Verfahren wegen des Verdachts der Sachbeschädigung, der Wasserverunreinigung und des Hausfriedensbruchs verantworten müssen. „Der Schaden am Schiff geht wahrscheinlich in den sechsstelligen Bereich. Wir wollten in ein paar Wochen nach Dänemark fahren, aber das geht nun nicht mehr“, sagte Hella Mohr damals. Sie will das Boot auf jeden Fall reparieren lassen.

Sylt: Klimaaktivisten besprühten Privatflugzeug und gruben Golfplatz um

Auch auf Sylt hatte die Letzte Generation kürzlich eine Serie von Farbattacken durchgeführt. Bei einer dieser Aktionen verschafften die Aktivisten sich Zugang zum Flugplatz, indem sie den Zaun des Flughafens durchtrennten, um anschließend ein Privatflugzeug mit Farbe zu besprühen und sich an den Tragflächen festzukleben.

Wie die Betreiber des Flughafens dem Abendblatt mitteilten, hätten diese „selbstverständlich“ Strafanzeige gegen die Aktivisten erstattet; auch eine Schadenersatzforderung wird geltend gemacht. Wie hoch der Schaden jedoch genau war, ließ Geschäftsführer Peter Douven offen.

Miriam Meyer (31) und ihre Mitstreiter durchtrennten den Zaun zum Sicherheitsbereich des Flughafens Sylt. Sie besprühten einen Privatjet und klebten sich daran fest. Nun wird Schadenersatz gefordert.
Miriam Meyer (31) und ihre Mitstreiter durchtrennten den Zaun zum Sicherheitsbereich des Flughafens Sylt. Sie besprühten einen Privatjet und klebten sich daran fest. Nun wird Schadenersatz gefordert. © LG | JONAS GEHRING

Bei einer weiteren Aktion Mitte Juni gruben die Aktivisten die Spielbahn eines Golfplatzes in Hörnum um und „renaturierten“ sie nach eigenen Angaben. Nach Abendblatt-Informationen hat der Eigentümer des Golfplatzes, der zu einem nahe gelegenen Hotel gehört, nun Anzeige wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung erstattet. Die genaue Summe des Schadens wollte der Betreiber jedoch ebenfalls nicht nennen.

Westerland: Letzte Generation besprühte Luxushotel „Miramar“ mit oranger Farbe

Nicolas Kreis, Betreiber des Luxushotels „Miramar“ in Westerland, das die Letzte Generation am 8. Juni mit oranger Farbe attackierte, ließ dem Abendblatt mitteilen: „Wir sind gegen Vandalismus versichert. Wir haben den Schaden eingereicht und unseren Teil getan.“ Alles Weitere liege nun bei der Versicherung.

Wie der SHZ berichtete, hatte das Hotel nach dem Angriff kurzerhand eine Spendenaktion mit besprühten Flaschen aus der Hotelbar gestartet. Rund 44.000 Euro seien so bei der Versteigerung zusammengekommen, die der Familienbetrieb nun an eine kinderonkologische Klinik auf Sylt spenden wolle.

Kampen: Juwelier und Dior-Filiale besprüht. Ermittlungen in fünf Fällen

Darüber hinaus verübten die militanten Klimaschützer am 16. Juni Farbattacken auf eine Dior-Filiale sowie auf die Juwelier-Filiale Wempe, beide in Kampen. Insgesamt, so sagte Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt von der Staatsanwaltschaft Flensburg, dauerten die Ermittlungen wegen Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung sowie Nötigung in allen fünf Fällen noch an, stünden aber kurz vor dem Abschluss. Eine Wempe-Sprecherin bestätigte, dass das Unternehmen Strafanzeige gestellt hat.

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Aus juristischer Sicht können Aktionen wie die von Aktivisten der Letzten Generation in Hamburg mehrere Konsequenzen haben. Erstens: Die Geschädigten stellen Strafanträge wegen Sachbeschädigung. Bei einer Verurteilung ist etwa eine Geldstrafe möglich. Es besteht dann ein staatlicher Strafanspruch. Sollte der Verurteilte die Geldstrafe nicht bezahlen können, kann die Geldstrafe unter Umständen in eine Freiheitsstrafe umgewandelt werden.

„Letzte Generation“: Das droht den Aktivisten vor Gericht

Zweitens: Die Geschädigten können vor einem Zivilgericht auf Schadenersatz klagen. Kommt es zu einem rechtskräftigen Urteil, aber der Verurteilte kann oder will den Schadenersatz nicht leisten, so kann der Geschädigte einen Gerichtsvollzieher beauftragen. Lässt sich der Schaden auf diesem Weg nicht begleichen, spricht man von einer fruchtlosen Vollstreckung, erläutert Reinhard Bork, pensionierter Professor der Universität Hamburg für Zivilprozessrecht.

Dann bleibe noch die Möglichkeit, einen Insolvenzantrag gegen den Verurteilten zu stellen – doch das sei wenig Erfolg versprechend, wenn schon der Gerichtsvollzieher keine finanziellen Mittel vorgefunden habe, sagt Bork. Letztlich müsse der Geschädigte in solchen Fällen selbst den Schaden bezahlen.