Hamburg. Die hohe Zahl von Kindern aus der Ukraine macht einige Änderungen im Schulsystem nötig. Dazu zählt auch die maximale Klassengröße

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine Ende März haben die Hamburger Schulen mehr als 6200 Kinder und Jugendliche aus dem osteuropäischen Staat aufgenommen. Das entspricht der gesamten Schülerzahl Wilhelmsburgs oder sämtlicher Elbvororte. Noch einmal 2000 Schülerinnen und Schüler sind aus anderen Ländern aufgenommen worden.

Für den Unterricht der Flüchtlings­kinder mussten 400 zusätzliche Klassenräume bereitgestellt und rund 600 Pädagogen zusätzlich eingestellt werden. „Das System stößt jetzt an seine Grenzen, weil die Beschulung der zugewanderten Kinder und Jugendlichen bisher auf die Schulen in der Umgebung der Wohnunterkünfte konzentriert war. Die räumliche und personelle Kapazität dieser Schulen ist mittlerweile erschöpft“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) dem Abendblatt.

Schule in Hamburg: Verteilung der geflüchteten Kinder soll Überlastung verhindern

„Um angesichts der stetig weiter steigenden Zuwanderung ein gutes Schulangebot aufrechtzuerhalten, wird die Schul­behörde die Willkommensklassen (die Internationalen Vorbereitungsklassen, die Red.) künftig auf deutlich mehr Hamburger Schulen verteilen, auch wenn die Kinder und Jugendlichen dann weitere Schulwege haben“, sagte Rabe. Die neue Verteilung gewährleiste, dass „einzelne Schulen nicht überlastet werden und die organisatorische, personelle und räumliche Kapazität des gesamten Schulsystems genutzt werden kann“.

In etlichen Schulklassen wird es im kommenden Jahr aus einem weiteren Grund enger werden: Schritt für Schritt werden knapp 5000 Kinder und Jugendliche, die aus der Ukraine geflüchtet sind, in die Regelklassen der Schulen wechseln. Allein im ersten Halbjahr werden rund 3400 ukrainische Schülerinnen und Schüler nach einem Jahr die Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK) verlassen, in denen sie unter anderem Deutsch lernen.

Viele Klassen werden im neuen Schuljahr größer als erlaubt

Das bedeutet: Für die Flüchtlings­kinder, die in die Anfangsklassen eins, fünf und elf sowie die Berufsschule wechseln, werden neue Klassen eingerichtet. Alle anderen werden bestehenden Klassen zugeordnet. Da sich deren Schülerzahl erhöhen wird, geht die Schulbehörde davon aus, dass in nicht wenigen Fällen die im Schulgesetz vorgegebene Obergrenze von 19 bzw. 23 Kindern in der Grundschule und sowie 23, 25 oder 28 Jungen und Mädchen in den Klassen sechs bis zehn überschritten werden muss.

„Das ist organisatorisch und rechtlich möglich und wurde in der Vergangenheit auch praktiziert, allerdings nicht in so großer Zahl, wie jetzt zu erwarten ist“, sagte Behördensprecher Peter Albrecht. Derzeit werde mit den Schulleitungen anhand mehrerer Modelle erörtert, wie vor allem die weiterführenden Schulen angemessen mit der Lage umgehen können. Das können neben höheren Klassenfrequenzen auch zusätzliche Regelklassen oder flexible Lösungen vor Ort sein. Für die dritten und vierten Klassen der Grundschulen gilt die Zahl der erwarteten zusätzlichen Schüler als gut verkraftbar.

Genügend Lehrkräfte zu finden wird zur "wachsenden Herausforderung"

Schon jetzt ist klar, dass auch die ukra­inischen Schüler in den Regelklassen über das gesamte Schulsystem verteilt werden sollen. Während einzelne Schulen bereits darauf hinweisen, dass ihre Raumkapazitäten erschöpft seien, macht die Schulbehörde eine andere Rechnung auf. Danach würden den rund 11.100 Klassen- und Fachräumen der staatlichen Schulen derzeit rund 8500 Schulklassen gegenüberstehen. Selbst wenn die Schulen 20 Prozent aus organisatorischen Gründen frei hielten, blieben mehr als 1100 Klassen- und Fachräume übrig – mehr als derzeit zusätzlich benötigt würden.

„Eine wachsende Herausforderung ist es, genügend Pädagogen und Lehrkräfte zu gewinnen“, sagte Rabe. Der Senat statte die Schulen so aus, dass für jeweils zwölf bis 13 zusätzliche Kinder und Jugendliche eine volle Stelle mit einer verbeamteten Lehrkraft finanziert werden könne. „Das ist eine außerordentlich gute finanzielle Ausstattung. Es mangelt ausdrücklich nicht am Geld. Die Herausforderung besteht eher darin, in sehr hohem Tempo genügend Lehrkräfte zu finden“, so Rabe.

Hamburg hat erheblich mehr Kinder aufgenommen, als es müsste

Wegen der ohnehin insgesamt wachsenden Schülerzahlen müssen 200 bis 300 Pädagogen pro Jahr zusätzlich zum Ersatz der pensionierten und ausscheidenden Lehrkräfte eingestellt werden. Daraus ergibt sich ein jährlicher Bedarf von mehr als 800 Lehrerinnen und Lehrern, zu denen in diesem Jahr noch die 600 Pädagogen für den Unterricht der Flüchtlingskinder hinzukamen. Im Vergleich zu früheren Jahren entspreche das fast einer Verdreifachung des Einstellungsbedarfs.

Rabe wies darauf hin, dass Hamburg 40 Prozent mehr Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine aufgenommen habe, als auf den Stadtstaat nach dem Länderverteilschlüssel bezogen auf die Einwohnerzahl entfielen. Das seien „gewaltige Zahlen, die erheblich höher sind als während der letzten Zuwanderungswelle 2015 und das gesamte Schulsystem vor große Herausforderungen stellen“, sagte Rabe.

Schule Hamburg: GEW mahnt mehr Fachkräfte für Integration an

„Die GEW Hamburg begrüßt grundsätzlich die Maßnahmen der Schulbehörde zur Beschulung geflüchteter ukrainischer Kinder und Jugendlicher. Wichtig bleibt uns, dass zusätzliche Ressourcen für diese Aufgabe bereitgestellt werden und diese zusätzliche Herausforderung nicht auf Kosten des regulären und inklusiven Unterrichts bewältigt werden muss“, sagte Sven Quiring, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Insbesondere sei die Verstetigung der Finanzmittel wichtig.

Eine hohe Bedeutung habe für die GEW die schnelle Integration in Regelklassen. „Es werden unbedingt weitere Fachkräfte gebraucht, insbesondere im Bereich Schulsozialarbeit und Schulpsychologie sowie für die Sprachbildung. Die Politik muss akzeptieren, dass der Fachkräftemangel in Schulen und Kitas auch in Hamburg angekommen ist“, sagte Quiring.