Berlin/Budapest/Hamburg. Hinweise auf neues Boots-Drama im Mittelmeer. Mario Adorf kritisiert Til Schweiger. Der News-Blog bei abendblatt.de.
Erneut brennende Asylbewerberheime, Tausende auf den Fähren von den ägäischen Inseln zum griechischen Festland, Zehntausende Flüchtlinge auf der Balkanroute gen Deutschland: Die Flüchtlingskrise geht mit unverminderter Wucht weiter. Angela Merkels Große Koalition von Union und SPD hat ein Milliardenpaket beschlossen. Daran entzündet sich auch Kritik. In Bayern gibt es nicht einmal mehr genügend Zellen für mutmaßliche Schleuser. Der News-Blog bei abendblatt.de hält Sie auf dem Laufenden.
Abgelehnte Asylbewerber erhalten weniger Sozialleistungen
16.31 Uhr: Die Leistungen für abgelehnte Asylbewerber sollen nach dem Willen der schwarz-roten Bundesregierung deutlich reduziert werden. Wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte, ist dies Teil der im nächtlichen Koalitionsausschuss getroffenen Vereinbarung. „Wir wollen die Asylbewerberleistungen für diejenigen erheblich verringern, die unser Land verlassen müssen.“ Es könne nicht sein, dass diese Menschen die gleichen Sozialleistungen bekämen wie diejenigen, die noch im Asylverfahren sind. Zudem soll künftig eine „Sekundärmigration“ in Europa verhindert werden. Wenn jemand in ein anderes Land verteilt worden ist und nach Deutschland möchte, soll er hier nicht deutsche Leistungen erhalten, sondern auf das Land verwiesen werden, dem er zugeteilt wurde.
Wieder Neonazi als Sicherheitsmann?
16.12 Uhr: Nachdem ein polizeibekannter Rechtsradikaler kurze Zeit in einer Heidelberger Flüchtlingsunterkunft gearbeitet hat, werden nun Konsequenzen aus dem Vorfall geprüft. Verschiedenen Medienberichten zufolge soll der Mann Mitglied der Kasseler Neonazi-Vereinigung „Sturm 18“ sein. Die Polizei in Kassel wollte sich dazu nicht äußern. Der Mann war seit 1. September als Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma in der Unterkunft in Nachtschichten eingesetzt gewesen. „Natürlich wollen wir wissen, wie das passieren konnte“, sagte ein Sprecher des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe. Schon am vergangenen Donnerstag hatte er bei einer routinemäßigen Überprüfung durch das zuständige Gewerbeamt Verdacht erregt, wie ein Polizeisprecher in Heidelberg sagte. Der Staatsschutz bestätigte den rechtsradikalen Hintergrund des Mannes. Danach musste er die Unterkunft verlassen.
Neues Flüchtlings-Unglück im Mittelmeer?
15.31 Uhr: Bei der Überfahrt über das Mittelmeer könnten Berichten von Überlebenden zufolge erneut etwa 20 Flüchtlinge ertrunken sein. Insgesamt 107 Migranten konnten vor der libyschen Küste von einem Schlauchboot gerettet werden, wie eine Sprecherin der italienischen Küstenwache sagte. Die Überlebenden berichteten von etwa 20 weiteren Menschen an Bord. Unterdessen konnten nach dem Kentern zweier Boote vor Libyen Ende August nach Angaben der Hilfsorganisation „Migrant Report“ 183 Leichen geborgen werden. 197 Menschen hätten das Unglück überlebt, weitere 70 würden noch vermisst, meldete die maltesische Webseite. Die libysche Küstenwache hatte nach dem Unglück vor der Küste der Stadt Suwara im Nordwesten des Landes etwa 200 Tote gemeldet.
Solidaritätskonzert mit Maffay, Grönemeyer, Lindenberg fällt aus
15.12 Uhr: Das geplante Solidaritätskonzert für Flüchtlinge am 4. Oktober in Berlin findet nicht statt. Das teilte der Konzertveranstalter Dirk Becker Entertainment mit. Ursprünglich sei geplant gewesen, die Bühne und die Technik von den Feierlichkeiten am Tag der Deutschen Einheit 24 Stunden zuvor zu nutzen. Das sei technisch aber nicht möglich. „Der zeitliche Abstand zwischen den beiden Veranstaltungen ist einfach zu kurz“, so die offizielle Begründung. Geplant waren vor dem Reichstagsgebäude Auftritte zahlreicher Musiker, die sich in der Vergangenheit gegen Fremdenfeindlichkeit engagierten, darunter Herbert Grönemeyer, Peter Maffay und Udo Lindenberg. Besonders Lindenberg hatte das Konzert mehrfach angekündigt. Genannt wurden auch die Toten Hosen. Die hatten das allerdings nicht bestätigt.
Mario Adorf kritisiert Til Schweiger
14.41 Uhr: Schauspieler Mario Adorf, 84, hat hat seinen Kollegen Til Schweiger, 51, für dessen Umgang mit seinem geplanten Flüchtlingsheim im Harz kritisiert. „Dass ein prominenter Künstler den Flüchtlingen helfen will, finde ich großartig. Til Schweiger hat aber leider die unglückliche Gabe, sich mit seinem dünnhäutigen, motzigen Auftreten nicht beliebt zu machen“, sagte Adorf im Interview der „Stuttgarter Zeitung“. Statt eine Welle der Sympathie zu erzeugen, führe Schweiger mit seinen Polemiken „nur zu neuen Polarisierungen“. Damit rufe er jene fremdenfeindlichen Menschen auf den Plan, „die er eigentlich mundtot machen will“.
Adorf hält es für „entsetzlich“, dass in Deutschland Flüchtlingsheime brennen. Er habe es in den Jahren nach dem Krieg für ausgeschlossen gehalten, dass es hier jemals wieder Nazis geben könnte nach all den Morden an unschuldigen Menschen in Konzentrationslagern. „Leider hatte ich unrecht.“
Wie lange gelten deutsche Ausnahmen für Flüchtlinge?
13.39 Uhr: Die Bundesregierung lässt offen, wie lange die Ausnahmen für die in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge zur Einreise nach Deutschland noch gelten sollen. Allerdings betonte Regierungssprecher Steffen Seibert, bei der Entscheidung Deutschlands und Österreichs sei es um eine "humanitäre Notsituation" gegangen, da die Situation für Tausende Flüchtlinge in Ungarn ein unerträgliches Ausmaß angenommen habe. Dies ändere aber nichts daran, dass sich jeder EU-Staat, auch Ungarn, an die gemeinsamen Verpflichtungen halten müsse, sagte Seibert. Hierzu gehört in erster Linie das Dublin-Abkommen, wonach Flüchtling in dem Land ein Asylverfahren durchlaufen müssen, in dem sie erstmals in die EU gelangt sind.
"Feiger Anschlag auf Asylbewerberheim"
13.10 Uhr: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat den Brand in einer möglichen Flüchtlingsunterkunft in Ebeleben im Kyffhäuserkreis als feigen Anschlag verurteilt. Wer glaube, Häuser anstecken zu müssen, unterscheide sich nicht von Terroristen in den Ländern, aus denen die Flüchtlinge kämen, sagte Ramelow nach einem Besuch des Brandorts. „Thüringen wird davor nicht in die Knie gehen.“ Ramelow sprach von einem „Anschlag auf unsere Wertegemeinschaft“. Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) sagte, es werde wegen vorsätzlicher Brandstiftung ermittelt. Das Landeskriminalamt habe den Fall übernommen. „Es gibt gute Chancen, die Täter zu fassen“, betonte Poppenhäger.
Hamburger Grüne: Sachleistungen schaffen Bürokratie
12.57 Uhr: Die Grünen in Hamburg haben sich zurückhaltend über die Ergebnisse des schwarz-roten Koalitionsausschusses zum Umgang mit Flüchtlingen geäußert. „Manche Vorschläge wie die stärkere Bekämpfung der Fluchtursachen und mehr Mittel für Integrations- und Sprachkurse gehen in die richtige Richtung“, sagte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank. „Die Umwandlung von Bargeld in Sachleistungen schafft hingegen nur zusätzliche Bürokratie.“ Ebenfalls skeptisch zeigte sich Fegebank bei der Ausweitung der sicheren Herkunftsländer.
Frankreich nimmt mehr Flüchtlinge – stellt aber Bedingungen
12.41 Uhr: Frankreich ist bereit, wie von der EU-Kommission vorgesehen 24.000 zusätzliche Flüchtlinge über zwei Jahre aufzunehmen. „Das werden wir machen“, sagte Präsident François Hollande in Paris. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker will am Mittwoch Pläne zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen auf EU-Staaten vorstellen. Hollande zeigte sich zuversichtlich, dass die Flüchtlingskrise bewältigt werden könne. Bedingung sei allerdings auch, dass in den Ankunftsländern im Süden der EU Zentren für die Identifizierung der Migranten eingerichtet würden.
Buschkowsky mahnt zu richtiger Integration
12.26 Uhr: Der frühere Bürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), hat angesichts der großen Flüchtlingsströme vor Problemen bei der Integration gewarnt und von der Politik mehr Anstrengungen gefordert. “Wenn wir die Schlafwagen-Integrationspolitik weiter so betreiben, wird es ein zweites Fiasko geben“, sagte Buschkowsky. Die bisherige Integrationspolitik nach den großen Einwanderungswellen der vergangenen Jahrzehnte sei „nicht besonders erfolgreich“ gewesen. Besonders vermeiden müsse man ganze Stadtviertel mit bestimmten Flüchtlingsgruppen. „Ethnische Cluster sind der Ausgangspunkt für Parallelgesellschaften. Das ist das Gegenteil von dem, was wir uns von der Einwanderung erhoffen“, sagte Buschkowsky bei der Präsentation einer Umfrage zur Einstellung der Berliner zu Flüchtlingen, Migranten, Integration und Religion. 75 Prozent der Berliner haben demnach laut dem Meinungsforschungsinstitut Info eine positive Einstellung gegenüber Ausländern. 25 Prozent sind der Meinung, es gebe zu viele Ausländer in Berlin und die Deutschen müssten ihre Kultur mehr verteidigen.
Tausende Menschen auf griechischen Inselfähren
11.39 Uhr: In Griechenland sind am Montag Tausende Flüchtlinge angekommen. Am frühen Morgen brachte die Fähre „Eleftherios Venizelos“ fast 2500 Migranten von der Insel Lesbos nach Piräus. Am Vorabend waren rund 1700 Menschen an Bord der Fähre „Tera Jet“ in Piräus eingetroffen. Beide Fähren sind sofort wieder von Piräus aus nach Lesbos ausgelaufen, um weitere Flüchtlinge zu holen, wie ein Offizier der Küstenwache sagte. Auf Lesbos harren Schätzungen zufolge fast 20.000 Migranten aus. Sie müssen erst registriert werden, bevor sie auf eine der Fähren ans Festland kommen. Auf Lesbos nahm die Polizei am Wochenende zwei einheimische Minderjährige fest, die zwei Brandflaschen auf Migranten geschleudert hatten.
Flüchtling stirbt in Unterkunft in Schwarzenborn
11.17 Uhr: Ein Flüchtling aus Syrien ist in der Notunterkunft im nordhessischen Schwarzenborn gestorben. „Es handelte sich offensichtlich um einen medizinischen Notfall“, sagte am Montag ein Sprecher der Polizei in Homberg/Efze. Woran genau der 43 Jahre alte Mann in der Nacht zu Montag starb, soll nun eine Untersuchung klären. Die Polizei betonte, es gebe keinen Hinweis auf eine Straftat. Nach Angaben des Regierungspräsidiums Kassel sind in der Unterkunft in Schwarzenborn rund 430 Flüchtlinge untergebracht.
Merkel: Kosten von 10 Milliarden denkbar
10.41 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält Gesamtkosten von zehn Milliarden Euro zur Bewältigung der Flüchtlingskrise im nächsten Jahr für nachvollziehbar. Sie könne eine solche Zahl für Bund, Länder und Kommunen insgesamt zwar nicht bestätigen. Aber angesichts der allein vom Bund bereitgestellten sechs Milliarden Euro für 2016 sei eine solche Summe irgendwie getroffen, sagte Merkel am Montag in Berlin auf einer Pressekonferenz mit Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD).
„Also von der Größenordnung her erscheint mir das nicht völlig unplausibel“, sagte die Kanzlerin. Merkel verwies darauf, dass von den höheren Steuereinnahmen auch Länder und Kommunen profitierten.
Gabriel betonte, der Bund übernehme nicht sämtliche Kosten. „Wir reden ja über eine gesamtstaatliche Aufgabe.“ Bund, Länder und Gemeinden leisteten ihre Beiträge. Damit nähere man sich dann einer Größenordnung von zehn Milliarden Euro.
10.000 Flüchtlinge am Montag in Bayern erwartet
10.21 Uhr: Die Regierung von Oberbayern rechnet für diesen Montag mit bis zu 10.000 neuen Flüchtlingen. Allein am Vormittag und Mittag seien drei Sonderzüge aus Österreich mit 2100 Menschen geplant, sagte Regierungspräsident Christoph Hillenbrand am Münchner Hauptbahnhof. Er hoffe, dass einige Züge an München vorbei direkt in andere Bundesländer geleitet werden. „Wir sind hier sehr am Anschlag.“ Nötig seien auch bessere, grenzüberschreitende Informationen.
Mehr Geld für Flüchtlingshilfe des DFB
9.07 Uhr: Die DFB-Flüchtlingsinitiative "1:0 für ein Willkommen" wird durch Zuschüsse der Europäischen Fußball-Union (Uefa) und der Bundesregierung weiter ausgebaut und verfügt nun über 700.00 Euro. Die Uefa hat, nachdem sie von der Initiative erfahren hatte, 50.000 Euro zur Verfügung gestellt. Daraufhin hat die Bundesregierung ihre Zuschüsse von 300.000 Euro noch einmal um 50.000 Euro erhöht. Insgesamt zahlen jetzt die DFB-Stiftung Egidius Braun, die im Winter die Initiative ergriffen hat, die Nationalmannschaft aus ihrem Prämien- und Sponsorentopf, die Uefa sowie die Bundesregierung in 2015 und 2016 jeweils 500 Euro an 800 Vereine in diesem und 600 im nächsten Jahr, die sich besonders um Aufnahme und Integration von Flüchtlingen kümmern. Das kann von Beitragsbefreiung über kostenlose Trainingskleidung bis hin zu Sprachkursen reichen.
400 Flüchtlinge aus Bayern in Neumünster eingetroffen
8.56 Uhr: Gegen 6.45 Uhr erreichten rund 400 Flüchtlinge aus Bayern per Zug den Bahnhof Neumünster, wie die Polizei berichtete. Busse brachten sie in Unterkünfte nach Boostedt und in die Stadt Neumünster. Polizisten sorgten für einen ruhigen Ablauf, Angehörige einer privaten Initiative begrüßten die Flüchtlinge.
Soli für Flüchtlinge einsetzen
8.26 Uhr: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) hat gefordert, den Solidaritätszuschlag in Zukunft für die Unterstützung von Flüchtlingen zu verwenden. „Es wäre besser, wenn der Soli, der zum Aufbau der neuen Länder derzeit nur noch zur Hälfte genutzt wird, zu einem Integrations-Soli umgebaut werden würde“, sagte Ramelow am Montag im Deutschlandfunk. „Dann hätten alle Bundesländer und Kommunen mehr davon und es wäre für die Bevölkerung transparenter und ehrlicher.“
Vertriebene haben Empathie
8.12 Uhr: Bei vielen Heimatvertriebenen lässt das Schicksal der Flüchtlinge heute schlimme Erinnerungen hochkommen. Der Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), der CSU-Abgeordnete Bernd Fabritius, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Durch die Situation heute werden viele unserer Mitglieder an das erinnert, was sie selbst erlebt haben. Deshalb gibt es bei uns eine große Empathie gegenüber den Flüchtlingen, ja ein Mitleiden. Wir fordern zu offenen Herzen auf gegenüber den Opfern der heutigen Flucht und Vertreibung. Und es müssen dringend die Ursachen stärker bekämpft werden, sodass Vertreibungen und ethnische Säuberungen nicht länger ein Mittel der Politik sind."
Deutschland, Europa und die Flüchtlingsfrage
Lesen Sie hier das Abendblatt-Special zu Flüchtlingen in Hamburg
Wieder Brände in Asylunterkünften
6.41 Uhr: Bei einem Brand in einer Unterkunft für Asylbewerber in Rottenburg (Landkreis Tübingen) sind in der Nacht zum Montag sechs Bewohner verletzt worden. Vier Flüchtlinge kamen ins Krankenhaus, wie ein Polizeisprecher sagte. Drei Menschen hatten Rauchgas eingeatmet, ein weiterer erlitt eine Schulterverletzung. Zwei Bewohner zogen sich Knochenbrüche zu, als sie aus dem Fenster sprangen oder kletterten. In der Unterkunft sind derzeit 84 Menschen gemeldet.
Eine künftige Asylbewerberunterkunft im thüringischen Ebeleben (Kyffhäuserkreis) ist am Montagmorgen in Brand geraten. Im Ortsteil Rockensußra brannten nach Angaben der Polizei die Dachstühle von drei Wohnblöcken, die derzeit für die Unterbringung von Asylsuchenden saniert werden. Mehrere Ortsfeuerwehren waren im Einsatz, um die Flammen unter Kontrolle zu bringen. Am Morgen dauerten die Löscharbeiten noch an. Verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen der Polizei niemand. „Wir gehen von einer politisch motivierten Brandstiftung aus“, sagte eine Polizeisprecherin in Nordhausen. Ein technischer Defekt werde ausgeschlossen.
Ungarns Ministerpräsident Orban: Grenzen schließen!
5.03 Uhr: Ungarn hat Österreich und Deutschland aufgerufen, die Grenzen zu schließen. Beide Länder sollten „klar sagen“, dass keine weiteren Flüchtlinge mehr aufgenommen werden, ansonsten würden weiterhin „mehrere Millionen“ Menschen nach Europa kommen, sagte Ungarns Regierungschef Viktor Orban einer Meldung der österreichischen Nachrichtenagentur APA zufolge am Sonntagabend im ORF-Fernsehen. Er kritisierte demnach, die Einreise in die EU ohne Papiere entspreche nicht den Regeln, trotzdem habe Österreich die Migranten ungehindert einreisen lassen. Ein Großteil von ihnen seien Wirtschaftsflüchtlinge. Ungarn habe ausreichend „finanzielle und polizeiliche Kraft“, für alle Schutzsuchenden Verpflegung und Unterkunft zur Verfügung zu stellen – doch würden alle nach Deutschland wollen. „Das Problem liegt nicht auf unserer Seite“, sagte Orban weiter.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr österreichischer Kollege Werner Faymann hatten am Freitagabend in Absprache mit der ungarischen Regierung eine Ausnahmeregelung vereinbart. Demnach durften die Flüchtlinge in Ungarn ohne bürokratische Hürden und Kontrollen nach Österreich und Deutschland einreisen.
Keine Haftplätze mehr für festgenommene Schleuser
4.57 Uhr: Die Justiz in Bayern ist offenbar derart überlastet, dass nicht mehr alle mutmaßlichen Schleuser in Untersuchungshaft nehmen kann. Das berichtet die "Rheinische Post" unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft. In Passau, wo seit Wochen Hunderte Flüchtlinge am Tag die deutsch-österreichische Grenze passieren, ufere die Situation aus. Die Justizvollzugsanstalt habe 75 Untersuchungshaft-Plätze, 350 mutmaßliche Schleuser seien aber in den vergangenen Wochen festgenommen worden. Die meisten müssten nach Würzburg, Nürnberg oder Coburg in die Gefängnisse gebracht werden.
Merkel und Gabriel einigen sich auf Milliardenpaket für Flüchtlinge
3.37 Uhr: Die Spitzen von Union und SPD haben sich in der Nacht zum Montag auf ein beispielloses Maßnahmenpaket zur Asyl- und Flüchtlingspolitik verständigt. Der Bund will dafür 2016 sechs Milliarden Euro mehr ausgeben, wie aus einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Ergebnispapier des Koalitionsgipfels hervorgeht. Wie das Geld konkret verwendet wird, soll bis zum Treffen am 24. September mit den Ländern geklärt werden. Das Gesamtpaket soll im Oktober von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.
Der Bund will im Haushalt 2016, der in dieser Woche im Bundestag erstmals beraten wird, seine Ausgaben um drei Milliarden Euro erhöhen. Zusätzlich sollen Länder und Kommunen ebenfalls drei Milliarden Euro bekommen.
Deutschland steht zu seinen humanitären und europäischen Verpflichtungen „und erwartet dies ebenso von seinen Partnern“. Dazu gehörten die Einhaltung der Dublin-III-Regeln und Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Die Entscheidung vom Wochenende, Tausende Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland zu holen, „soll eine Ausnahme bleiben“.
In den EU-Staaten werde eine „solidarische und faire Verteilung und Aufnahme schutzbedürftiger Flüchtlinge“ angestrebt, dazu eine gemeinsame EU-Liste sicherer Herkunftsländer. Ein weiteres Ziel ist ein einheitliches EU-Asylrecht.
Kosovo, Albanien und Montenegro werden durch Gesetzesänderung zu sicheren Herkunftsstaaten bestimmt. Asylsuchende aus diesen Ländern können dann schneller abgewiesen werden.
Wer aus sicheren Herkunftsstaaten kommt, soll bis zum Ende des Verfahrens in der Erstaufnahme bleiben. Die Höchstdauer kann bis zu sechs Monate betragen, entsprechend verlängert sich die Residenzpflicht. Abschiebungen dürfen nur noch höchstens drei statt bisher sechs Monate ausgesetzt werden. Ist die Entscheidung zur Abschiebung gefallen, werden Sozialleistungen reduziert.
In der Erstaufnahme soll statt Bargeld „so weit wie möglich“ auf Sachleistungen umgestellt werden. Wenn Geld gezahlt wird, dann höchstens einen Monat im Voraus.
Der Bund will Ländern und Kommunen helfen, die Kapazitäten auf 150.000 winterfeste Plätze für Flüchtlinge zu erhöhen. Dafür werde der Bund alle verfügbaren Bundesliegenschaften bei Bedarf „sofort und mietzinsfrei“ anbieten und auch die Kosten für die Herrichtung übernehmen. In einem Beschleunigungsgesetz soll die Abweichung von Bau- und Vergabe-Standards erlaubt werden.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bekommt in seinem Haushalt jährlich 400 Millionen Euro mehr Geld, um das deutsche Engagement zur Krisenbewältigung und -prävention auszubauen.
In der Bundespolizei werden in den kommenden drei Jahren 3000 zusätzliche Stellen geschaffen.
Der Bund will noch mehr Geld für Integrations- und Sprachkurse ausgeben. Das Leiharbeitsverbot für Asylbewerber und Geduldete soll nach drei Monaten entfallen. Auch sollen die Jobcenter mehr Personal bekommen, um Flüchtlingen rasch Angebote machen zu können.
Menschen aus Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Kosovo, Albanien und Montenegro soll die Chance zur „legalen Migration“ und zum Arbeiten in Deutschland ermöglicht werden: „Wer einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag mit tarifvertraglichen Bedingungen vorweisen kann, soll arbeiten oder eine Ausbildung aufnehmen dürfen.“
Kommunen sollen vom Bund Immobilien günstiger bekommen. Geprüft werden auch steuerliche Anreize für Investoren zum Bau von Sozialwohnungen.
Beim Freiwilligendienst des Bundes (Bufdi) soll es bis zu 10.000 zusätzliche Stellen geben.
Das Gesamtpaket mit allen Maßnahmen soll im Oktober von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.