Berlin/Hamburg . Am Wochenende sind alle Versammlungen unter freiem Himmel verboten. Maas wird wegen Hetze aktiv. Der Live-Blog zur Flüchtlingsdebatte.
Rassistische Übergriffe rund um eine Erstaufnahme im sächsischen Heidenau, Brandstiftungen in Notunterkünften, Drohungen gegen Bundespolitiker - die Flüchtlingsdebatte in Deutschland spitzt sich zu. Abendblatt.de hält Sie auf dem Laufenden.
Deutschland und die Flüchtlingsdebatte
Landratsamt verhängt Versammlungsverbot in Heidenau
Im sächsischen Heidenau sind für dieses Wochenende alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel verboten worden. Das Verbot gelte zwischen Freitag 14 Uhr und Montag 6 Uhr, teilte das Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge am Donnerstagabend mit. Eine Woche nach den schweren Ausschreitungen von Rechtsradikalen in der Stadt nahe Dresden war für Freitagnachmittag ein Willkommensfest für Flüchtlinge geplant. Parallel zu dem Fest wollten auch rechte Gegner der Unterkunft auf die Straße gehen.
Das Versammlungsverbot wurde mit einer Überforderung der Polizei, einem sogenannten polizeilichen Notstand begründet. Die zur Verfügung stehenden Polizeikräfte seien nicht in der Lage, „der prognostizierten Lageentwicklung gerecht zu werden“, hieß es.
Flüchtlingshilfe umgekehrt: Syrer spendete für DDR-Bürger
Flüchtlingshilfe in die andere Richtung - und das schon vor 25 Jahren: Das Auswärtige Amt hat in seinem Aktenbestand einen Fall ausgegraben, wie im Herbst 1989 ein Syrer Geld für DDR-Flüchtlinge spendete. Der Mann tauchte damals mit umgerechnet 255 D-Mark (etwa 130 Euro) in der bundesdeutschen Botschaft in Damaskus auf und bat darum, die Spende DDR-Bürgern zukommen zu lassen, die ihr Land in Richtung Westen verlassen hatten. Die Massenflucht über Länder wie Ungarn und die Tschechoslowakei machte damals auch in der arabischen Welt Schlagzeilen.
Das Auswärtige Amt veröffentlichte am Donnerstag ein Schreiben der Botschaft mit Datum vom 19. September 1989, das seinerzeit an die Zentrale ging. Darin heißt es: „Am 15.09.1989 sprach in der Botschaft ein syrischer Staatsangehöriger vor, um seine Sympathie für die in letzter Zeit aus der DDR ausreisenden Deutschen auszudrücken. Er überreichte (...) eine Spende zur Unterstützung der DDR-Flüchtlinge in Höhe von 2000 syrischen Pfund. Zur richtigen Würdigung dieser Spende muss berücksichtigt werden, dass dieser Betrag das Monatseinkommen manch eines einfachen Syrers übersteigt.“
Die Botschaft empfahl, den Betrag einer „geeignet erscheinenden humanitären Organisation“ zukommen zu lassen - was dann auch geschah. Das Geld wurde nach Angaben eines Ministeriumssprechers an den Malteser Hilfsdienst überwiesen, unter dem Stichwort „Ungarn-Hilfe“.
Merkel fordert faire Quoten für Aufnahme von Flüchtlingen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drängt die europäischen Partner zu einer raschen Vereinbarung über eine faire Quote zur Aufnahme von Flüchtlingen. Auch eine Übereinkunft zur Einstufung der Länder des Westbalkans als sichere Herkunftsländer müsse zügig erfolgen, sagte Merkel am Donnerstag in Wien. „Sie brauchen an unserer Entschlossenheit nicht zu zweifeln“, betonte die Kanzlerin. Deutschland werde eine entsprechende Offensive der EU-Kommission unterstützen.
Im Gegensatz zur Finanzkrise mache die Flüchtlingskrise keine Vertragsänderungen in der EU notwendig, sagte Merkel weiter. Für Flüchtlinge etwa aus Syrien mit einer hohen Anerkennungsquote müssten rasche Verfahren geschaffen werden. Das geltende Dublin-Verfahren, das eine Rückführung von Flüchtlingen in das Land vorsehen, in dem sie zuerst angekommen waren, funktioniere nicht. „Wir dürfen nicht die Bürokratie Triumphe feiern lassen.“
Zugleich müssten kurze rechtsstaatliche Verfahren für eine schnellere Rückführung der Menschen aus den sicheren Herkunftsländern des westlichen Balkans eingeführt werden. „Wir brauchen hier eine gesamteuropäische Antwort."
Gewerkschaft kritisiert Polizeieinsatz bei Erfassung von Flüchtlingen
Die Deutsche Polizeigewerkschaft beklagt sich über das Heranziehen von Beamten der Bereitschaftspolizei zur Registrierung von Flüchtlingen. „Bei allem Verständnis für die momentane Notsituation im Land, aber die Polizei kann einfach nicht mehr alles leisten“, sagte Erich Rettinghaus, Vorsitzender der DPolG in NRW, am Donnerstag. Die Landespolizei müsse für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einspringen, habe aber selbst eine Fülle von Einsätzen und Aufgaben. Jede der 18 Einsatzhundertschaften in NRW solle zum 1. September jeweils sechs Beamte für vier Wochen abgeben. „Dienstfrei ist zum Fremdwort geworden“, beklagte die Gewerkschaft. Die DPolG hat etwa 7500 Mitglieder in NRW.
Lindenberg: "Wir heißen Flüchtlinge willkommen“
Panikrocker Udo Lindenberg (69) wird einer der Stars beim Solidaritätskonzert für Flüchtlinge am 4. Oktober in Berlin sein. „Ein klares Bekenntnis ist jetzt wichtig: Wir heißen Flüchtlinge, die Entsetzliches wie Krieg, Tod, Vergewaltigung erlebt haben, willkommen – und wir kümmern uns auch“, sagte der Musiker der „Bild“-Zeitung (Donnerstag). Das Konzert soll einen Tag nach den Feiern zum 25. Jahrestag der deutschen Einheit vor dem Reichstagsgebäude stattfinden. „Eine bunte Republik ist selbstverständlich. Und daher erheben wir uns auch gemeinsam gegen dieses Pack, gegen diese Idioten in Orten wie Freital und Heidenau“, meinte Lindenberg.
Abgebrannte Flüchtlingsunterkunft soll neu aufgebaut werden
Die Gemeinde Weissach im baden-württembergischen Rems-Murr-Kreis will die am Montag niedergebrannte geplante Flüchtlingsunterkunft wieder aufbauen. Das werde Bürgermeister Ian Schölzel in der kommenden Woche dem Gemeinderat vorschlagen, bestätigte die Gemeindeverwaltung dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag. Warum das Gebäude gebrannt hat, war laut Polizei weiter unklar.
Das neue Haus soll auf den Grundmauern des alten errichtet werden und rund 20 Asylbewerbern Platz bieten. Die Wiederaufbaupläne seien ein „Fingerzeig unserer Willkommenskultur“, sagte Ordnungsamtsleiter Rudolf Scharer. Finanziert wird der Neubau aus den Zahlungen der Versicherung, einem Zuschuss des Landes und kommunalen Mitteln.
Nach Nauen-Anschlag Suche nach neuen Unterkünften
Nach dem Brandanschlag auf ein vorbereitetes Notquartier in Nauen sucht die Kreisverwaltung Havelland händeringend nach alternativen Unterkünften für Flüchtlinge. „Wir haben in den regionalen Zeitungen Anzeigen geschaltet und bitten die Bürger, uns geeignete Grundstücke, Wohnungen oder Häuser anzubieten“, sagte Kreissprecher Oliver Kratzsch am Donnerstag. In der am Dienstag niedergebrannten Sporthalle sollten vorübergehend 100 Asylbewerber untergebracht werden, bis ihre festen Unterkünfte fertiggestellt sind. Nach dem offiziellen Verteilungsschlüssel muss der Landkreis in diesem Jahr mindestens 1500 Flüchtlinge aufnehmen.
Maas sieht Klima der Einschüchterung in Heidenau
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht ein Klima der Einschüchterung im sächsischen Heidenau. „Es gibt viele, die nicht mehr wissen, ob sie sich noch trauen sollen, ihre Meinung zu sagen; die das nicht gut finden, was der rechtsextreme Mob hier veranstaltet hat. Es ist schon eine Form von Einschüchterung“, sagte er am Donnerstag. Maas hatte sich mit mehr als 100 Gymnasiasten in Heidenau getroffen. Der Ort war wegen rechtsradikaler Ausschreitungen vor einer Flüchtlingsunterkunft in die Schlagzeilen geraten. Am Mittwoch hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Unterkunft besucht. Dabei war sie von Demonstranten ausgebuht und beschimpft worden.
Willkommensfest in Heidenau - Demo in Dresden
Mit einem Willkommensfest in Heidenau und einem Protestzug durch Dresden wollen linke Gruppen für Flüchtlinge demonstrieren. Zugleich wollen sie gegen das Handeln von Regierung und Behörden beim Thema Asyl protestieren. Aufgerufen haben das Bündnis Dresden Nazifrei und die Interventionistische Linke. „Wir wollen den Flüchtlingen zeigen, dass es hier auch Menschen gibt, die sie willkommen heißen“, sagte Nazifrei-Sprecher Silvio Lang am Donnerstag.
Die Demonstration am Sonnabend, zu der auch Teilnehmer aus Leipzig, Berlin, Frankfurt und Jena erwartet würden, richte sich gegen die politisch Verantwortlichen, die die rechtsradikalen Ausschreitungen in Heidenau vom vergangenen Wochenende zugelassen hätten. Er erwarte eine vierstellige Teilnehmerzahl.
Bei dem Willkommensfest am Freitagnachmittag in Heidenau soll es ein Grillfest, Fußballspiele und andere Aktivitäten mit den dort in einem Baumarkt untergebrachten Flüchtlingen geben. Außerdem sollen in Berlin gesammelte Sachspenden verteilt werden. Das Fest werde trotz einer angekündigten Demonstration von Rechtsradikalen stattfinden. Alles andere wäre ein „fatales Zeichen“, sagte Lang.
Mehrere Leichen in Schlepperfahrzeug in Österreich gefunden
In Österreich sind in einem Schlepperfahrzeug die Leichen von Flüchtlingen entdeckt worden. Das Fahrzeug sei auf der Autobahn A4 südlich von Wien unterwegs gewesen, teilte die Polizei mit. Einzelheiten wolle Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in Kürze auf einer Pressekonferenz in Eisenstadt bekanntgegeben.
Die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtete von mindestens 30 Leichen, die in einem Lastwagen auf einem Pannenstreifen in der Nähe von Parndorf (Bezirk Neusiedl am See) gefunden wurden.
Zuvor hatte die „Kronenzeitung“ berichtet, es seien bis zu 50 Menschen gestorben. Das wollte das Innenministerium in Wien auf APA-Anfrage zunächst nicht bestätigen.
Luxemburg will Flüchtlinge in Privathaushalten unterbringen
Luxemburgs Regierung will sich stärker in der Flüchtlingskrise engagieren. Derzeit werde geprüft, ob Flüchtlinge in Privathaushalten untergebracht werden könnten, sagte Premierminister Xavier Bettel im Interview der Tageszeitung "Luxemburger Wort" (Donnerstag). Er habe in den vergangenen Tagen zahlreiche Anfragen von Bürgern erhalten, die bereit seien, Flüchtlinge bei sich zu Hause aufzunehmen.
Gemeinsam mit Organisationen wie etwa der Caritas, die bereits Erfahrungen in der Betreuung von Flüchtlingen haben, wolle man das Projekt organisieren und den rechtlichen Rahmen dafür bereitstellen. "Die Unterbringung bei Privatpersonen hat den Vorteil, dass sich die Asylbewerber schneller und besser integrieren", so Bettel. Durch eine gute Integration könnten Parallelgesellschaften verhindert werden.
Bettel kündigte an, er werde sich auf europäischer Ebene für eine Einigung bei den Flüchtlingsquoten sowie eine EU-weite Liste sicherer Herkunftsstaaten einsetzen. Falls bei der Liste keine Fortschritte auf EU-Ebene erzielt würden, werde Luxemburg gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden aktiv werden und eine eigene Liste erstellen. Eine solche Liste sei "eine erste, aber wichtige Etappe im Umgang mit der Flüchtlingsproblematik". Gleichzeitig müssten Asylverfahren schneller bearbeitet und nicht asylberechtigte Migranten zügig wieder zurückgeschickt werden.
Bettel hofft weiterhin auf ein freiwilliges EU-weites Quotensystem zur Verteilung von Flüchtlingen. Sollte dies jedoch zu keiner Lösung führen, sei eine verpflichtende Regelung notwendig, so der Premier. "In der EU leben 500 Millionen Menschen. Angesichts dieser Größenordnung kann es doch nicht sein, dass wir es nicht fertigbringen, 60.000 Flüchtlinge aufzunehmen."
Start der Westbalkan-Konferenz mit Ruf gegen Schlepper
Zum Auftakt der Westbalkan-Konferenz in Wien hat der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zu einem verstärkten Kampf gegen Schlepper aufgerufen. „Wir haben gemeinsam die Pflicht, etwa jene, die an diesem Leid auch noch verdienen, in die Schranken zu weisen“, sagte Faymann am Donnerstag mit Blick auf den Flüchtlingsstrom gerade auf dem Balkan. Auch in dieser Frage seien eine gemeinsame Haltung und ein gemeinsames Vorgehen der EU nötig. „Jeder ganz allein, erst recht gegen den Anderen, werden wir diese Herausforderung nicht lösen können.“ Österreich ist wie Deutschland von der Flüchtlingsproblematik besonders betroffen.
Auf der eintägigen Konferenz will auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über den Zustrom an Asylbewerbern aus der Region reden. Teilnehmer sind unter anderem die Regierungschefs aus Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, Montenegro und Serbien. Im laufenden Jahr stammten fast 45 Prozent aller Asylanträge in Deutschland von Menschen aus den sechs Staaten.
Flüchtlinge retten Schule von Golzow
Positiv-Nachricht aus den neuen Bundesländern: Zwei junge syrische Flüchtlinge "retten" die durch ein Filmprojekt bekannte Schule im brandenburgischen Golzow (Märkisch Oderland). Ohne die beiden Kinder von Asylbewerbern hätte es dort im neuen Schuljahr keine erste Klasse mehr gegeben, gab Brandenburgs Bildungsminister Günter Baaske (SPD) am Mittwoch in Potsdam bekannt.
Das Dorf Golzow und seine Schule sind durch die Langzeitdokumentation "Die Kinder von Golzow" bekannt. Dabei begleiteten die Filmemacher Barbara und Winfried Junge die Lebenswege von 18 Menschen der Jahrgänge 1953 bis 1955. Insgesamt werden am Samstag rund 21.000 Kinder in Brandenburg eingeschult.
Heidenaus Bürgermeister resigniert
Der Bürgermeister von Heidenau, Jürgen Opitz (CDU), sieht wenig Chancen, bei den rechten Demonstranten gegen die Flüchtlingsunterkunft in seiner Stadt ein Umdenken zu erreichen. „Hass und Verblendung sitzen so tief, dass es schwer ist, diese Menschen zu erreichen“, sagte er am Donnerstag im WDR Radio. Unter den Demonstranten seien viele, die „sicher sozial benachteiligt“ seien und „Angst und Sorge haben, dass es für sie nicht mehr reicht“, wenn eine in ihren Augen große Zahl von Flüchtlingen in die Stadt käme.
Während er mit „Pegida“-Anhängern noch diskutieren könne, sieht Opitz bei den Randalierern, die bei Ausschreitungen am Wochenende auch Polizisten verletzt hatten, keine Berührungspunkte mehr: „Diese Nazis, die sind kaum noch für unseren Staat, für das, was in der Verfassung steht, was im Grundgesetz steht, zurückzugewinnen. Das ist leider so.“
Eine Mitschuld trägt nach Meinung des Bürgermeisters auch die Bundespolitik, weil die NPD nach wie vor eine legale Partei sei. „Das verschafft denen Zulauf.“ Im Heidenauer Stadtrat ist die NPD mit einem Sitz vertreten. „Was auf der Bundesebene nicht geschafft wird, dass kann auf der kommunalen Ebene nur sehr schwergemacht werden.“ Opitz räumte sein eigenes Scheitern gegenüber den Rechtsextremisten ein: „In gewisser Weise ist das eine Kapitulation.“
Kraft in Sorge über Obdachlosigkeit von Flüchtlingen
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat bekräftigt, dass in Nordrhein-Westfalen Flüchtlinge in jedem Fall ein Dach über dem Kopf bekommen sollen. „Obdachlosigkeit zu verhindern ist allererste Pflicht für uns“, sagte Kraft in einem Interview des Magazins RTL West, das am Donnerstagabend ausgestrahlt werden sollte. „Wir haben die Situation, dass in der Spitze 7000 neue Flüchtlinge pro Woche zu uns kommen. Wir wollen nicht, dass diese Menschen unter die Brücke müssen.“
Die Regierungschefin mahnte die Menschen in Nordrhein-Westfalen zudem zu Geduld. Sie gehe davon aus, dass die aktuelle Flüchtlingssituation länger andauern wird. „Das ist keine Geschichte, die morgen vorbei sein wird. Darauf müssen wir uns einstellen.“
Angesichts der rechtsextremen Übergriffe wie im sächsischen Heidenau rief Kraft zum Widerstand auf: „Auch wir in NRW haben Übergriffe, das können wir nicht schönreden. Aber wichtig ist, dass die Gesellschaft sich dagegen aufstellt.“ In Zuwandererland NRW passiere das aber „in unglaublicher Art und Weise“.
Maas nimmt Facebook in die Pflicht
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat das Online-Netzwerk Facebook aufgefordert, die Verbreitung von Hassbotschaften durch Nutzer zu stoppen. In einem Schreiben an die Europa- und die Deutschland-Zentrale lädt er Unternehmensvertreter zu einem Gespräch ein. Das Schreiben vom 26. August, über das zuerst der „Tagesspiegel“ berichtet hatte, liegt dpa vor. Bei dem für den 14. September vorgeschlagenen Termin solle es darum gehen, „die Effektivität und Transparenz ihrer Gemeinschaftsstandards zu verbessern“.
Maas schreibt, im Zusammenhang mit den fremdenfeindlichen Angriffen auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte hätten sein Ministerium zahlreiche Beschwerden von Bürgern über rassistische Hetze im Internet erreicht. „Insbesondere beklagen Facebook-Nutzer, dass Ihr Unternehmen trotz entsprechender konkreter Hinweise rassistische und fremdenfeindliche "Posts" und Kommentare nicht effektiv unterbinde.“
Würden solche Inhalte gemeldet, erhalte der Nutzer häufig lediglich die Rückmeldung, der Beitrag sei zwar geprüft worden, verstoße aber nicht gegen die von Facebook aufgestellten Gemeinschaftsstandards. Eine weitergehende Begründung, die Anhaltspunkte für eine fundierte Prüfung oder Abwägung liefern könnte, „wird nach den mir vorliegenden Informationen offenbar selbst in evidenten Fällen nicht gegeben“, kritisierte der Minister. Facebook sei aber gesetzlich verpflichtet, rechtswidrige Inhalte - etwa mit volksverhetzendem Charakter - unverzüglich nach Bekanntwerden zu löschen.
In Online-Netzwerken wie Facebook oder Twitter werden zum Teil offen rassistische Hetze und rechtsradikales Gedankengut verbreitet. Für einige Äußerungen sind zuletzt bereits Nutzer in Berlin und Bayern wegen Volksverhetzung zu hohen Geldstrafen verurteilt worden.
EU-Außenpolitiker warnt vor Völkerwanderung vom Balkan
Vor dem Start der Westbalkan-Konferenz am Donnerstag in Wien hat der EU-Außenpolitiker Elmar Brok (CDU) gefordert, alle Westbalkan-Länder schnell und EU-weit einheitlich zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. „Nur wenn wir Asylbewerber aus dem Balkan zügig wieder in ihre Heimat zurückschicken, haben wir genug Kapazitäten, um Flüchtlingen aus Kriegsgebieten zu helfen“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstagsausgabe).
Hierfür sei eine EU-weit geltende Regelung für sichere Herkunftsländer notwendig, betonte Brok. Zugleich mahnte er an, die Balkan-Länder müssten EU-Gelder zielgerichteter einsetzen, etwa zur Unterstützung von Roma-Minderheiten. Angesichts der hohen Zahl von Asylbewerbern aus dieser Region rief Brok zur Eile auf: „Uns steht eine Völkerwanderung bevor, wenn wir nicht schnell reagieren.“
Bei der Westbalkan-Konferenz in Wien wollten am Donnerstag die Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Serbien und Slowenien zusammentreffen. Dazu wurden Außen- und Wirtschaftsminister sowie die EU-Außenbeauftragte Frederica Mogherini erwartet. Neben der stärkeren Integration in die EU sollte es auch um die Flüchtlingskrise in Europa gehen.
Rekord-Flüchtlingszahl an ungarischer Grenze
An der ungarischen Grenze ist die Zahl der Flüchtlinge nach Angaben der Polizei auf einen neuen Höchststand geklettert. Allein am Mittwoch seien 3241 Flüchtlinge aufgegriffen worden, die über die grüne Grenze aus Serbien gekommen waren, teilte die Behörde am Donnerstag mit. Am Dienstag hatte diese Zahl noch bei 2533 gelegen. Am Wochenende war die Zahl der in Ungarn eingetroffenen Migranten kurzzeitig zurückgegangen. Mazedonien hatte davor seine Grenze zu Serbien für einige Tage gesperrt und dann wieder geöffnet.
Ungarn errichtet derzeit einen Zaun an seiner Grenze zu Serbien, der inzwischen weitgehend fertiggestellt ist. Er soll die Flüchtlinge davon abhalten, nach Ungarn zu kommen. Viele Flüchtlinge - die meisten von ihnen Syrer - nutzen neuerdings Bahngleise, die über die serbisch-ungarische Grenze führen und durch den Zaun nicht versperrt werden können.
Arbeitgeberverband fordert mehr Job-Chancen für Flüchtlinge
Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall fordert mehr Anstrengungen des Staates, um Flüchtlingen eine Perspektive auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu geben. "Asylsuchende sollten spätestens nach sechs Monaten Aufenthaltsgestattung in der Bundesrepublik arbeiten dürfen", sagte Präsident Rainer Dulger in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Geduldete Flüchtlinge sollten ab dem Tag ihrer Duldung sofort eine Arbeit aufnehmen dürfen. "Bei den Menschen aus Kriegsregionen handelt es sich oft um Eliten, die ihr Land verlassen mussten. Ihnen sollten wir eine Jobchance geben", sagte Dulger.
Wichtig sei zudem, dass alle Zuwanderer bleiben könnten, die in Deutschland eine Ausbildung absolviert hätten. Selbst wenn diese Personen nicht sofort eine Beschäftigung fänden, sollten sie für einen Zeitraum von neun bis zwölf Monaten eine Arbeitsstelle suchen dürfen. "Es kann nicht sein, dass wir junge Leute erst für teures Geld ausbilden und sie dann zurückschicken, obwohl hier Fachkräftemangel herrscht", fügte der Gesamtmetall-Chef hinzu.
Verhinderte Flüchtlingsunterkünfte in Hamburg:
Verhinderte Flüchtlingsunterkünfte in Hamburg
Fahndung nach den Brandstiftern von Nauen
Eine Sonderkommission mit 30 Beamten setzt heute die Fahndung nach den Brandstiftern von Nauen (Havelland) fort. Am Mittwoch hatte sich der Verdacht bestätigt, dass ein Feuer in einer geplanten Notunterkunft für Flüchtlinge vorsätzlich mit Brandbeschleunigern gelegt wurde. Die Sporthalle brannte am Dienstagmorgen völlig aus. Da die Täter im rechtsextremen Umfeld vermutet werden, wurde auch der Staatsschutz in die Ermittlungen einbezogen. In der Halle sollten 100 Asylbewerber bis zum Jahresende vorübergehend unterkommen.
Bislang gibt es noch keinen Tatverdacht gegen bestimmte Personen. Allerdings hatte die Polizei am Tatort noch weitere Beweismittel gefunden, die nun ausgewertet werden. Unter anderem sichten die Beamten auch Videomaterial von Überwachungskameras. Zum Stand der Ermittlungen wollten das Innenministerium und die Polizei allerdings aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst keine weiteren Informationen bekanntgeben.
Obama lobt Merkel in Flüchtlingskrise
US-Präsident Barack Obama hat die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingskrise gewürdigt. In einem Telefonat mit der Kanzlerin habe Obama insbesondere auf deren Entscheidung verwiesen, syrische Flüchtlinge aufzunehmen, teilte das Präsidialamt in der Nacht mit. Dadurch seien andere Länder entlastet worden.
Merkel hatte am Mittwoch die Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau besucht, wo es in den vergangenen Tagen zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen gekommen war. Am Donnerstag nimmt sie an einem Treffen von Vertretern der EU und Ländern des Westbalkan in Wien teil. Im Mittelpunkt der Gespräche dürfte die Flüchtlingskrise stehen.
Maas appelliert an schweigende Mehrheit
Nach den rechtsextremen Krawallen im sächsischen Heidenau und den Pöbeleien beim Besuch der Bundeskanzlerin im dortigen Flüchtlingsheim hat Justizminister Heiko Maas (SPD) die schweigende Mehrheit aufgerufen, sich zu engagieren. „Die Bundesregierung wird alles dafür tun, um die Sicherheit von Flüchtlingen in Deutschland zu gewährleisten. Wir alle sind aber auch als Bürger gefragt, die Straße nicht den Hetzern und den Rechtsextremen zu überlassen“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag). „Wir brauchen ein klares Signal aus der Gesellschaft: Deutschland ist ein weltoffenes, tolerantes Land.“
Maas will an diesem Donnerstagvormittag nach Heidenau fahren und mit Gymnasiasten über den Hass und die Krawalle diskutieren, bei denen in dem Ort bei Dresden am Wochenende mehr als 30 Polizisten verletzt worden waren. Vor Kanzlerin Angela Merkel war am Montag bereits der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel in Heidenau. Er will am Nachmittag erneut eine Flüchtlingsunterkunft besuchen: In der rheinland-pfälzischen Erstaufnahmeeinrichtung in Ingelheim will er mit Flüchtlingen und Helfern reden.
De Maizière besucht Flüchtlinge in Nürnberg
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wird am Donnerstag das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg besuchen. Mit dem Präsidenten Manfred Schmidt und weiteren Mitarbeitern will de Maizière über die Herausforderungen bei der Bewältigung der hohen Asylantragszahlen sprechen. In Deutschland werden in diesem Jahr bis zu 800.000 Flüchtlinge erwartet. Obwohl die Dauer der Asylverfahren von 7,1 auf 5,4 Monate verkürzt werden konnte, nimmt die Zahl der offenen Verfahren weiter zu. Derzeit liegt sie bei etwa 250 000.
Grüne für Extrastellung von Syrern
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt unterstützt den Vorschlag ihres Parteifreundes, des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, Syrer ganz aus dem Asylverfahren herauszunehmen. „Die Idee dahinter ist ja, dass man die Flüchtlinge aus Syrien schnell verteilt, weil man ja schon weiß, dass sie asylberechtigt sind. Dadurch kann man denVerfahrensstau bei den Asylanträgen auflösen“, sagte sie der Mediengruppe „Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung“ (Donnerstag).
Rechnungshof will Flüchtlingsgelder kontrollieren
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch beschlossen, in diesem Jahr weitere 500 Millionen für Länder und Kommunen zur Flüchtlingsversorgung bereitzustellen. Diese Verdopplung der Bundesmittel war bereits länger vereinbart.
Der Bundesrechnungshof kündigte an, die Verwendung der Gelder zu kontrollieren. „Das Geld muss dort ankommen, wo es benötigt wird: bei den hilfesuchenden Menschen in den Kommunen“, sagte Rechnungshof-Präsident Kay Scheller der „Welt“ (Donnerstag).
Am 24. September wollen Bund und Länder bei einem Spitzentreffen über weitere Hilfsmaßnahmen beraten. Merkel kündigte am Mittwoch dazu auch Gesetzesänderungen an. Das Innenministerium hat bereits eine Liste mit Änderungen vorgelegt, um die Zahl der Asylanträge zu reduzieren. Vorgesehen ist etwa eine längere maximale Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen, um schnelle Abschiebungen zu erleichtern.
Kirchen reagieren auf rechte Hetzer
Gegen Flüchtlingshetzer machen auch die beiden großen Kirchen Front. „Ich weiß nicht, wie ich mit solchen Leuten diskutieren soll“, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, dem Fernsehsender Phoenix. „Man muss die rechtsstaatlichen Mittel anwenden.“ Der stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der sächsische Bischof Jochen Bohl, fügte in der „Rheinischen Post“ (Donnerstag) hinzu: „Wir werden uns durch Brandstifter in unserem Engagement nicht einschüchtern oder entmutigen lassen.“