Der Altkanzler fragt sich: Warum gibt es keinen Aufstand der Frauen? Gerhard Schröder fürchtet eine neue Welle von Frührentnern – und Milliarden-Kosten.
Berlin/Hamburg. Mit seiner Agenda 2010 und später mit der Rente mit 67 hat er die Grundlagen gelegt: Die Frühverrentungswelle in Deutschland wurde gestoppt. Jetzt hat Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) die aktuellen Rentenpläne von Schwarz-Rot kritisiert. Schröder spricht in seinem neuen Buch von einem „absolut falschem Signal“
Die geplante Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren sei „ein absolut falsches Signal, gerade mit Blick auf unsere europäischen Partner, von denen wir ja zu Recht Strukturreformen einfordern“, zitiert die „Bild“-Zeitung aus einem neuen Buch Schröders mit dem Titel „Klare Worte“.
Schröder äußert in seinem Buch Verständnis dafür, „welchen gesellschaftlichen Gruppen man mit den Koalitionsbeschlüssen helfen will, das ändert aber nichts am zentralen Problem: Wie soll das finanziert werden?“. Ihn wundere, „dass sich die Frauen nicht zu Wort gemeldet haben, denn das Ergebnis ist eindeutig: Der männliche Facharbeiter, relativ gut verdienend, wird das nutzen können, Frauen eher weniger, weil die meistens gar nicht auf die 45 Beitragsjahre kommen“, zitiert die „Bild“-Zeitung weiter.
Schröder verweist demnach zudem auf ein „noch schwerwiegenderes“ Problem: „Die Entscheidungen kosten nicht nur einmal Milliarden, die Ausgaben kommen jedes Jahr wieder. Das führt in einigen Jahren unweigerlich zu der Frage: Müssen wir deswegen die Rentenbeiträge erhöhen?“, wird aus dem Buch des Altkanzlers zitiert.
„Und dann stehen wir wieder vor Entscheidungen wie zu Zeiten der Agenda 2010. Dann wird es wieder neue, schmerzhafte Rentenreformen geben müssen, damit die Rentenbeiträge für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezahlbar bleiben. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche“, schreibt Schröder.
Das Bundeskabinett berät an diesem Mittwoch über den Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zur Umsetzung der schwarz-roten Rentenpläne. Der Entwurf sieht die Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren sowie Verbesserungen für ältere Mütter und Erwerbsminderungsrentner vor. Gegen die Rente mit 63 gibt es Vorbehalte insbesondere von Arbeitgebern, aber auch von Teilen der Union.
Ein Kritikpunkt ist die Anrechnung von Zeiten des Arbeitslosengeld-Bezugs. Es wird befürchtet, dass Arbeitnehmer sich mit Unterstützung ihrer Firmen bereits mit 61 Jahren arbeitslos melden und dann nach zwei Jahren die Rente mit 63 beantragen. Die Koalition will dies jedoch verhindern.
SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach, bislang nicht als Rentenexperte aufgefallen, rechnet nicht damit, dass die Rente ab 63 für langjährig Versicherte zu einer großen Welle von Frühverrentungen führt. „Ich glaube, dass die Gefahr übertrieben wird“, sagte der Gesundheitsexperte der „Passauer Neuen Presse“. Er sprach sich dafür aus, erst dann einzugreifen, wenn tatsächlich Handlungsbedarf bestehe.
Der CDU-Sozialexperte Jens Spahn schlug vor, Arbeitnehmer mit Anreizen zu bewegen, länger zu arbeiten. „Wer die abschlagfreie Rente ab 63 Jahren nicht nimmt, könnte in den letzten Berufsjahren von Beiträgen zur Rentenversicherung oder zur Arbeitslosenversicherung befreit werden“, sagte er der „Rheinischen Post“.