Der blutige Bürgerkrieg wirft Syrien mittlerweile auch wirtschaftlich zu Boden. Damaskus schiebt die Schuld auf den Westen und seine Sanktionen.
Damaskus/Moskau. Nach fast 17 Monaten Krieg gegen das eigene Volk gerät der syrische Machthaber Baschar al-Assad auch wirtschaftlich in Bedrängnis. Wie russische Medien am Samstag berichteten, wurde das Regime in Damaskus in Moskau vorstellig, um den Verbündeten Russland um finanzielle Hilfe zu bitten. Die Schuld dafür gab Damaskus den USA und der EU wegen ihrer Sanktionen gegen das Land. Russland kritisierte die jüngste Verurteilung Syriens durch die UN-Vollversammlung, obwohl die Resolution vom Freitag auf Betreiben Moskaus und Pekings schon entschärft worden war. In der nordsyrischen Bürgerkriegsstadt Aleppo griffen die Aufständischen eine Fernsehstation an.
Den Berichten zufolge gehen dem Regime in Damaskus vor allem Erdölprodukte wie Diesel aus. Die Delegation um Vizeregierungschef Kadri Dschamil habe „eine gewisse Summe in harter Währung beantragt, um die komplizierte Lage in Syrien zu überbrücken“, hieß es. Dschamil wurde mit den Worten zitiert: „Russland hat die Aufgabe übernommen, Syrien in der aktuellen Lage wirtschaftlich zu unterstützen.“ Er erhoffe sich in den nächsten Wochen konkrete Schritte. Von russischer Seite lag zunächst keine Reaktion vor.
Die Strafmaßnahmen gegen sein Land seien illegal, sagte Dschamil den Informationen zufolge. Während Russland internationale Sanktionen des UN-Sicherheitsrats gegen seinen Waffenkunden Syrien seit Ausbruch der Aufstände beharrlich blockiert, versuchen die EU und die USA, Assad im Alleingang von Geld, Waffen und Gütern abzuschneiden.
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Beobachter verweisen auch auf die enormen volkswirtschaftlichen Kosten eines anhaltenden Bürgerkriegs, der ganze Landesteile wirtschaftlich lahmlegt, Teile der Bevölkerung am Arbeiten hindert und öffentliches wie privates Eigentum in beträchtlichem Maße zerstört.
Im umkämpften Aleppo wehrte das Militär die Attacke der Aufständischen gegen das Rundfunkgebäude mit Kampfflugzeugen ab, wie ein örtlicher Rebellenkommandeur sagte. Um die Vormacht in der nordsyrischen Millionenstadt kämpfen Regierungstruppen und Rebellen nun schon seit zwei Wochen. Einem Zeitungsbericht zufolge haben die Vereinten Nationen vorübergehend die Hälfte ihrer Beobachter aus Aleppo abgezogen. Der Zusammenbruch des Mobilfunknetzes zwinge die UN zu diesem Schritt, sagte eine Sprecherin.
Trotz des massiven Einsatzes von Panzern, Helikoptern, Artillerie und auch Kampfflugzeugen hat das Regime die strategisch wichtige Stadt nicht wieder unter ihre Gewalt bringen können. Die Aufständischen konzentrieren sich bei ihren Angriffen auf Sicherheitszentralen und Waffenlager, teilweise mit Erfolg.
Damaskus dagegen ist inzwischen wieder weitgehend unter Kontrolle des Militärs. In tagelangen heftigen Kämpfen eroberten Assads Truppen mit dem Stadtviertel Al-Tadamun die letzte Rebellenhochburg der syrischen Hauptstadt zurück. Nach Angaben eines lokalen Aktivisten sollen die Sicherheitskräfte bei Hausdurchsuchungen mehrere Menschen an Ort und Stelle erschossen haben. Von unabhängiger Seite lassen sich diese Informationen nicht überprüfen.
Unterdessen wurde bekannt, dass islamistische Extremisten einen prominenten Moderator des staatlichen syrischen Fernsehens entführt und ermordet haben. Wie die Syrischen Menschenrechtsbeobachter mitteilten, hat sich zu der Tat die Dschihadisten-Organisation Al-Nusra-Front bekannt.
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Das Rote Kreuz appellierte an Regierung und Rebellen, Zivilisten von Gewalt zu verschonen. „Wir rufen alle an den Kämpfen beteiligten Gruppen zur Beachtung der Pflichten auf, die sich für sie aus dem humanitären Völkerrecht ergeben“, erklärte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf und Damaskus. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich besorgt über Berichte, wonach libanesische Behörden syrische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückschickten, obwohl ihnen dort möglicherweise Folter drohe.
Auch die nicht bindende Resolution der UN-Vollversammlung prangert die eskalierende Gewalt in Syrien an. 133 der 193 Mitgliedsländer billigten den Entwurf. Der Ruf nach einen Rücktritt Assads musste auf Drängen Moskaus und Pekings allerdings wieder gestrichen werden.
Der französische UN-Botschafter Gérard Araud kündigte an darauf hinzuarbeiten, „Russland und China wenigstens bei den humanitären Fragen auf unsere Seite zu bekommen“. Bereits früher hatte Frankreich die Einrichtung eines „humanitären Korridors“ vorgeschlagen, über den Hilfe ins Land gebracht werden könnte. (dpa)