Ex-Finanzminister Peer Steinbrück fürchtet, dass die Banken aus der Finanzkrise nichts gelernt haben. Er gebe dort noch “enorme Selbstgefälligkeit“.
Hamburg. Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat die Großbanken mit Blick auf das Weltwirtschaftsforum in Davos davor gewarnt, aus der Finanzmarktkrise keine Konsequenzen zu ziehen. „Es gibt immer noch eine enorme Selbstgefälligkeit in den Führungsetagen international operierender Banken, die dringend bekämpft werden muss“, sagte Steinbrück dem „Hamburger Abendblatt“ (Donnerstag-Aausgabe).
„Ich sage voraus: Ein zweites Mal würde man im Deutschen Bundestag und in anderen Parlamenten Bankenrettungspakete in Milliardensummen nicht durchziehen können. Die Abgeordneten könnten das vor ihren Wählern nicht noch einmal rechtfertigen“, ergänzte der SPD-Bundestagsabgeordnete. Er registriere „mit Genugtuung, dass der amerikanische Präsident die Zügel anziehen will. Ob jeder seiner Vorschläge richtig ist, wird man im G7- und G20-Kreis zu debattieren haben.“
Führende Banker hatten in Davos Obamas Reformpläne kritisiert und vor nationalen Alleingängen bei der Regulierung von Finanzinstituten gewarnt. Steinbrück sieht die Amerikaner hingegen in einer notwendigen Vorreiterrolle: „Man wird weltweit ohne die Amerikaner keine stärkeren Regulierungen durchsetzen. Kontinentaleuropa hat lange zusehen müssen, wie die USA und England ihre Wettbewerbsvorteile mit Blick auf die Wallstreet und die City of London verteidigt haben.“
Steinbrück geht nicht davon aus, dass bei dem Treffen in Davos ein Ergebnis erzielt wird: „Die Veranstaltung ist fast schon eine Art Catwalk für Politiker und Manager. Es wird nicht mehr lange dauern, und dann erscheinen da auch Schauspieler!“ Steinbrück machte deshalb klar: „Selbst wenn ich noch Minister wäre, würde ich nicht nach Davos fahren.“
Frankreichs Präsident fordert Umbau des Finanzsystems
Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte am Mittwoch mit einer Forderung nach dem Umbau des Finanz- und Währungssystems das 40. Weltwirtschaftsforum in Davos eröffnet. Er stimme mit US-Präsident Barack Obama darin überein, dass etwa die Banken von unmäßigen Spekulationen oder dubiosen Finanzgeschäften abgebracht werden müssten, sagte Sarkozy.
„Diese Debatte kann aber nicht auf ein einzelnes Land begrenzt sein, wie groß auch immer sein Gewicht in der weltweiten Finanzwelt sei.“ Dieses Thema gehöre in die Gruppe der G20, in der Industrie- und Schwellenländer versammelt sind. Frankreich werde im kommenden Jahr den Vorsitz der G20 übernehmen und „ein neues Bretton Woods“ anregen, sagte Sarkozy weiter.
Das Weltwirtschaftsforum in Davos ist von vorsichtigem Optimismus geprägt: Nach der schlimmsten Wirtschaftskrise in mehr als sechs Jahrzehnten erwarten Spitzenmanager rund um den Globus eine Erholung der Konjunktur. Rund 2500 hochkarätige Teilnehmer diskutieren auch über die politischen Brennpunkte wie die Lage nach dem schweren Erdbeben auf Haiti.
Zwei Drittel von 1200 weltweit befragten Spitzenmanagern erwarten bessere Wirtschaftsaussichten in diesem Jahr, ein Drittel sogar höhere Gewinne. Die traditionell am Vorabend des Treffens von der Gesellschaft für Wirtschaftsprüfung PricewaterhouseCoopers (PwC) vorgelegte Umfrage in 54 Ländern zeigt, dass die Unternehmen wieder auf Aufschwung setzen. Dagegen dürften die zahlreich nach Davos gereisten Banker angesichts amerikanischer und europäischer Pläne zur Beschneidung ihrer Geschäfte mit Sorgen in die Zukunft schauen.
Finanzwelt kann durch die Politik gezwungen werden
Das Treffen steht unter dem Motto „Den Zustand der Welt verbessern: überdenken, umgestalten, erneuern“. Sarkozy wollte sich nach Angaben aus seinem Umfeld für straffe Reformen des Finanz- und Bankenwesens einsetzen. Wenn auch über die Hälfte der Gäste Wirtschaftskapitäne sind, so dürfte Sarkozy unter den 30 Staats- und Regierungschefs und über 60 Ministern in Davos besonders aufmerksame Zuhörer finden. Bei ersten Diskussionen im kleineren Kreisen wurde am Mittwoch bereits deutlich, dass die Finanzwelt wohl durch die Politik zu Veränderungen gezwungen werden kann.
Obwohl die jüngste Finanzkrise die schlimmste seit den 1930er Jahren war, dürfte es aber dennoch nicht zu einer international einheitlichen Regulierung für die Banken und Versicherungen kommen. „Es wird immer nationale Unterschiede geben“, sagte etwa BIZ- Generalmanager Jaime Caruana am Mittwoch in Davos. Bis jetzt habe das in den Ländern nicht schlecht funktioniert, wo die Regulierung strikt sei, sagte der Generalmanager der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).
Von den von PWC befragten Firmenchefs blicken 81 Prozent wieder optimistischer in die Zukunft, nur 16 Prozent gaben an, dass sie pessimistisch bleiben. Das ist ein deutlicher Unterschied zum vergangenen Jahr. Rund 90 Prozent glauben an ein Wirtschaftswachstum innerhalb der kommenden drei Jahre. Zwar will noch immer ein Viertel der Unternehmensführer Arbeitsplätze abbauen, doch fast 40 Prozent planen Aufstockungen. Unter den deutschen Unternehmensführern denken aber nur 27 Prozent der Befragten an die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Etwa 40 Prozent erwarten weiterhin einen Stellenabbau.
Politische Prominenz in Davos macht sich besonders aus den USA rar, wo nur Wirtschaftsberater Lawrence Summers zugesagt hat. Aus Deutschland werden von der Regierung Außenminister Guido Westerwelle (FDP), Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sowie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erwartet.