Deutsche-Bank-Chef will Selbstregulierung, um staatlichen Eingriffen zuvor zu kommen. Nach der Pleite bekamen Lehman-Banker noch Milliardenboni.
Hamburg. Das Feindbild beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos war schnell gefunden: Gierige Banker und Finanzmarktspekulanten haben die Weltwirtschaft mit hochriskanten, intransparenten Anlageprodukten und dem Kollaps ganzer Investmentbanken in eine schwere Krise gestürzt. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte den Ton bei seiner Eröffnungsrede am Mittwoch vorgegeben: "Der Beruf eines Bankiers ist es nicht, Spekulant zu sein! Es gibt unwürdiges Verhalten, das in keinem Land der Welt mehr geduldet wird, liebe Freunde, auch nicht im größten", sagte er mit Blick auf die USA.
Gestern ging das Forum, eine Art inoffizieller Weltwirtschaftsgipfel mit rund 2500 Teilnehmern, zu Ende. Die Hautverantwortlichen für die Finanzmarktkrise zu lokalisieren, erwies sich als vergleichsweise einfach. Doch welches sind die richtigen Rezepte, um einen ähnlichen Absturz der Finanzmärkte - und damit auch der produzierenden Wirtschaft - künftig zu verhindern oder doch zumindest weniger wahrscheinlich zu machen? Wie kann und soll eine Regulierung der Banken und Finanzmärkte aussehen, um exzessive Risiken einzudämmen, ohne zugleich den Geldstrom und damit die Wirtschaft abzuwürgen?
US-Präsident Barack Obama hatte erst kurz vor dem Weltwirtschaftsforum angekündigt, die Geldwirtschaft in den USA reformieren zu wollen. Das klassische Bankgeschäft und das am Kapitalmarkt orientierte Geschäft der Investmentbanken sollten wieder getrennt, der Eigenhandel der Banken mit riskanten Anlageformen beschränkt werden.
Grundsätzlich stieß das in Davos auf viel Zustimmung, doch der Weg zu einer besseren Regulierung wurde heftig debattiert. Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, setzte sich vehement für eine stärkere Selbstregulierung seiner Branche ein. "Wir müssen selbst aktiv die nötigen Schritte zu einer Mäßigung einleiten. Sonst darf sich niemand über staatliche Eingriffe wundern", sagte Ackermann am Wochenende. "Alle in unserer Branche müssen einsehen, dass die Gesellschaft gewisse Übertreibungen nicht mehr akzeptiert." Er plädierte zugleich dafür, bei einer weiteren Regulierung der Finanzmärkte beide Ziele im Auge zu behalten, die Stabilität der Märkte und die Handlungsfähigkeit der Banken. Ackermann warb in Davos noch einmal für die Einrichtung eines europäischen Fonds - finanziert vor allem von den Banken - um angeschlagene Geldinstitute aufzufangen oder abzuwickeln.
Commerzbank-Chef Martin Blessing begrüßte die Pläne von US-Präsident Barack Obama und forderte in Abgrenzung zu Ackermann schärfere Regulierungen für die Finanzbranche: "Wir werden noch weitere Regulierungsmaßnahmen brauchen. Ich kann in einem völlig unregulierten Bankensektor keinen Nutzen sehen", sagte er. Die Commerzbank selbst war mit mehr als 18 Milliarden Euro vom Bund gerettet worden und gehört diesem nun zu rund einem Viertel.
Wie schwierig es ist, die Grauzone der hochspekulativen Finanzwirtschaft zu lichten, zeigt die Aufarbeitung der Welt-Finanzkrise, die wohl noch Jahre dauern wird. Der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 hatte die Krise weltweit angefacht wie ein Brandbeschleuniger, weil die meisten Finanzinstitute sich anschießend gegenseitig kaum mehr Geld liehen. Die Staatengemeinschaft musste Billionensummen an Konjunkturprogrammen und Finanzhilfen in Geldinstitute und Unternehmen pumpen, um einen Totalabsturz der Weltwirtschaft zu verhindern. Millionen Menschen verloren trotzdem ihre Jobs.
Rund 2500 Investmentbanker von Lehman Brothers aber waren schon Monate nach dem Desaster wieder obenauf, berichtet der "Spiegel": Die japanische Investmentbank Nomura hatte die europäischen und asiatischen Geschäftsaktivitäten der insolventen Lehman-Bank mit insgesamt 8000 Mitarbeitern übernommen - und zahlte 2500 von ihnen Boni aus, die schon 2007 vereinbart worden waren und die teils noch bis in dieses Jahr hineinreichen. Laut "Spiegel" werden bei dieser Aktion zwei Milliarden Dollar ausgeschüttet.
Über die Lage an den Finanzmärkten hinaus beschäftigten sich deutsche Politiker in Davos auch mit Innenpolitik: Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sei verärgert, dass sein Amtsvorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der heutige Bundesverteidigungsminister, 20 Spitzenmanager der deutschen Wirtschaft zu einem Frühstück empfangen habe, berichtete "Bild am Sonntag". "Das geht nicht. Es gibt eine klare Kabinettszuständigkeit", wird Brüderle zitiert. Er lade ja auch keine Generäle zum Essen ein.