Ein “Weiter so“ beim Verfassungsschutz kann nicht geben. Darüber besteht im Bundestag Konsens. Doch wie weit sollen die Refomen gehen?
Berlin. Die geplante Reform des Verfassungsschutzes wird zu einer neuen Belastungsprobe für die schwarz-gelbe Koalition. Zwischen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger brach am Wochenende ein Streit über eine Verkleinerung des angeschlagenen Inlandsgeheimdienstes aus. Geklärt ist nach einem Medienbericht, wer das Bundesamt für Verfassungsschutz künftig leiten soll: Neuer Präsident wird laut "Bild“-Zeitung der Ministerialdirigent im Bundesinnenministerium, Hans-Georg Maaßen, wenn der jetzige Chef Heinz Fromm zum 31. Juli seinen Posten räumt. Zudem solle an die Spitze des Bundeskriminalamts der Leiter des Leitungsstabes im Bundesverteidigungsministerium, Helmut Teichmann, aufrücken. Amtschef Jörg Ziercke geht am Jahresende in den Ruhestand.
FDP-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will Verfassungsschutzämter zusammenlegen und ihr Aufgabenspektrum einschränken. Ihr CSU-Kollege Friedrich lehnt eine solche Schrumpfkur ab. Die Herausforderungen nähmen eher zu, der Verfassungsschutz müsse daher effizienter statt kleiner werden, sagte der für den Verfassungsschutz zuständige Innenminister im Deutschlandradio Kultur. "Das ist der eigentliche Auftrag, es geht nicht um Quantität.“
+++Sachsens Verfassungsschutz dementiert Aktenvernichtung+++
Über eine Geheimdienst-Reform wurde bereits vor den Ermittlungspannen im Zusammenhang mit den Neonazi-Morden diskutiert. Nun hat die Debatte aber deutlich an Fahrt gewonnen. Derzeit gibt es ein Bundesamt und 16 Landesämter für Verfassungsschutz. "Die Zahl der Behörden muss deutlich reduziert werden“, forderte Leutheusser-Schnarrenberger im "Tagesspiegel“. Außerdem müsse sich der Geheimdienst auf die wenigen Aufgaben konzentrieren, bei denen wirklich eine Gefahr für die Grundordnung drohe. "Behördenstruktur und Aufgabenverteilung der Verfassungsschutzämter müssen bis in jeden Blickwinkel ausgeleuchtet werden.“ Gleichzeitig sei zu vermeiden, dass die Polizei schleichend die Aufgaben des Verfassungsschutzes übernehme. "Das Trennungsgebot ist für die FDP unverzichtbar.“
Die SPD-Innenminister wollen durch mehr Transparenz und bessere parlamentarische Kontrolle das geschwundene Vertrauen der Bevölkerung in den Verfassungsschutz zurückgewinnen. Notwendig sei ein breiter politischer Dialog, um tragfähige Konzepte zu entwickeln, sagte der Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger. Er hat zusammen mit den anderen SPD-Ministern ein Positionspapier erarbeitet, in dem unter anderem eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sowie eine zentrale Bündelung von Informationen gefordert wird.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast forderte, einen großen Teil des Personals bei den Verfassungsschutzämtern von Bund und Ländern auszutauschen. "Dieser Fisch stinkt nicht nur vom Kopf her“, sagte sie der „Saarbrücker Zeitung“ (Sonnabend). "In jedem "Tatort“ am Sonntagabend wird kreativer und umfassender nachgedacht, wer der Täter sein könnte.“ Es gebe unter den Mitarbeitern "Illoyalität gegenüber ihren Vorgesetzten und dem Staat“. Es würden aber Menschen benötigt, "die nicht die Geheimhaltung, sondern ein demokratisches Verständnis pflegen“.
Der Zentralrat der Juden verlangte angesichts der Ermittlungspannen ebenfalls Reformen beim Verfassungsschutz. "Das sind vertrauenszerstörende Verhältnisse“, sagte sein Präsident Dieter Graumann der "Rheinischen Post“ (Sonnabend) über die bekanntgewordene Aktenvernichtung. Der Umgang mit Akten nach dem Motto "Gesucht - gefunden – geschreddert“ sei ein "Stück aus dem Tollhaus“.