Joachim Gauck sieht die Chefs der Verfassungsschutzämter und auch die Politik in der Verantwortung. Er rät zu offener Kommunikation.
Eisenach. Die Affäre um die Neonazi-Terrorzelle hat nach Ansicht von Bundespräsident Joachim Gauck das Vertrauen der Bürger in die Verfassungsschutzämter beschädigt. „Die Bürger wollen wissen, was wirklich gewesen ist“, sagte Gauck am Freitag in Eisenach. Die Arbeit der Sicherheitsbehörden bei der Verfolgung des aus Jena stammenden Neonazis-Terrortrios NSU war ein Thema beim Treffen des Staatsoberhaupts mit der Thüringer Landesregierung auf der Wartburg. Thüringen war nach Baden-Württemberg das zweite Bundesland, dem der Bundespräsident seit seiner Wahl im März einen offiziellen Antrittsbesuch abstattete.
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Gauck sieht die Chefs der Verfassungsschutzämter, aber auch die Politik in der Verantwortung, „damit die Bürger wieder Vertrauen schöpfen können“. Vertrauen könne wachsen, wenn persönliche Konsequenzen bei Fehlleistungen gezogen würden „und wenn Offenheit herrscht“. Eine bessere Kommunikation könne auch helfen, um Verschwörungstheorien zu begegnen, sagte Gauck nach dem Gespräch mit Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU), dem Kabinett sowie Vertretern des Landtags und der Fraktionen.
Es habe Einigkeit bestanden, „dass in den Ämtern genau hingeschaut werden muss“. Vielleicht sei auch ein „Großreinemachen“ nötig, sagte Gauck am Abend bei einem Bürgerempfang in Bad Salzungen.
Ihn habe bei den Gesprächen mit Regierung und Parlament interessiert, was getan werde, damit die Verfassungsschutzämter effektiver arbeiten, sagte Gauck. Zudem sei es um die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Landesämtern für Verfassungsschutz sowie den Landesämtern und dem Bundesamt gegangen. In dieser Woche hatte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, seinen Rücktritt zum 31. Juli erklärt, nachdem er von der Vernichtung von Akten zur Neonazi-Szene in seiner Behörde erfahren hatte. Thüringens Verfassungsschutzchef war in den vorläufigen Ruhestand geschickt worden, weil der Landtag das Vertrauen in ihn verloren hatte.
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Die rechtsextreme Zwickauer Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) wird für zehn Morde und zahlreiche Banküberfälle verantwortlich gemacht. Anfang 1998 war das Neonazi-Trio in Jena untergetaucht und lebte danach unentdeckt in Sachsen, zuletzt in Zwickau.
Lieberknecht hatte das Staatsoberhaupt auf die Wartburg eingeladen - ein Symbol deutscher Einigung und ein Ort der Reformation, wo Martin Luther die Bibel übersetzte. Gauck mischte sich im Burghof unter junge Leute eines Judoclubs aus Landau in der Pfalz und ließ sich entgegen des Protokolls fotografieren. Für ihn sei der Besuch der Wartburg ein Wiederkommen gewesen, sagte der Bundespräsident und zitierte aus Richard Wagners „Tannhäuser“: „Dich, teure Halle, grüß ich wieder.“
Gauck berichtete, dass er im Festsaal der Wartburg vor Jahren eine Laudatio auf seinen Amtsvorgänger Roman Herzog gehalten habe. Gauck hatte im Jahr 2000 den Wartburgpreis für Verdienste um die deutsche und europäische Einigung erhalten, ein Jahr später ging die Auszeichnung an den damaligen Bundespräsidenten Herzog. Als Geschenk der Landesregierung erhielt er eine Radierung des Weimarer Künstlers Otto Paetz mit einer Ansicht der Wartburg.
Weitere Besuchsstationen waren der mittelständische Automobilzulieferer Mitec AG bei Eisenach und ein Berufsbildungszentrum in Bad Salzungen. Ihm imponiere die Mentalität der Menschen in Thüringen, die sich engagieren und etwas unternehmen, sagte der Bundespräsident. „Ich mag dieses Land.“ (dpa)