Bundesjustizministerin stellt Ländern ein neues Konzept für die Reform der Sicherungsverwahrung vor. Es soll mehr Therapien beinhalten.
Magdeburg. Die Sicherungsverwahrung für gefährliche Straftäter soll stärker auf Resozialisierung und Therapie ausgerichtet und offener gestaltet werden. Das sieht ein Konzept von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vor, das sie gestern ihren Länderkollegen in Magdeburg vorstellte. Die Vorsitzende der Justizministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Ressortchefin Angela Kolb (SPD), erklärte, die Länderminister stimmten mit dem Konzept weitgehend überein.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht Anfang Mai die Regeln zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt hatte, muss bis Mitte 2013 eine Reform verabschiedet werden. Die Richter forderten unter anderem eine deutlichere Unterscheidung zwischen einer Haftstrafe und der Sicherungsverwahrung. Während erste als Strafe dient, soll die zweite vor allem mittels Therapie den Verwahrten resozialisieren.
Dem Konzept des Bundesjustizministeriums zufolge sollen daher die Menschen, die in Sicherungsverwahrung untergebracht sind, eine "intensive, insbesondere sozialtherapeutische, und erforderlichenfalls eine individuell zugeschnittene Behandlung" bekommen. Außerdem sollen "Möglichkeiten zur Vollzugslockerung" geschaffen werden, sofern sie nicht "das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit konkret beeinträchtigen". Die Unterbringung soll so weit wie möglich "den allgemeinen Lebensverhältnissen" angepasst werden. Bietet die Haftanstalt trotz gerichtlicher Anordnung keine entsprechende Betreuung, soll das Gericht die Sicherungsverwahrung ganz aufheben können.
Strittig bleibt das Instrument der nachträglichen Sicherungsverwahrung, bei dem erst nach dem Urteilsspruch darüber entschieden wird, ob der Täter auch nach der Verbüßung seiner Freiheitsstrafe eingesperrt bleibt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und die Karlsruher Verfassungsrichter hatten diese Praxis gerügt.
In ihrem Konzept, das dem Abendblatt vorliegt, spricht sich Leutheusser-Schnarrenberger ebenfalls ausdrücklich gegen die nachträgliche Sicherungsverwahrung aus. Die Maßnahme sei nicht nur als verfassungswidrig verworfen worden, sondern habe sich als "nicht praxistauglich und in ihrer Wirkung begrenzt erwiesen". In sieben Jahren sei sie weniger als 20-mal angeordnet worden. Stattdessen setzt die Bundesjustizministerin darauf, die primäre und die vorbehaltene Sicherungsverwahrung auszuweiten, bei der die Richter die Verwahrung bereits in ihrem Urteil aussprechen oder sich die Möglichkeit dazu noch vorbehalten. Anders als früher können die Richter nun auch für Ersttäter die Sicherungsverwahrung anordnen, zudem wird die bisherige Rückfallfrist, nach der Sicherungsverwahrung ausgesprochen werden kann, von fünf auf 15 Jahre ausgedehnt.
Die Hamburger Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) zeigte sich zufrieden, dass es nun nicht wie befürchtet zu plötzlichen Entlassungen von gefährlichen Straftätern kommt. Dennoch kritisierte Schiedek die vorgelegten Vorschläge als "weiterhin lückenhaft". "Vor allem wurden nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die Bevölkerung wirkungsvoll vor gefährlichen Straftätern mit psychischen Störungen zu schützen", sagte die Senatorin.
Nach Ansicht der Hamburger Justizbehörde fehlen Regelungen, die die Unterbringung von Straftätern ermöglichen, bei denen sich erst nach einer Verurteilung herausstellt, dass sie aufgrund einer psychischen Störung hochgradig gefährlich sind. Dabei hätten die Länder Vorschläge unterbreitet, wie diese Sicherheitslücke geschlossen werden könne.
Leutheusser-Schnarrenberger beruft sich dagegen auf Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die man eins zu eins umsetzen müsse. Demnach dürften die bislang nachträglich Sicherungsverwahrten - sogenannte Altfälle - nur dann weiterhin eingesperrt bleiben, wenn sie psychisch gestört seien und aufgrund dieser Störung ein neues Gewalt- oder Sexualverbrechen drohe.