25 Minuten für ein privates Treffen während des Deutschland-Besuchs. Joseph Ratzinger war bereits im Bundestag: „So ein Kardinal aus Rom.“
Freiburg/Berlin. Papst Benedikt XVI. wird bei seiner Deutschland-Reise in der kommenden Woche das Lebenswerk von Altkanzler Helmut Kohl (CDU) würdigen. Der Papst sehe den 81 Jahre alten Kohl als „Kanzler der Einheit“ und wolle dies beim Besuch in seinem Heimatland deutlich machen. Das sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, in Freiburg der Nachrichtenagentur dpa. Das auf 25 Minuten terminierte Treffen des Papstes mit Kohl am 24. September in Freiburg – genau so viel Zeit räumt Benedikt offensichtlich für Bundeskanzlerin Angela Merkel ein – komme auf Bitte des Altkanzlers zustande. „Es war der Wunsch von Helmut Kohl, den Papst zu sehen und zu sprechen, nachdem er Benedikt XVI. als Papst noch nicht begegnet ist.“
Zollitsch sagte: „Es ist eine schöne Geste des Heiligen Vaters, Helmut Kohl zu würdigen. Der Papst weiß: Die Leistung des Altkanzlers für die Deutsche Einheit und für Europa ist gewaltig. Diese Leistung kann niemand bestreiten.“ Da der gesundheitlich angeschlagene Kohl im Rollstuhl sitzt, werde das Treffen in Freiburg organisiert und nicht in Berlin. Freiburg sei mit dem Auto vom Wohnsitz des Altkanzlers, Ludwigshafen-Oggersheim, am einfachsten zu erreichen. Zollitsch sagte weiter, den Papst verbänden mit Kohl eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und viele Begegnungen in der Zeit, als Joseph Ratzinger noch nicht Pontifex Maximus war. Bitten anderer Altkanzler, den Papst zu treffen, habe es nicht gegeben.
Benedikt wird am 22. September nicht zum ersten Mal den Bundestag betreten. Als Präfekt der Glaubenskongregation war der damalige Kurienkardinal Joseph Ratzinger bereits Ende November 2000 zu einer privaten Führung durch Staatssekretär Hans-Joachim Stelzl im Reichstagsgebäude. Ein Pförtner kündigte Stelzl den Besucher seinerzeit noch mit den Worten an: „Da ist so ein Kardinal aus Rom...“ Nun aber wird der ehemalige Kardinal aus Rom ganz offiziell auf Einladung von Bundestagspräsident Norbert Lammert eine Rede im Plenum halten.
Seit Bekanntwerden erhitzt die Parlamentsrede des Oberhaupts der größten Religionsgemeinschaft der Welt, der zugleich auch eigenes Völkerrechtssubjekt und zusätzlich noch Oberhaupt des Vatikanstaates ist, die Gemüter. Noch bevor ein Wort gefallen ist, fürchten vor allem Laizisten bei SPD, Grünen und Linkspartei um die politische Neutralität des Parlaments. Ein Einwand, den nicht nur Lammert „nicht nachvollziehen“ kann. Denn die große parteiübergreifende Mehrheit der Parlamentarier begrüßt den Besuch durchaus erwartungsvoll.
Geht alles nach Plan und bisherigen Gepflogenheiten bei Staatsbesuchen, dann dürfte Papst Benedikt XVI. um 16.15 Uhr am Osteingang des Parlaments vorfahren und dort von den Vertretern der Verfassungsorgane empfangen und den Fraktionsvorsitzenden begrüßt werden. Anschließend begibt er sich in den Plenarsaal, wo der Bundestagspräsident gegen 16.30 Uhr die offizielle Begrüßungsrede hält. Dann erhält der Papst das Wort.
Gegen 17.15 Uhr ist eine Begegnung mit Vertretern des Judentums in einem Raum des Parlamentsgebäude vorgesehen. Anschließend wird der Papst zum Olympiastadion im Westen Berlins aufbrechen. Für die rund 350 Abgeordneten, die am Pontifikalamt in der Sportarena teilnehmen möchten, wird ein Buskonvoi bereitstehen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch. Wie die Berliner den Papst auf den Straßen zwischen Reichstag und Stadion zu sehen bekommen, lässt sich noch nicht abschätzen.
Lammert hatte das Kirchenoberhaupt bereits 2006 eingeladen, um zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Bundestag zu sprechen. Nicht zuletzt deshalb erwarten Beobachter auch jetzt eine politische Ansprache des Papstes über die geistigen Grundlagen Europas.
Einen Präzedenzfall für den Boykott einer Papstrede vor einem Parlament gab es 2002 in Rom. Damals äußerte sich Papst Johannes Paul II. vor beiden Kammern des italienischen Parlaments. Einige radikal-laizistischen Abgeordnete blieben der Ansprache fern. In Berlin warnen die Laizisten in der SPD um den sächsischen Abgeordneten Rolf Schwanitz vor einer „Verkirchlichung der Politik“. Ähnlich sehen es viele bei der Linken. „Der Papst hat im Parlament nichts zu suchen“, wettert die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke. Mehr als die Hälfte der 76 Mitglieder der Linksfraktion wollen die Rede boykottieren. Bei den Grünen wollen einige Volksvertreter den Saal verlassen, wenn der 84-Jährige das Wort ergreift.
Eine Anwesenheitspflicht für Abgeordnete im Plenarsaal gibt es auch für diese Rede nicht. Für den einladenden Parlamentspräsidenten Lammert geht es aber auch um eine Frage des politischen Stils. Er erinnerte an Respekt und Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Im Deutschen Bundestag wird der Papst nicht im Rahmen einer förmlichen Plenarsitzung sondern in einer Sonderveranstaltung vor den Mitgliedern des Bundestags sprechen.
Bislang äußerten sich vor allem ausländische Gäste und Redner zu Feierakten oder Gedenktagen. So lässt der Bundestag seit Mitte der 1990er-Jahre am 27. Januar zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus vor allem jüdische Gastredner zu Wort kommen, darunter die Holocaust-Überlebenden Imre Kertesz und JorgéSemprun. Ferner sprachen bereits US-Präsident George W. Bush, Uno-Generalsekretär Kofi Annan sowie Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela im Bundestag. (dpa/KNA/abendblatt.de)