Benedikt XVI. freut sich auf die Deutschland-Reise. Doch in dieser Woche warten nicht nur angenehme Begegnungen auf den Papst.
Hamburg. Benedikt XVI. sitzt in einem mächtigen Stuhl, golden verziert mit hoher Lehne, sein Rücken ist leicht gekrümmt. Mit weicher, kratziger Stimme spricht der Papst sein "Wort zum Sonntag" in die Fernsehkamera. Sein Besuch in Deutschland, sagt er, sei kein religiöser Tourismus und erst recht keine Show. Es gehe darum, "dass Gott wieder in unser Blickfeld tritt". Benedikt freue sich auf die vielen Begegnungen, in Berlin, Freiburg, Erfurt und im Marienwallfahrtsort Etzelsbach. Doch es werden nicht nur angenehme Begegnungen sein, die der Papst in dieser Woche vor sich hat.
Sechs Jahre nach seiner Wahl zum Papst sind viele Gläubige enttäuscht, die Begeisterung über den Besuch in Deutschland hält sich in Grenzen. Nach einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung gehen 53 Prozent der Deutschen davon aus, dass der Aufenthalt des Oberhauptes der katholischen Kirche keine entscheidenden Impulse bringen wird. Längst kämpft die katholische Kirche in Deutschland um ihre Akzeptanz: Laut Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz ist die Zahl der Katholiken seit 1990 um knapp 13 Prozent zurückgegangen, die der Teilnehmer an den Gottesdiensten sogar um 42.
Die katholische Kirche schrumpft, und die Zahl der Kritiker von Joseph Ratzinger nimmt zu. Vielen von ihnen gilt er als "Panzergeneral", der sich gegen jede liberale Öffnung der Kirche stemmte. Der Priesterzölibat, das Verbot der Frauenordination, die katholische Sexuallehre mit der Ächtung gleichgeschlechtlicher Beziehungen und der Widerstand gegen pluralistische Ansätze in der Kirche kennzeichnen seine Amtsführung nach wie vor.
Gegner planen in Berlin eine Großdemonstration gegen die Visite des Papstes. Etwa 15 000 Teilnehmer werden erwartet, ein Bündnis aus 70 Protestgruppen. In Freiburg hängen bereits Banner mit der Aufschrift "Mit Benedikt zurück ins Mittelalter". Ehemalige Heimkinder empören sich über die 30 Millionen Euro, mit denen die katholische Kirche den Papstbesuch finanziert - während die Opfer sexueller Gewalt bisher mit kaum mehr als zwei Millionen Euro entschädigt werden. Laut "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" plant der Papst bei seinem Besuch auch ein Treffen mit Opfern sexueller Gewalt.
Der Deutsche Joseph Ratzinger folgte dem Polen Karol Woityla, einem erzkonservativen, aber charismatischen Mann, der den hochintellektuellen Bayern unbedingt an seiner Seite haben wollte - und der ihn zum Präfekten der Glaubenskongregation im Vatikan ernannte. Ratzinger spricht neben Deutsch noch Französisch, Englisch, Spanisch sowie Latein und liest Hebräisch und Altgriechisch.
Selbst viele Kritiker seines konservativen Kurses zeigen sich vom sanften Charme dieses Mannes beeindruckt. Auf der Forbes-Liste der mächtigsten Männer der Welt rangierte er 2010 an fünfter Stelle. Und doch: Die Stimme des Vatikans hört man selten zu weltlichen Themen wie Klimawandel, die Machenschaften einiger Banker und die Beschleunigung des Lebens durch die digitale Kommunikation.
Papst Benedikt ist nicht nur Oberhaupt der Katholiken, er ist auch Staatsoberhaupt des Vatikanstaats. Am Donnerstag soll er eine Rede im Bundestag halten. Bis zu 100 Abgeordnete von Grünen, Linkspartei und SPD wollen seinen Auftritt boykottieren. Er sei mit der religiösen Neutralität des Staates nicht vereinbar. Der Ton in der Debatte wird in den Tagen vor der Rede immer schärfer. Von beschämender "Ignoranz und Feindseligkeit" sowie einem "schiefen parlamentarischen Selbstverständnis" sprach der Dresdner Bischof Jochim Reinelt anlässlich des geplanten Parlamentarier-Boykotts. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, selber Katholikin, sagte etwas gelassener: "Genau wie wir Stargästen wie George W. Bush oder Wladimir Putin im Bundestag zugehört haben, sollten wir auch dem Papst den Respekt zollen und ihm zuhören." Auch der Grünen-Politiker Volker Beck will "den Papst mit dem gebührenden Respekt behandeln und seiner Rede zuhören". Halina Wawzyniak von den Linken sagte, es gehöre zu ihrer Aufgabe als Parlamentarierin, einen Gast des Bundestags anzuhören: "Ich bin Atheistin. Für mich ist es ein alter Mann mehr, der redet", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Bundeskanzlerin Angela Merkel widmete ihre wöchentliche Internet-Botschaft dem Besuch. Sie erklärte, für sie stehe der Aspekt der Ökumene "ganz besonders im Mittelpunkt". Benedikt XVI. komme in das Land der Reformation. "Und wir bereiten uns gerade in der Dekade bis 2017 auf 500 Jahre Reformation in Deutschland vor".
Wie sein Vorgänger bemüht sich Benedikt XVI. zwar um ein entspanntes Verhältnis zu anderen Glaubensgemeinschaften und Religionen. Doch immer wieder steht ihm dabei seine grundkonservative Position im Weg. So wie beim "Papstzitat von Regensburg", als der Pontifex am 12. September 2006 mit seiner weichen, hohen Stimme eine Bombe platzen ließ. Benedikt XVI. zitierte den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden - wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten."
Von größerer Bedeutung für den Papstbesuch in seiner Heimat ist jedoch das Vatikan-Dokument "Dominus Iesus", das unter Federführung des Präfekten Ratzinger im September 2000 veröffentlicht worden war. 2007 hatte der Vatikan die Gültigkeit dieser Erklärung noch einmal bekräftigt. Darin wird der Anspruch auf die Einzigartigkeit der römisch-katholischen Kirche betont: "Dies ist die einzige Kirche Christi." Während den Orthodoxen der Status einer "echten Teilkirche" zugebilligt wird, bildeten die Protestanten keine "Kirchen im eigentlichen Sinne", sondern nur "kirchliche Gemeinschaften". Die Erklärung ist eine enorme Belastung für die Ökumene.
Papst Benedikt XVI. nennt in seinem "Wort am Sonntag" das Treffen mit Vertretern der Evangelischen Kirche Deutschlands einen Höhepunkt seiner Reise. "Wir erwarten keine Sensationen. Das eigentlich Große daran ist eben dies, dass wir miteinander an diesem Ort denken, das Wort Gottes hören und beten, und so inwendig beieinander sind und sich wahrhaft Ökumene ereignet", sagt er mit leiser Stimme zu den 2,36 Millionen Zuschauern vor dem Fernseher.