Eine Testwahl in Iowa gibt erste Hinweise auf die Stimmung bei den Republikanern. Bachmann gewinnt, Perry kandidiert, Palin zögert.
Hamburg. In ländlichen Gegenden mag es sich zutragen, dass jemand ein paar Halme Stroh in die Luft wirft, um zu sehen, woher der Wind weht. So ist wohl der Name "Straw Poll" - Stroh-Votum - für innerparteiliche Kandidatenabstimmungen in den USA zustande gekommen. Von besonderem Interesse ist vor jeder Präsidentenwahl die Straw Poll in Ames im Mais-Staat Iowa.
Das Städtchen im Mittelwesten war am Wochenende Schauplatz einer bemerkenswerten Kampfabstimmung. Die Republikanische Partei, in erbitterter Opposition zum demokratischen Präsidenten Barack Obama politisch auf Sturm gebürstet, wollte sozusagen wissen, woher der Wind weht.
Das Straw Poll von Ames hat zwar keine bindende Wirkung. Kaum ein Kandidat, der hier gewann, wurde je Präsident. Aber schon gar keiner, der hier verlor. Und deswegen blickte ganz Amerika nach Ames.
Der Sieg der erzkonservativen Kongressabgeordneten Michele Bachmann gab einen ersten Hinweis darauf, wie die Grand Old Party (GOP) derzeit tickt. Bachmann, die den Staat Minnesota im Repräsentantenhaus vertritt, ist Führerin der innerparteilichen Fraktion "Tea Party Caucus". In der Tea Party haben sich all jene zusammengefunden, denen die Mainstream-Republikaner viel zu links sind. Und denen Obama eine Art kommunistischer Antichrist ist.
Es war die Tea Party, die Obama im Haushaltsstreit zu einem für Amerika nicht sehr hilfreichen Kompromiss zwang. Die 55-jährige tiefreligiöse Bachmann ist gegen eine staatlich abgesicherte Krankenversicherung, will in der Schule die biblische Schöpfungsgeschichte gleichrangig neben der Evolutionstheorie gelehrt sehen, hält den Klimawandel für Humbug und Kohlendioxid für ein nützliches Biogas.
Die frühere Demokratin Bachmann ist ähnlich attraktiv, erzkonservativ und religiös wie Sarah Palin, die berühmt-berüchtigte Ikone der republikanischen Rechten, und wird ihr allmählich gefährlich. Zudem hat Bachmann es bislang vermieden, allzu peinliche Fehler zu begehen, wie Palin es in ihrer Zeit als Vizepräsidentschaftskandidatin 2008 laufend tat. Unvergessen ist, wie Palin, damals Gouverneurin von Alaska, betonte, sie verfüge über außenpolitische Erfahrung - schließlich könne sie an klaren Tagen bis nach Russland hinübersehen. Palin punktet mit Patriotismus und Bodenständigkeit in vor allem ländlichen Regionen; doch selbst für viele Konservative ist sie wegen ihrer extremen Positionen und ihrer bedenklichen Wissenslücken nicht wählbar. Obama würde sie in Fernsehdiskussionen auseinandernehmen wie einen Truthahn zu Thanksgiving. Palin will erst im September erklären, ob sie kandidieren wird. Offenbar will sie erst spät das Feuer auf sich ziehen. Es ist eine riskante Taktik, denn andere positionieren sich längst. Wie Bachmann, die erklärte, Ames sei der "erste Schritt hin zum Einzug ins Weiße Haus". Sie hat allerdings mit ihrer Neigung zu schwerer Migräne, die sie manchmal tagelang aufs Lager werfen soll, ein erhebliches Manko.
Bachmann hatte mit 4823 von rund 17 000 Stimmen vor dem intellektuellen Arzt Ron Paul gesiegt. Doch der Abgeordnete aus Texas wäre beim Amtsantritt als Präsident bereits 77 Jahre alt. Es ist fraglich, ob er tatsächlich von seiner Partei gewählt würde.
Der in Ames an Nummer drei gelandete Tim Pawlenty gehört dagegen zu den republikanischen Schwergewichten. Der frühere zweimalige Gouverneur von Minnesota ist ein Virtuose der Volksnähe und hat sich durch ordentliche Haushaltspolitik und eine Reform des Gesundheitswesens einen Namen gemacht. Er hat aber an Sympathie eingebüßt, weil er Bachmann öffentlich auf Fehler und Widersprüche in ihren Aussagen hingewiesen hat.
Zurückgefallen ist auch ein Mann, der zunächst als gefährlichster potenzieller Herausforderer für Obama galt: Jon Huntsman. Der elegante, silberhaarige frühere Gouverneur von Utah, den Obama dem Vernehmen nach zum Botschafter in China gemacht hatte, um ihn aus Washington fernzuhalten, dürfte aber vor allem der so einflussreich gewordenen Tea Party viel zu liberal sein.
Damit verengt sich das Feld der momentan aussichtsreichsten Kandidaten der GOP derzeit auf zwei Namen: Mitt Romney und Rick Perry. Auch Romney, Harvard-Absolvent und früherer Gouverneur von Massachusetts - der 2007 den Straw Poll in Ames gewonnen hatte und diesmal nicht nach Iowa gekommen war -, führt seit Langem die Umfragen in Sachen Kandidatur an. Notfalls passt er seine Positionen geschmeidig dem Trend an, ist allerdings der Tea Party nicht konservativ genug. So ist er für eine Gesundheitsreform und toleriert eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Allerdings ist der strenggläubige Mormone und 16-fache Großvater auch für die Todesstrafe, gegen Abtreibungen und nimmt eine harte Haltung gegenüber illegalen Einwanderern ein.
Sein Rivale Rick Perry, Gouverneur von Texas, hat erst am Wochenende seine lang erwartete Kandidatur erklärt. Der 61-jährige Vertreter der Tea Party und der religiösen Rechten in den USA ist ebenfalls ein vehementer Befürworter der Todesstrafe, ein Gegner von Klimaschutz-Regeln und ein Kritiker Europas. Er gilt als Wirtschaftsexperte und hat in Texas viele Arbeitsplätze geschaffen - wenn auch zumeist nur Billigjobs. Diese Stärke kommt ihm in der Krise zugute. In seiner Antrittsrede kündigte der frühere US-Kampfpilot an, er wolle Obamas Gesundheitsreform kippen, dem Demokraten "seine Entlassungspapiere ausstellen" und Amerika wieder "groß" machen.
Im vergangenen August hatte Perry 30 000 Menschen zu einem Gottesdienst mobilisiert, wo er für die Rettung Amerikas betete. Perry hatte in Ames gar nicht auf dem Stimmzettel gestanden - dennoch wählten ihn trotzig immerhin 718 der Wahlmenschen in Iowa. "Ich werde kandidieren - und ich werde gewinnen", rief Perry aus.
Keiner der Kandidaten der Grand Old Party ragt derzeit einsam heraus; die Dinge sind im Fluss. Doch wie in einem Western wartet das amerikanische Publikum erst einmal gespannt auf das Duell Romney gegen Perry.