Politiker und Ökonomen streiten weiter über den richtigen Weg zur Rettung Europas aus der Schuldenkrise. Kritik an EZB-Stützungskäufen.
Berlin. Italien hat zur Lösung der europäischen Schuldenkrise eindringlich gemeinsames Handeln der Länder angemahnt und dafür sogenannte Euro-Bonds vorgeschlagen. "Wir wären nicht da, wo wir jetzt sind, wenn wir Euro-Bonds gehabt hätten“, sagte Finanzminister Giulio Tremonti am Sonnabend. Das hoch verschuldete Land war zuletzt zunehmend ins Visier der Finanzmärkte geraten, so dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) veranlasst sah, italienische Anleihen zu kaufen. Die Renditen sind seitdem wieder gesunken. Im Gegenzug für diese Hilfe der EZB beschloss das Land mit einer doppelt so hohen Verschuldung wie erlaubt erst am Freitag ein zusätzliches Sparpaket im Volumen von 45 Milliarden.
Tremonti sagte bei einer Pressekonferenz, viel hänge davon ab, was in den kommenden Tagen über und für Europa beschlossen werde. Er verwies darauf, dass auch Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker für Euro-Bonds sei. Auch Griechenland findet die Idee nach Angaben eines Regierungssprechers gut. Das Land musste als erstes Mitglied der Euro-Zone Hilfen in Anspruch nehmen, weil es sich aus alleiniger Kraft nicht mehr refinanzieren konnte.
Der neuerliche Vorschlag für die Schaffung von Euro-Bonds kommt kurz vor einem deutsch-französischen Gipfel am Dienstag in Paris zur Schuldenkrise. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sprachen sich unterdessen in verschiedenen Interviews gegen Euro-Bonds aus.
Die Bewältigung der Schuldenkrise ist nach Ansicht Schäubles eine historische Herausforderung. Die große Mehrheit der Bundesbürger bleibt angesichts der dramatischen Nachrichten von den Finanzmärkten aber offenbar gelassen.
Schäuble sagte dem Nachrichtenmagazin "Spiegel“: "In anderen Teilen der Welt wird genau beobachtet, ob es unseren freiheitlich verfassten Gesellschaften mit unseren zum Teil unvermeidlich langwierigen demokratischen Prozessen gelingt, diese Probleme zu lösen.“ Der CDU-Politiker sprach sich gegen weitergehende Hilfen für angeschlagene Euro-Länder aus. Es gebe keine Vergemeinschaftung von Schulden und "keinen unbegrenzten Beistand“.
Oettinger: Italienische Staatspleite würde Eurozone wohl sprengen
Die Europäische Währungsunion würde einen Zahlungsausfall Italiens nach Ansicht von EU-Energiekommissar Günther Oettinger wohl nicht verkraften. „Eine italienische Staatspleite würde die Eurozone „wahrscheinlich“ sprengen, weil Italien dann als Geberland des Europäischen Rettungsfonds EFSF ausfallen würde, sagte Oettinger dem „Handelsblatt“ (Montag).
Der Kommissar sprach sich dennoch strikt dagegen aus, das Volumen des EFSF über die geplanten 440 Milliarden Euro hinaus weiter zu erhöhen: „Der Fonds reicht für Portugal, Griechenland und Irland problemlos aus und hat darüber hinaus noch reichlich Kapazitäten“, sagte Oettinger. Allerdings könne man prüfen, ob der EFSF sich bei der Europäischen Zentralbank (EZB) die nötigen finanziellen Mittel für seine Interventionen an den Finanzmärkten besorgen könne.
Regierung gegen Eurobonds
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler wandte sich strikt gegen Euroanleihen: "In einem Europa, in dem jeder Mitgliedstaat selbst Verantwortung übernehmen soll, halte ich eine gemeinsame Euroanleihe für den falschen Weg“, sagte der FDP-Vorsitzende dem "Handelsblatt“ (Montagausgabe). Für Deutschland würde dies höhere Zinsen bedeuten und damit zulasten des Steuerzahlers gehen.
Auch der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Bundestags-Finanzausschuss und Vorsitzender der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, warnte vor solchen Anleihen. "Wer den Weg für Eurobonds freimachen will, legt die Axt an die Stabilität des Euro“, erklärte er. Sie seien der Einstieg in eine "Transferunion, die am Ende alle Euro-Staaten in einen Abwärtsstrudel reißen würde“.
Die Äußerungen zeigen, wie gespalten die Länder mit Blick auf das weitere Vorgehen in der Schuldenkrise sind. Bundeskanzlerin Angela Merkel will auch deshalb in Paris mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy beraten. Tremonti sagte, die Erwartungen an das Treffen der beiden einflussreichen Politiker seien sehr hoch. Einer Umfrage der "Bild am Sonntag„ zufolge ergab, dass 31 Prozent der Deutschen glauben, dass der Euro bis 2021 verschwunden sein wird.
Neben den Oppositionsparteien sprechen sich auch Finanzmarktexperten für die Einführung von Euroanleihen aus. "Wenn Frankreich weiter eskaliert, werden Eurobonds die letzte Chance sein“, sagte der oberste Fondsmanager der Deutsche-Bank-Tochter DWS, Asoka Wöhrmann, der "Welt am Sonntag“. Der Markt werde weiter testen, wie ernst es den Regierungen mit ihrer Schuldenpolitik sei. "Wenn stabilitätspolitische Grundsätze gewahrt sind, wird der Eurobond für eine Beruhigung der Lage sorgen“, sagte Wöhrmann. Die DWS ist Deutschlands größte Fondsgesellschaft.
Finanzmarkt hat kein Vertrauen mehr in die Politik
Indes setzen die Finanzmarkt-Akteure die Politik weiter unter Druck. Der Markt habe „das Vertrauen verloren in die Gestaltungsfähigkeit der Politik“, sagte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, im Deutschlandfunk. Die Zahlungswilligkeit der Regierungen werde infrage gestellt. "Wenn man so leichtfertig mit dem Vertrauen der Märkte umgeht, (...) dann muss man sich hinterher nicht wundern, wenn die Märkte letztendlich das Vertrauen verlieren“, sagte Mayer.
Kritik an der EZB
Vertreter der Regierungskoalition forderten derweil die Europäische Zentralbank (EZB) auf, keine weiteren Staatsanleihen von Schuldenländern aufzukaufen. Die EZB dürfe nicht zu einer Institution werden, die die Versäumnisse in nationalen Staatshaushalten wie Italien auf Dauer ausgleiche, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier dem "Spiegel“. Ähnlich äußerte sich sein sächsischer Amtskollege Stanislaw Tillich (beide CDU). CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt riet der EZB, zur Stabilitätskultur der Bundesbank zurückzukehren.
Die dramatischen Nachrichten von den Finanzmärkten haben die Mehrheit der Bundesbürger aber offenbar nicht aus der Fassung gebracht. "53 Prozent sehen den nächsten zwölf Monaten überwiegend optimistisch entgegen, nur zwölf Prozent mit ausgeprägten Befürchtungen“, schrieb Renate Köcher, die Chefin des Instituts für Demoskopie Allensbach, in der „Wirtschaftswoche“. Die Erfahrungswelt der Bürger stehe "in völligem Kontrast zu den täglichen Hiobsbotschaften“. Laut einer Umfrage des Emnid-Instituts für die "Bild am Sonntag“ ist die große Mehrheit von 65 Prozent der Deutschen überzeugt, dass der Euro als Gemeinschaftswährung auch in zehn Jahren noch existiert. (dapd/rtr)