Die Affäre um Guttenbergs Doktorarbeit sei keine Bagatelle, entrüsten sich Wissenschaftler aus ganz Deutschland. Peter Häberle, Guttenbergs Doktorvater, gibt ihnen jetzt recht.
Hamburg/Berlin. Ex-Doktor Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) schlägt wegen seiner Plagiatsaffäre eine Welle der Empörung aus der Wissenschaft entgegen. In Berlin sind aus "Protest gegen das ehrlose Verhalten des Verteidigungsministers, der Bundeskanzlerin und der Regierungsfraktionen im Bundestag“ mehrere hundert Menschen auf die Straße gegangen und haben Schuhe an den Zaun des Verteidigungsministeriums gehängt – eine Anspielung auf die fehlenden Fußnoten in der Doktorarbeit und zugleich im Islam ein Symbol der Schmähung.
Erstmals hat sich nun auch Guttenbergs Doktorvater von seinem ehemaligen Schützling distanziert. „Die in der Promotionsschrift von Herrn zu Guttenberg entdeckten, mir unvorstellbaren Mängel sind schwerwiegend und nicht akzeptabel“, sagte Professor Peter Häberle der Zeitung „Die Welt“. „Sie widersprechen dem, was ich als gute wissenschaftliche Praxis seit Jahrzehnten vorzuleben und auch gegenüber meinen Doktoranden zu vermitteln bemüht war.“ Die Aberkennung des Doktortitels sei die notwendige Folge gewesen.
Mit sehr großem Bedauern habe er zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Umstände der von ihm betreuten Promotion geeignet seien, „den Ruf der Universität Bayreuth in der öffentlichen Diskussion in Misskredit zu bringen."
Nach den ersten öffentlichen Plagiatsvorwürfen hatte Häberle der "Bild"-Zeitung gesagt, der Vorwurf sei absurd, "die Arbeit ist kein Plagiat". Jetzt bezeichnet er diese Aussage als "spontan und letztlich zu vorschnell".
„Es ist unerträglich, wie die Bedeutung der Wissenschaft und ihrer ehernen Gesetze politisch kleingeredet wird", sagte der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes Bernhard Kempen in Bonn. Plagiieren, das Abkupfern von geistigem Eigentum, sei kein Bagatelldelikt. „Wissenschaft ist die Suche nach Wahrheit. Der redliche Umgang mit Daten, Fakten und geistigem Eigentum macht die Wissenschaft erst zu Wissenschaft“, so der DHV-Präsident.
Auch Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, warnte vor der Verharmlosung von Plagiaten als Kavaliersdelikt: „Wissenschaftler teilen ihre Ideen und Erkenntnisse, sie führen sie gemeinsam weiter, aber sie entwenden sie nicht“, sagte er dem Berliner „Tagesspiegel“.
„Der Minister leidet unter Realitätsverlust“, sagte der Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle, der Bayreuther Staatsrechtsprofessor Oliver Lepsius der „Süddeutschen Zeitung“. „Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Es ist eine Dreistigkeit ohnegleichen, wie er honorige Personen der Universität hintergangen hat.“
Hochschulverbands-Präsident Kempen ermahnte aber auch die eigenen Kollegen. Es sei die Aufgabe jedes Hochschullehrers, verstärkt auf Plagiate von Kollegen, Mitarbeitern und Studierenden zu achten. „Wegsehen“ sei falsch verstandene Kollegialität und selbst ein wissenschaftliches Fehlverhalten. Der Deutsche Hochschulverband ist die bundesweite Berufsvertretung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland mit über 26.000 Mitgliedern.
In der Plagiatsaffäre um Guttenberg gibt es auch Verwirrung um angebliche Finanzgeschäfte des CSU-Politikers mit der Universität Bayreuth. Wie ein Sprecher des fränkischen Krankenhausbetreibers Rhön-Klinikum in Bad Neustadt/Saale klarstellte, hat sich Guttenberg als früheres Aufsichtsratsmitglied des Unternehmens nicht als Sponsor betätigt und die Hochschule finanziell unterstützt. Guttenberg studierte von 1992 bis 1999 in Bayreuth Rechtswissenschaften und promovierte dort 2007 mit der Bestnote „summa cum laude“. Er war von 1996 bis 2002 einer von zwölf Aufsichtsräten des privaten Krankenhausbetreibers.
Seine Familie hatte bis zum Jahr 2002 Anteile an dem Unternehmen. Der Vorstand der Rhön-Klinikum AG hatte mit dem Freistaat Bayern, dem Träger der Uni, 1998 einen Kooperationsvertrag geschlossen. Darin sei eine finanzielle Unterstützung beim Aufbau des neuen Studienganges „Gesundheitsökonomie“ in Bayreuth vereinbart worden, sagte der Sprecher. „Der Vertrag beinhaltet, dass der Freistaat das Geld für die Finanzierung des neu zu schaffenden Lehrstuhles „Medizinmanagement“ verwendet.“ Ziel des Unternehmens sei es gewesen, Nachwuchskräfte für eine Aufgabe im Krankenhausmanagement aufzubauen. Kooperationen dieser Art seien bundesweit üblich.
Auch die Universität Bayreuth wies die Sponsorengerüchte zurück. „Der Vertrag ist ausgelaufen und wurde nicht verlängert. Seitdem wird der Lehrstuhl vom Freistaat Bayern finanziert“, teilte die Hochschule mit. Die erste Rate habe die Rhön-Klinikum AG am 16. April 1999, die letzte Rate am 4. April 2006 überwiesen.
Insgesamt stellte das Unternehmen zusammen mit der Techniker Krankenkasse für den Lehrstuhl nach Uni-Angaben rund 747.800 Euro bereit. „Der Kooperationsvertrag wurde vom Vorstand beschlossen. Der Aufsichtsrat war zu keinem Zeitpunkt damit befasst“, sagte der Unternehmenssprecher. Zum Aufsichtsrat des Klinikkonzerns gehört auch der SPD-Gesundheitsexperte und Guttenberg-Kritiker Karl Lauterbach.
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