Karl-Theodor zu Guttenberg wird der Doktortitel aberkannt. Stimmen Sie ab: Kann der umstrittene Minister jetzt noch im Amt bleiben?
Hamburg/Berlin. Die Universität Bayreuth hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Doktorwürde aberkannt. Das sagte Uni-Präsident Rüdiger Bormann am Mittwochabend nach einer Tagung der Promotionskommission der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Guttenberg habe gegen die wissenschaftlichen Pflichten „in erheblichem Umfang“ verstoßen, so Bormann. Die wörtliche und sinngemäße Übernahme von Textstellen ohne hinreichende Kennzeichnung verstoße gegen die Rechtsprechung und die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens.
„Die Kommission, darauf weisen die Mitglieder einstimmig hin, hat sich davon überzeugt, dass Herr Freiherr zu Guttenberg gegen diese wissenschaftlichen Pflichten in erheblichem Umfang verstoßen hat. Dies hat er auch selbst eingeräumt“, sagte Bormann. Die der Literatur ohne Kennzeichnung übernommenen Stellen seien als Plagiat zu bezeichnen. Die Frage eines möglichen Täuschungsvorsatzes habe man aber nicht erörtert. „Wir brauchen nicht zu prüfen, ob die ganze Arbeit ein Plagiat ist“, sagte der Universitätspräsident. Guttenberg sei die Entscheidung per Pressemitteilung mitgeteilt worden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete das Aberkennen des Doktortitels als richtig und logisch. Die Universität Bayreuth folge mit dieser Entscheidung der Einschätzung des Ministers. „Die Entscheidung der Uni Bayreuth liegt auf der Linie dessen, was der Verteidigungsminister vorgegeben hat. Sie macht daher Sinn“, sagte Merkel am Abend in Freiburg. Das Votum zeige, dass zu Guttenberg mit seiner Selbsteinschätzung richtig liege. Der Minister sei durch die Uni-Entscheidung daher in seinem Amt nicht geschwächt.
In der Aktuellen Stunde des Bundestages hatte Guttenberg zuvor deutlich gemacht, dass er einen Rücktritt ablehnt. Auch wenn er erneut Fehler in seiner Doktorarbeit einräumte und sich entschuldigte, geriet die Fragestunde zum nie dagewesenen Kreuzverhör. Er habe eine „offensichtlich sehr fehlerhafte Doktorabeit geschrieben“, sagte er. Den Vorwurf einer Täuschung wies Guttenberg erneut zurück. „Ich habe mehrfach gesagt, dass ich diese Doktorarbeit persönlich geschrieben habe“, betonte er.
Nach SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte auch Linken-Fraktionsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann Guttenbergs Rücktritt. Die Hamburger Grünen-Politikerin Krista Sager sagte: „Sie können uns nicht erzählen, dass Sie nicht wissen, was Sie tun.“ SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte, Guttenberg könne als „Hochstapler und Lügner" nicht weiter im Kabinett bleiben. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte mit Blick auf den Roman von Thomas Mann über den Hochstapler Felix Krull: „Frau Bundeskanzlerin, die Bundeswehr darf nicht mehr von einem Felix Krull kommandiert werden. Entlassen Sie Herrn Dr. zu Guttenberg.“
Guttenberg wandte sich gegen Vorwürfe, er habe verschleiern wollen, Papiere des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag für seine Arbeit benutzt zu haben. „Da ich die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste in den wissenschaftlichen Kontext meiner Arbeit eingestellt und reflektiert habe, sah ich meine Arbeit als vom Zitatrecht des Urheberrechts umfasst an.“ Er gestand aber zwei Verwechslungen ein. In einem Fall habe er seine eigenen Bleistiftkritzeleien nicht mehr lesen können. Er sagte, er akzeptiere den Vorwurf, dass Teile der Arbeit nicht dem wissenschaftlichen Kodex entsprächen.
Er verwies auf seine Mehrfachbelastung durch Beruf, wissenschaftliche Arbeit und Familie: „Ich war sicher so hochmütig zu glauben, dass mir die Quadratur des Kreises gelingt.“ Er müsse nun feststellen, dass ihm das nicht gelungen ist. „Dazu stehe ich auch. Ich glaube, das ist kein Grund zur Häme.“ Er warb um Verständnis und gab sich im Parlament menschelnd.
+++ Lesen Sie hier die Fragen der Abgeordneten und die Antworten Guttenbergs +++
Guttenberg hatte die Plagiatsvorwürfe vor einer Woche erst als „abstrus“ zurückgewiesen. Erst später gestand er „gravierende Fehler“ in seiner Arbeit ein und erklärte, er wolle auf seinen Doktorgrad dauerhaft verzichten.
Der Bayreuther Jura-Professor Diethelm Klippel wies derweil eine Darstellung eines ehemaligen Bundeswehroffiziers zurück, Guttenberg habe den Doktortitel zu früh geführt. Guttenberg habe am 27. Februar 2007 seine mündliche Prüfung abgelegt und danach – was üblich sei – den Antrag auf vorzeitiges Führen des Titels gestellt, sagte Klippel.
Nachdem er einen Vertrag mit dem Verlag, der die Arbeit später veröffentlichen wollte, vorlegen konnte, sei diesem Antrag stattgegeben worden. Ab dem 7. Mai 2007 habe sich Guttenberg Doktor nennen dürfen. Nachdem er dann am 28. Januar 2009 die Pflichtexemplare der Arbeit vorgelegt habe, habe er den Titel dauerhaft führen dürfen.
Die Union will einen Schlussstrich unter die Doktortitel-Affäre ziehen. CSU-Landesgruppengeschäftsführer Stefan Müller forderte ein Ende der Debatte. „Ich finde, politisch ist diese Angelegenheit erledigt“, sagte er im ZDF. Guttenbergs Kabinettskollegin Ursula von der Leyen (CDU) meinte allerdings, dass Guttenberg noch nicht ganz über den Berg sei. „Jetzt hat er als Person eine schwierige Lage zu bewältigen“, sagte sie der „Rheinischen Post“. „Wie er sich den Vorwürfen stellt und reinen Tisch macht, wird mit darüber entscheiden, welches Bild sich die Menschen von ihm als Politiker machen.“
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, sieht in der Plagiatsaffäre von Verteidigungsminister Guttenberg auch ein mahnendes Beispiel für Schüler. „Im Fall von ,KT' können wir Lehrer zu unseren Schülern klipp und klar sagen, da seht ihr, was herauskommt, wenn ihr schummelt, dann wird euch die Leistung aberkannt und ihr steht dumm da“, sagte Kraus der Online-Ausgabe des „Handelsblatts“.
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, sieht den Ruf von Verteidigungsminister Guttenberg durch die Plagiatsvorwürfe auch in der Bundeswehr als beschädigt an. In der Truppe sei „etwas ordentlich angekratzt, das ist gar keine Frage“, sagte Kirsch im Bayerischen Rundfunk. Die Vorwürfe seien zwar bei den Soldaten im Auslandseinsatz weniger ein Thema, dafür aber umso mehr bei den in Deutschland stationierten. „Da wird der Kopf geschüttelt nach dem Motto: hat das jetzt auch noch sein müssen.“ Schon bei den Vorfällen auf der Gorch Fock sei das Krisenmanagement nicht überzeugend gewesen.
Mit Material von dpa und AFP