Nach dem Besuch der Kanzlerin haben Selbstmordkommandos Kabul und Kundus angegriffen. Auch die Bundeswehr ist involviert.
Kundus/Berlin. Kaum war die Kanzlerin aus Afghanistan abgereist, griffen extremistische Taliban die Hauptstadt Kabul und die nordafghanische Stadt Kundus an. Beide Selbstmordkommandos hatten die afghanische Armee zum Ziel. Mindestens vier Taliban und zehn Angehörige der Sicherheitskräfte starben bei dem Angriff.
In Kundus unterstützten Bundeswehrsoldaten die afghanische Armee und die Polizisten bei dem Kampf um das Rekrutierungszentrum der Stadt. Im Feuergefecht zündeten zwei der Aufständischen ihre Sprengstoffwesten. Die deutschen Soldaten blieben unverletzt.
Kanzlerin Merkel sprach am Sonnabend zu den deutschen Truppen
In Afghanistan kämpfen außer den Afghanen 42 Nationen der internationalen Schutztruppe Isaf sowie Al-Qaida-Terroristen aus allen möglichen Ländern. Die Bundesregierung nannte dies bislang einen "nicht internationalen bewaffneten Konflikt", frühere Regierungen "Stabilisierungseinsatz". Nun hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zum ersten Mal vom Krieg am Hindukusch gesprochen.
Bei einem überraschenden Kurzbesuch in Kundus sagte die CDU-Politikerin vor mehreren hundert Soldaten: „Wir haben hier nicht nur kriegsähnliche Zustände, sondern Sie sind in Kämpfe verwickelt, wie man sie im Krieg hat.“ Seit Beginn des Einsatzes sind in Afghanistan 45 deutsche Soldaten ums Leben gekommen, 27 von ihnen starben bei Anschlägen und Gefechten.
Merkel betonte: „Das ist für uns eine völlig neue Erfahrung. Wir haben das sonst von unseren Eltern gehört im Zweiten Weltkrieg.“ Das sei aber eine andere Situation gewesen, weil Deutschland damals der Angreifer gewesen sei.
Die Kanzlerin dankte den Soldaten für ihren Einsatz. „Wir wissen, dass das eine extrem gefährliche Sache ist und sich viele noch lange nach dem Einsatz damit rumplagen, was sie hier erlebt haben.“ Bei einem Gespräch mit Soldaten, die an den schweren viertägigen Gefechten im vergangenen Monat gegen Taliban im gefährlichen Distrikt Chahar Darreh beteiligt waren, sagte die Kanzlerin zur Schilderung der Kämpfe: „Das ist etwas, was wir bisher nur aus Kriegsbüchern kannten.“
Das militärische Engagement am Hindukusch diene auch der Sicherheit Deutschlands, bekräftigte Merkel. „Ohne Sie könnten wir nicht so sicher leben, und das müssen wir den Menschen auch sagen“. Sie räumte ein, dass die Bevölkerung den Einsatz „zum Teil skeptisch“ sehe – „und trotzdem ist sie stolz auf Sie.“ Am Ehrenhain in Kundus gedachte sie der im Einsatz getöteten deutschen Soldaten.
21-Jähriger bei Unfall getötet
Überschattet wurde der dritte Besuch der Regierungschefin in Afghanistan vom tragischen Tod eines Bundeswehrsoldaten. Der 21-jährige Hauptgefreite war am Freitagabend mit einer Schusswunde in einem Außenposten nördlich des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) Pol-i Khomri aufgefunden worden und starb wenig später bei einer Notoperation. Merkel sprach von einem „tragischen Unfall“.
Nach dem Blitzbesuch in Kundus flog Merkel mit dem Hubschrauber weiter ins größte deutsche Camp am Hindukusch im nordafghanischen Masar-i-Scharif weiter, wo sie mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai und dem Kommandeur der InternationalenSchutztruppe ISAF, US-General David Petraeus, zusammenkam. Vor dem Treffen sagte Merkel, sie wolle mit Karsai über den Aufbau der Verwaltung und über die Korruption sprechen. „Die Fortschritte sind hier noch nicht so, wie wir uns das vorstellen.“
Zum Ziel der Bundesregierung, Ende 2011 die ersten deutschen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, sagte die Kanzlerin: „Das setzt voraus, dass die Lage auch so ist, dass man das verantworten kann.“ Darin sei sich die Bundesregierung einig. Merkel war am Morgen in Afghanistan eingetroffen.
Begleitet wurde sie von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker. CSU-Politiker Guttenberg war erst am Montag mit seiner Frau Stephanie und TV-Moderator Johannes B. Kerner zu einem Überraschungsbesuch nach Afghanistan gereist. Kerner hatte dort für den Sender Sat.1 eine Talkshow aufgezeichnet.
Derzeit sind rund 4.600 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan im Einsatz. Bis zu 5.000 Einsatzkräfte sind dem derzeitigen Mandat zufolge möglich, zusätzlich einer Reserve von 350 Mann. Im Januar muss das Parlament über eine Verlängerung des Mandats zur Beteiligung an dem internationalen Einsatz entscheiden.