Aber die Chancen auf eine Freilassung steigen. Schweden enthüllt neue Details der Sex-Vorwürfe, die US-Luftwaffe sperrt Berichte über WikiLeaks.
London/Hamburg. Es ist schon kurios, dass die unabhängige britische Justiz erst auf einen schwedischen Antrag hin ihre Meinung ändert: Nach einem Einspruch der schwedischen Behörden gegen eine Haftentlassung auf Kaution hat WikiLeaks-Gründer Julian Assange auch die Nacht zum Mittwoch in einem britischen Gefängnis verbracht. Es besteht Fluchtgefahr, argumentieren die Ankläger. Dabei soll Assange eine Fußfessel tragen. Und weit dürfte er eh nicht kommen: Die halbe Geheimdienstwelt würde ihn jagen.
Ein Londoner Gericht wollte den Australier am Dienstag gegen Hinterlegung von 200.000 britischen Pfund in bar (ca. 240.000 Euro) und unter strengen Auflagen aus dem Gefängnis entlassen. Die schwedische Staatsanwaltschaft, die wegen des Verdachts auf Sexualvergehen die Auslieferung des 39-jährigen Internetaktivisten verlangt, legte jedoch Berufung ein. Bis spätestens Donnerstagnachmittag muss nun das Oberste Zivilgericht in London endgültig entscheiden. Mindestens solange wird Assange hinter Gittern bleiben. Unabhängig von der Haftfrage verlangt Schweden weiterhin die Auslieferung des 39-Jährigen.
Wegen des Verdachts auf sexuelle Vergehen hatte Schweden den Internetaktivisten mit EU-weitem Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben. Vor einer Woche war er in London verhaftet worden. Die Anhänger Assanges halten die Vorwürfe für vorgeschoben und vermuten politische Motive hinter der Inhaftierung.
Die schwedische Justiz sieht dagegen weiterhin Fluchtgefahr. Die für Schweden tätige Anwältin Gemma Lindfield wiederholte vor Gericht die Vorwürfe, die zwei Frauen gegen den Internetaktivisten erhoben haben. Demnach habe Assange am 14. August sein Körpergewicht genutzt, um eine Frau nach unten zu drücken. Außerdem habe er trotz des ausdrücklichen Wunsches der Frau beim Sex kein Kondom benutzt. Bei derselben Frau soll es zu einer weiteren sexuellen Nötigung gekommen sein. Eine zweite Frau gab an, er habe mit ihr ungeschützten Sex gehabt, während sie schlief.
Assanges Anwalt Mark Stephens griff die schwedischen Behörden scharf an und sprach von einem „Schauprozess“. „Sie scheuen keine Mühen, um Herrn Assange im Gefängnis zu halten“, sagte Stephens vor dem Gerichtsgebäude in London. Dort hatten zuvor Hunderte Anhänger des WikiLeaks-Gründers die Entscheidung zur Haftentlassung bejubelt. Darunter die Menschenrechtlerin Bianca Jagger und andere Prominente.
Eine Freilassung hat das Gericht jedoch an strenge Auflagen gebunden. So muss Assange seinen Reisepass abgeben und eine elektronische Fußfessel tragen . Zudem sei er verpflichtet, sich an einem der Polizei bekannten Ort aufzuhalten und sich jeden Abend an der örtlichen Polizeistation zu melden, berichtete die BBC. Neben der Kaution würden weitere 40.000 Pfund an zusätzlichen Sicherheitsgarantien fällig. Das Geld ist nach Angaben von Anwalt Stephens noch nicht zusammen.
Wie die schwedische Staatsanwaltschaft auf ihrer Website mitteilte, ist eine spätere Auslieferung Assanges an die USA unter „ganz bestimmten Bedingungen möglich“. Zuvor müsse aber auch das Land zustimmen, das ihn an Schweden ausgeliefert habe. Das wäre in diesem Fall Großbritannien. „Schweden kann ohne eine solche Zustimmung keine Person etwa in die USA ausliefern“, schrieb die Staatsanwaltschaft.
Die US-Behörden streben wegen der Veröffentlichung vertraulicher oder geheimer Dokumente über die Kriege im Irak und in Afghanistan sowie Tausender Depeschen von US-Diplomaten auf WikiLeaks juristische Schritte gegen Assange an. Wie das „Wall Street Jounrnal“ berichtete, hat die US-Luftwaffe inzwischen auf ihren Computern den Aufruf von Internetseiten blockiert, auf denen die von WikiLeaks enthüllten US-Diplomatendepeschen veröffentlicht werden. Betroffen seien Medien-Webauftritte wie der vom „Spiegel“ und der „New York Times“. Wer die Seiten von an einem Air-Force-Computer aus aufrufe, bekomme die Mitteilung zu sehen: „Zugriff verweigert. Der Internet-Gebrauch wird aufgezeichnet und überwacht.“