Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich empfiehlt Griechenland den Austritt aus der Euro-Währungsunion. Kritik aus der Opposition.
Berlin. Wenn am Montag im Bundestag über das zweite und umstrittene Hilfspaket für Griechenland abgestimmt wird, wird Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls für Ja stimmen. Auch wenn Friedrich zuvor Griechenland dazu geraten hatte, aus der gemeinsamen Euro-Währungsunion auszutreten. Davon geht zumindest Unions-Fraktionschef Volker Kauder aus. Der CDU-Politiker lehnt eine Diskussion über ein mögliches Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone ab. "Wir sind selber der Auffassung, dass wir keinen eigenen Beitrag dazu leisten sollten, um irgendein Mitglied aus der Euro-Zone herauszudrängen. Wir müssen helfen, dass Stabilität entsteht“, sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin“. "Wir wollen Griechenland in der Euro-Zone behalten“, sagte Kauder. Er halte es für ein falsches Signal, wenn Griechenland die Euro-Zone verlassen würde
Innenminister Friedrich hatte zuvor dem "Spiegel" gesagt: "Außerhalb der Währungsunion sind die Chancen Griechenlands, sich zu regenerieren und wettbewerbsfähig zu werden, mit Sicherheit größer, als wenn es im Euro-Raum verbleibt." Damit stellte er sich klar gegen die Linie der Bundesregierung. Oppositionsvertreter forderten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, ein Machtwort zu sprechen.
Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatten immer wieder betont, Griechenland im Euro-Raum halten zu wollen. Aus Regierungskreisen hieß es zu Friedrichs Vorstoß, die Politik der Bundesregierung "zielt unverändert auf eine Stabilisierung Griechenlands in der Eurozone mithilfe europäischer Solidarität und massiver griechischer Eigenanstrengung ab“. Dem diene auch das zweite Hilfspaket für Griechenland. Die dazugehörige Vorlage für den Bundestag sei "mit allen Ressorts“ abgestimmt worden.
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Friedrich sagte, er spreche nicht davon, "Griechenland rauszuschmeißen, sondern Anreize für einen Austritt zu schaffen, die sie nicht ausschlagen können“. Unterstützung bekam er von Parteikollegen: Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sagte der "Passauer Neuen Presse“, er plädiere "für einen geordneten Austritt von Griechenland aus der Euro-Zone“. Der CSU-Europapolitiker Thomas Silberhorn sagte dem "Tagesspiegel“, Griechenland wäre "mit einem Ausscheiden aus der Euro-Zone besser geholfen“.
SPD und Grüne verlangten eine Klarstellung der Kanzlerin. "Frau Merkel muss Minister Friedrich schnell zur Ordnung rufen, wenn sie noch eine Chance für eine eigene Mehrheit im Bundestag haben will“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, der "Welt“. Es sei "absolut unverantwortlich“, am Tag vor einer entscheidenden Abstimmung den Kurs der Regierung grundsätzlich infrage zu stellen.
Der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Gerhard Schick, bezeichnete Friedrichs Verhalten in der "taz“ als "unsäglich“. Der Vorschlag des Ministers sei "eine gezielte Provokation der CSU“. Merkel müsse ihren Innenminister zur Ordnung rufen.
Der Bundestag stimmt am Montagnachmittag über das zweite Griechenland-Paket ab, das vorsieht, Athen über den Rettungsschirm EFSF bis zu 130 Milliarden Euro an neuen Kredite zu gewähren. Die Zustimmung des Parlaments gilt als sicher. CSU-Chef Horst Seehofer sagte in München: "Ich glaube, dass unsere CSU-Abgeordneten mit einer ganz großen Mehrheit am Montag zustimmen werden.“
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle kündigte im "Wall Street Journal Online“ ebenfalls an, seine Fraktion werde "mit hoher Geschlossenheit“ für das Paket votieren. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte der "Welt am Sonntag“, seine Parteikollegen würden voraussichtlich "mit großer Mehrheit zustimmen“. Auch die Grünen wollen das Paket mittragen, die Linksfraktion will dagegen stimmen.
Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle, zeigte sich vor der Abstimmung verhalten skeptisch zum neuen Hilfsprogramm. "Ob das im Paket genannte Ziel, die Verschuldung Griechenlands bis zum Jahr 2020 auf 120,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken, erreicht werden kann, da habe ich gewisse Zweifel“, sagte er dem "Spiegel“.
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, sagte, die Prognose zum Abbau des Schuldenstands beruhe auf Daten, die den Abgeordneten nicht vorlägen. "Würde diese Grundlage infrage gestellt, bräche das ganze Rettungskonstrukt in sich zusammen“, warnte er.
Von Christina Neuhaus und Doris Berve-Schucht