Deutsche sind verunsichert: Angesichts von Unruhen und antideutschen Ressentiments noch in das Mittelmeerland reisen? Experten sagen Ja.
Das Milliardenhilfe-Paket ist geschnürt - aber ist Griechenlands Wirtschaft noch zu retten? Fast täglich erreichen uns die gleichen Bilder aus Athen. Es wird protestiert, mit Steinen geworfen, Feuer gelegt, geprügelt, getreten, Polizei gegen Demonstranten - eine Spirale der Gewalt. Die Schuldenkrise spaltet die Nation.
Viele Griechen wenden sich von der eigenen Regierung ab, weil sie extrem sparen sollen. Besser gesagt: Sie werden dazu gezwungen. Auch von der deutschen Politik, die den Druck weiter erhöht, von den Griechen viele Anstrengungen erwartet - und sich damit nicht beliebt macht. Demonstranten verbrannten bereits schwarz-rot-goldene Fahnen. Einige griechische Medien pflegen derzeit anti-deutsche Ressentiments. So druckten Zeitungen eine Fotomontagen von Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble in Nazi-Uniformen.
Der melancholische Sirtaki, den Anthony Quinn am Ende von "Alexis Sorbas" tanzte, scheint zum Schicksal des ganzen Landes zu passen. Deshalb sind viele Deutsche verunsichert. Sollen sie ihren geplanten Griechenland-Urlaub antreten oder noch buchen? Müssen deutsche Touristen Angst haben, Ziel von Gewalt zu werden? Ist Griechenland noch in der Lage, Touristen aufzunehmen?
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Michael Karavás hat dazu eine klare Meinung. Der 72 Jahre alte Unternehmer aus München, gebürtiger Grieche, ist Inhaber von Attika Reisen und seit mehr als 35 Jahren auf das Land spezialisiert. "Kein Deutscher muss sich vor einem Griechen fürchten", sagt er. "Unsere Gesellschaft ist für Besucher absolut offen. Das hat man nicht in jedem anderen Land."
Aktuelle Zahlen aus der Reisebranche verheißen zunächst nichts Gutes für das Land am Mittelmeer. Pro Jahr haben bisher circa zwei Millionen Deutsche ihren Urlaub in Griechenland verbracht. Für den Sommer 2012 liegen die Griechenland-Buchungen bei TUI, Deutschlands größtem Reiseveranstalter, 27 Prozent unter den Vorjahreszahlen. Ähnliche Abstriche verzeichnet auch Attika Reisen. Ein weiterer beliebter Reiseveranstalter, Thomas Cook, möchte zwar keine konkreten Daten preisgeben, dort heißt es aber auch, dass Griechenland derzeit nicht so gut laufe.
Allerdings müssten sich deutsche Urlauber derzeit überhaupt keine Sorgen machen, sagt Torsten Schäfer, Leiter Kommunikation des Deutschen Reiseverbandes. "Die politischen Demonstrationen beschränken sich auf Athen. 99 Prozent der deutschen Touristen fliegen die Hauptstadt nicht einmal an, sondern landen direkt auf Inseln wie Kreta, Kos, Korfu oder Rhodos, wo die meisten von ihnen einen Strandurlaub verbringen. Dort ist es ruhig." Athen spiele touristisch nur eine untergeordnete Rolle. Stornierungen, die über das Normalmaß hinausgehen, gibt es laut Schäfer momentan nicht.
Ohnehin stehen die Reiseveranstalter ständig in Kontakt mit dem Auswärtigen Amt, das für die Herausgabe von Reisewarnungen zuständig ist. "Und für Griechenland gibt es keine", sagt Mathias Brandes, Leiter Kommunikation bei Thomas Cook. Auf der Internetseite des Amtes heißt es lediglich: "Reisende sollten sich in den Medien sowie bei ihren Gastgebern über die aktuelle Lage unterrichten und Demonstrationen und Menschenansammlungen weiträumig meiden."
Den schwachen Buchungszahlen misst Reise-Experte Schäfer noch nicht allzu viel Bedeutung bei. Er spricht von einer Momentaufnahme. Valide Werte seien erst Ende Mai zu erwarten, wenn die Hauptbuchungsphase der Deutschen vorbei ist. "Eine Prognose ist schwer. Fakt ist aber auch: Griechenland gehört bei uns zu den Top Ten der Reisedestinationen."
Dass Verunsicherung nicht zwangsläufig zu negativen Buchungszahlen führen muss, verdeutlicht der Blick auf eine aktuelle GfK-Umfrage unter 4000 Bundesbürgern im Auftrag der Stiftung für Zukunftsfragen. Sie ergab, dass 2011 nur noch zwei Prozent der deutschen Touristen in die Krisen-Nation Griechenland wollten; 2010 waren es noch 3,3 Prozent - der neue Wert für 2012 liegt übrigens bei 1,1 Prozent. Interessant ist hier aber der Vergleich zwischen 2010 und 2011. "Denn tatsächlich verzeichnete Griechenland im vergangenen Jahr einen Zuwachs von zehn Prozent im Vergleich zu 2010", so Schäfer. Der Grund dafür: die Unruhen in Tunesien und Ägypten. Viele Urlauber wollten lieber in andere mediterrane Länder ausweichen.
Auch TUI war mit den Griechenland-Buchungen in 2011 zufrieden. "Trotz Demonstrationen und Streiks ist es noch gut gelaufen", sagt Anja Braun, Leiterin des Bereichs Veranstalter- und Hotelmarkenpresse bei TUI. Die aktuelle Zurückhaltung führt sie auf die Ereignisse rund um die Finanzmarktkrise zurück. Das bestätigt auch Karavás, dessen Kunden größtenteils "Best Ager" sind, also Menschen im gehobenen Lebensalter und mit einem höheren Einkommen. "Die haben keine Lust auf Abenteuer."
Prof. Dr. Ulrich Reinhardt von der Stiftung für Zukunftsfragen stimmt zu: "Das derzeitige vorherrschende Bild von Griechenland sind keine sonnigen Inseln, schönen Strände oder gemütlichen Tavernen, sondern vielmehr Streiks, brennende Deutschlandfahnen und Korruption. Diese negativen Assoziationen haben zu einer massiven Verunsicherung geführt."
Was kann in Deutschland also getan werden? Der FDP-Europa-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis fordert die Politik zu mehr Mut auf. "Ein parteiübergreifender Aufruf, die Deutschen zu einem Griechenland-Urlaub zu bewegen, würde unserem Ansehen sicherlich guttun." Zuvor hatte bereits Chatzimarkakis' Parteikollege Alexander Graf Lambsdorff die Deutschen im Hamburger Abendblatt ermuntert, bei den Hellenen zu urlauben. "Der Aufruf meines Kollegen ist in Griechenland breit und sehr positiv gelaufen", so Chatzimarkakis, der selber wie jedes Jahr nach Kreta fährt. Von derartiger Unterstützung hält Wissenschaftler Ulrich Reinhardt nicht viel. Das Vertrauen in die deutsche Politik befinde sich auf einem Tiefpunkt, da sei ein solcher Appell nur wenig glaubhaft.
Wahrscheinlich geht es dann wohl doch nur über den Sparfaktor. TUI bietet für den Sommer 2012 bereits jetzt trotz gestiegener Kosten und Steuern Preisnachlässe zwischen fünf und zehn Prozent an. Griechenland steht damit laut Anja Braun gut da im Vergleich zu seinen Wettbewerbsländern Spanien und Türkei. Der Hamburger Klaus Hildebrandt, Chefredakteur von "fvw", einem Fachmagazin für Touristik, erwartet bröckelnde Preise, wenn die Bucherzahlen nicht steigen, "weil die Hoteliers dann nervös werden". Der Reise-Experte beruhigt die Deutschen auch, was mögliche Streiks im griechischen Personenverkehr angeht. "Die Veranstalter sind unabhängig vom öffentlichen Busverkehr. Wer bucht, kommt auch am Ziel an. Und was die Fluglotsen betrifft, da müssen wir ja nur ins eigene Land schauen."
Der Sommerurlaub ist in griechischen Restaurants in und um Hamburg unter den Gästen schon ein Dauerthema, meint Michael Meckalouglu, Inhaber des Grill-Imbisses Akropolis in Oststeinbek (Kreis Stormarn) und seit 19 Jahren in Deutschland lebend. Einige Menschen hätten tatsächlich ein bisschen Angst. "Aber diejenigen unter meinen Gästen, die das Land regelmäßig besuchen, werden das auch künftig tun."
Wissenschaftler Reinhardt bringt es auf den Punkt, was alle Reise-Experten dem Hamburger Abendblatt sagten: "Die kulturelle Vielfalt, die klimatischen und natürlichen Vorzüge sowie die Gastfreundschaft der allermeisten Griechen sprechen für eine Reise."