Für Griechenland geht es um alles, die Lage in Athen spitzt sich zu. Nicht nur auf der Straße regt sich breiter Widerstand gegen das Sparprogramm. Die Regierung muss erste Rücktritte verkraften. Die entscheidende Abstimmung im Parlament dürfte spannend werden.
Athen. Die Parteichefs des griechischen Regierungslagers, Giorgos Papandreou und Antonis Samaras, haben ihre Abgeordneten auf das Sparpaket von Ministerpräsident Lucas Papademos eingeschworen. Beide forderten die insgesamt 236 Parlamentarier ihrer Fraktionen am Samstag eindringlich zu einem geschlossenen „Ja“ auf. Papandreou, Chef der sozialistischen PASOK und Papademos' Vorgänger als Regierungschef, sprach von einem „Krieg um Griechenland“, der jetzt gewonnen werden müsse. Samaras als Vorsitzender der konservativen Nea Dimokratia (ND) sagte: „Das Land muss weiter existieren und auf eigenen Beinen stehen können.“
Nachdem die Regierung sich dem harten Spardiktat ihrer internationalen Geldgeber gebeugt hat, wächst in Griechenland die Wut der Bürger. Zunächst friedliche Demonstrationen am Freitag in Athen schlugen in Gewalt um. Die Polizei ging mit Tränengas gegen Demonstranten vor, die mit Brandsätzen, Flaschen und Steinen warfen. Die Gewerkschaften hatten zu einem zweitägigen Generalstreik unter der Losung "Leistet Widerstand!" aufgerufen. Die Polizeigewerkschaft drohte in einem Brief an die sogenannte Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), deren Finanzkontrolleure per Haftbefehl suchen zu lassen - wegen Gefährdung der Demokratie. Die griechischen Beamten würden nicht gegen ihre eigenen Brüder vorgehen, so die Polizeigewerkschaft.
Die harten Sparmaßnahmen und das Ultimatum der Euro-Finanzminister stellen Griechenlands Regierung vor eine Zerreißprobe. Nur einen Tag nach der Einigung der Parteichefs auf neue Einschnitte bröckelte am Freitag die Regierung des parteilosen Ministerpräsidenten Lucas Papademos. Die kleine rechtsgerichtete LAOS-Partei verweigerte die Gefolgschaft und zog ihre Minister aus der Regierung ab. Die Mehrheit bei der entscheidenden Abstimmung im Parlament scheint jedoch noch sicher zu sein. Eine mögliche Regierungsumbildung in Griechenland wird es nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa aber frühestens nach der Abstimmung im Parlament geben.
Der griechische Ministerrat billigte erwartungsgemäß das neue harte Sparpaket. Dies berichtete das staatliche Fernsehen (NET) am Freitagabend unter Berufung auf einen Regierungssprecher. Das griechische Parlament soll nun am Sonntagabend zur entscheidenden Abstimmung über das Sparprogramm zusammenkommen.
In einer sehr emotionalen Rede im Ministerrat hatte Papademos am Abend seine Regierung auf ein Ja zu dem Sparpaket eingeschworen. Mit eindringlichen Worten warnte der frühere EZB-Vizepräsident vor den Folgen einer Staatspleite, die ein „ökonomisches Chaos“ und eine „soziale Explosion“ bewirken würde. Früher oder später würde das Land dann die Eurozone verlassen müssen. „Der Staat würde Löhne, Renten nicht zahlen und die Krankenhäuser und die Schulen würden nicht funktionieren können.“
Papademos warnte vor einem völligen Zusammenbruch des Lebensstandards und vor Verelendung und sprach von einem „Moment der historischen Verantwortung“. An die Adresse der seit knapp zwei Jahren unter immer neuen Einschnitten leidenden Griechen sagte er: „Wir schauen dem Volk in die Augen und sagen: Dieses Programm wird sozial weniger Kosten haben als die finanzielle und soziale Katastrophe, die folgen wird, wenn wir es nicht verfolgen.“ Mit Blick auf die Opposition und die Demonstranten sagte der parteilose Regierungschef: „Patriotisch ist heute nicht, die Waffen zu strecken. Wir müssen stattdessen vereint sein, die Zähne zusammenbeißen und alle schwierigen Entscheidungen für die Rettung des Landes treffen und sie auch in die Tat umsetzen.“
Griechische Medien schätzten, dass es bei der Abstimmung im Parlament mindestens 30 Abweichler im Regierungslager geben könnte. Zudem wollen auch die 16 LAOS-Abgeordneten das Sparpaket nicht mittragen. Ein Nein des kleinsten Regierungspartners hätte angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament keine Auswirkungen, sollten die beiden anderen Regierungsparteien, die Sozialisten (PASOK) und die Konservativen (Nea Dimokratia), für die Sparanstrengungen votieren. Insgesamt stellt das Regierungslager – nun ohne LAOS – 236 von insgesamt 300 Abgeordneten im Parlament. Mit 151 Ja-Stimmen wäre das Gesetz gebilligt.
Die Euro-Finanzminister hatten grünes Licht für das neue Hilfsprogramm auch an die Zustimmung des Parlaments in Athen geknüpft und Griechenland so weiter unter Druck gesetzt. Sie hatten ihren Beschluss dazu am späten Donnerstagabend auf kommenden Mittwoch vertagt. Nur wenn Athen innerhalb einer Woche mehrere Bedingungen erfüllt, kann Griechenland mit dem dringend benötigten zweiten Rettungspaket von mindestens 130 Milliarden Euro rechnen. Notwendig ist zudem noch ein freiwilliger Schuldenschnitt im Volumen von 100 Milliarden Euro, auf den sich die privaten Gläubiger wie Banken mit Athen einigen müssen.
Mit Material von dpa