Für die Bundeswehr hat sich die Lage in Afghanistan verschärft. Einen sofortigen Abzug der Truppen schließt Kanzlerin Merkel jedoch aus.
Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält trotz der sieben getöteten deutschen Soldaten in zwei Wochen am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr fest. In einer Regierungserklärung im Bundestag sagte Merkel am Donnerstag, wer den sofortigen Abzug aus dem Land fordere, „der handelt unverantwortlich“. Denn Afghanistan würde in Chaos und Anarchie versinken. „Die internationale Gemeinschaft ist gemeinsam hineingegangen, gemeinsam wird sie auch herausgehen“, erklärte Merkel.
Ein planloser Abzug könnte auch dazu führen, dass Nuklearmaterial aus Nachbarländern in die Hände von Terroristen gelange, sagte die Kanzlerin. „Das muss verhindert werden.“ Ein Abzug wäre eine „Ermutigung für alle Terroristen“.
Merkel sagte, bis heute gelte der Ausspruch des früheren Verteidigungsministers Peter Struck (SPD), dass Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt werde. „Bis heute hat es niemand klarer und präziser ausdrücken können, worum es bei diesem Einsatz geht.“
Es sei nicht allein eine militärische Aufgabe, dieser Bedrohung zu begegnen. Der Militäreinsatz sei nur die Ultima Ratio. Das sei Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland. Doch die Bundeswehr werde ihren Auftrag nur erfüllen können, wenn sie sich auf den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung verlassen könne.
Der Bundestag gedachte auch der sieben deutschen Soldaten, die bei Gefechten mit Aufständischen in Afghanistan ums Leben gekommen waren, mit einer Schweigeminute. „Wir beklagen inzwischen 43 gefallene deutsche Soldaten“, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert. Das Parlament sei sich seiner Verantwortung für die Militäreinsätze bewusst. Dabei müssten aber auch die direkten und indirekten Wirkungen eines beschleunigten Abzugs der Bundeswehr bedacht werden, sagte der CDU-Politiker.
Vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages wird unterdessen mit Spannung die Zeugenaussage von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erwartet. Der CSU-Politiker soll vor allem darlegen, wann er welche Informationen über das tödliche Bombardement auf zwei von Taliban entführte Tanklastzüge am 4. September 2009 hatte. Damals kamen bis zu 142 Menschen ums Leben gekommen, darunter zahlreiche Zivilisten. Die Sitzung ist öffentlich.
Zum Zeitpunkt des Angriffs war als Verteidigungsminister noch Franz Josef Jung im Amt. Er trat als Bundesarbeitsminister Ende November wegen der Kundus-Affäre nachträglich zurück, nachdem ein neuer Bericht über den Ablauf und die Opfer bekanntgeworden war. Er wurde bereits vernommen. Als sein Nachfolger erklärte Guttenberg zunächst, der Angriff sei „militärisch angemessen“ gewesen. Diese Meinung revidierte er, später meinte Guttenberg gar, man könne bei dem Afghanistan-Einsatz „umgangssprachlich von Krieg“ reden.