Die designierte stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Hannelore Kraft wirft Union und FDP Wählertäuschung vor.
Hamburg. Die designierte stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Hannelore Kraft hat Union und FDP eine gezielte Irreführung der Wähler vorgeworfen. „Union und FDP bereiten eine Wählertäuschung vor“, sagte Kraft im Interview des Hamburger Abendblatts (Sonnabend-Ausgabe). „Sie werden ein weich gewaschenes Papier als Koalitionsvertrag vorstellen. Das wahre Programm, das die großen Einschnitte bringt, bleibt in der Schublade bis zum 9. Mai. Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen werden dann die Grausamkeiten verkündet.“
Der nordrhein-westfälische SPD-Chefin nannte es „abenteuerlich“, dass Union und FDP ungeachtet einer dramatischen Finanzlage steuerliche Entlastungen planten. „Anders als mit drastischen Einschnitten im sozialen Bereich wird sich die Null-Schulden-Grenze im Grundgesetz gar nicht einhalten lassen“, sagte Kraft, die voraussagte: „Nach dem 9. Mai bricht der Eissturm los.“
Kraft rief die Linkspartei zudem zur Aufarbeitung ihrer SED-Vergangenheit auf. „Es wäre hilfreich, wenn die Linkspartei ehrlich mit ihrer Vergangenheit umgehen würde. Eine Aufarbeitung ist bisher nicht erfolgt.
Kraft wertete den Rückzug von Oskar Lafontaine vom Vorsitz der Linksfraktion im Bundestag nicht als Erleichterung einer rot-roten Annäherung im Bund. „Lafontaine zieht sich ja nur aus der Spitze der Bundestagsfraktion zurück. Parteivorsitzender bleibt er“, sagte die nordrhein-westfälische SPD-Landesvorsitzende. „Die Frage, ob man eine Koalition bilden kann, auch eine rot-rote, hängt immer von zwei Dingen ab: inhaltliche Übereinstimmung und vertrauensvolle Zusammenarbeit der handelnden Personen.“
Kraft kritisierte zentrale Forderungen der Linken wie die Rücknahme der Rente mit 67 als unrealistisch: „Die Linkspartei ist die Antwort schuldig geblieben, wie eine Rückkehr zur Rente mit 65 finanziert werden soll. Die Linke weigert sich, die Realität in ihre Antworten einzubauen. Davon muss sich die SPD auch in Zukunft unterscheiden.“
Einer Koalition mit der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen nach der Landtagswahl im Mai erteilte Kraft eine Absage. „Mit einer Linkspartei, die solche Forderungen erhebt wie in Nordrhein-Westfalen, wird eine Zusammenarbeit nicht möglich kein“, sagte sie. „Auch von den Personen her ist die Partei in NRW weder koalitions- noch regierungsfähig.“
Allerdings beharrt auch Kraft auf Korrekturen an der Reformagenda 2010. So müssten die Regelungen zur Leih- und Zeitarbeit verändert werden. „Das Instrument, das wir geschaffen haben, wird von einigen Unternehmen missbraucht zum Lohndumping.“ Kraft widersprach SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der die Regierungsbilanz der Sozialdemokraten als gut bezeichnet hatte. Es habe Gesetzesvorhaben gegeben, die keine Gerechtigkeit hergestellt hätten.
Dies habe teilweise „zu einem massiven Vertrauensverlust der SPD geführt“, stellte die nordrhein-westfälische SPD-Landesvorsitzende fest. Die Frage, ob Steinmeier 2013 noch einmal als sozialdemokratischer Kanzlerkandidat antreten könne, wollte Kraft nicht beantworten: „Die Frage der Kanzlerkandidatur ist doch jetzt in dieser Situation wirklich nicht zu stellen.“ Kraft betonte: „Nach der schweren Niederlage bei der Bundestagswahl geht es darum, die SPD zu erneuern.“ Sie mahnte die neue Führungsspitze zur Geschlossenheit.