Was wird aus Peer Steinbrück? Nach dem Aus der Großen Koalition könnte der SPD-Politiker eine internationale Karriere starten.
Berlin. Vergangene Woche noch G20-Gipfel mit US-Präsident Barack Obama, künftig Bürgersprechstunde in Hilden: Peer Steinbrück muss wieder einmal den Job wechseln. Der erfolgreiche Krisenmanager der abgewählten schwarz-roten Koalition und Noch-Finanzminister wird künftig als SPD-Abgeordneter den Wahlkreis Mettmann in Berlin vertreten. Dabei hat es Steinbrück nicht einmal direkt geschafft, sondern nur über die NRW-Landesliste. Steinbrück – einer der erfolgreichsten und populärsten, aber auch umstrittensten SPD-Politiker – hat zwar erstmals ein Mandat für den Bundestag. Kaum vorstellbar aber, dass er sich in den nächsten vier Jahren „so viel und so gut wie möglich“ für die Bürger aus Mettmann einsetzt. Steinbrück als Hinterbänkler im Bundestag, geschnitten von der erstarkenden Partei-Linken? Den „Heulsusen“, wie der Noch-SPD- Vize seine Kritiker in den eigenen Reihen nannte. Schwer vorstellbar.
In seinem Element ist der 62-jährige Diplomvolkswirt, wenn er das große Rad drehen kann: Banken retten, Hedge-Fonds ärgern, sich mit Briten, Schweizern und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy anlegen. Gut möglich, dass Steinbrück, der fließend Englisch spricht, auf einen einflussreichen internationalen Posten wechselt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die den kühlen und blitzgescheiten Hanseaten mit dem lockeren Mundwerk vor allem in der Krise schätzen lernte, dürfte sich für Steinbrück stark machen. Zumal Deutschland bisher wenig in den Spitzen internationaler Gremien vertreten ist.
Selbst die Schweizer, denen Steinbrück im Streit um Steueroasen mit Peitsche und Kavallerie drohte, würde das wohl nicht stören. Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) lobte Steinbrück als ein „sympathisches politisches Talent“. Er „ist und bleibt einer der originellsten deutschen Politiker“. Keiner unterscheide sich markanter vom so oft beklagten Typ des faden Durchschnittspolitikers. Netzwerke aber waren nie etwas für den passionierten Schach- und Billardspieler, Vielleser und Filmfan. Gern und häufig wetterte der Mann mit dem britischen Humor gegen den ausufernden Lobbyismus. Eher unwahrscheinlich also, dass Steinbrück nun bei einer der zahllosen Interessenvertretungen der Wirtschaft anheuert.
Vielleicht drängt es ihn auch zurück zu den Wurzeln seiner Familie: Urgroßonkel Adelbert Delbrück hatte die Deutsche Bank mitbegründet. Allerdings zog Steinbrück später auch gern in seiner direkten und spöttischen Art über die Banker („Fuzzis“) her. Zu den Treffen seiner europäischen und G7-Kollegen in den nächsten Tagen wird Steinbrück nicht reisen. Ihn vertritt Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen. Mitte nächster Woche geht Steinbrück dann erst einmal für zehn Tage in Urlaub. Vor Jahren sagte er einmal: „Natürlich gibt es in der Politik Suchtgefahren. Ich habe aber im Zwiegespräch mit meinem Rasierspiegel festgestellt, dass ich nicht süchtig bin.“
Ob das stimmt, wissen Steinbrücks drei Kinder am besten, vor allem aber seine Frau Gertrud. Die Lehrerin an einem Bonner Gymnasium hatte ihrem Mann nach der Wahlniederlage als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen vor vier Jahren geraten, der Politik den Rücken zu kehren: Steinbrück wechselte dann aber nach Berlin. Nun kann er versuchen, seine Träume zu verwirklichen: „Ich möchte mal in einem Endspiel in Wimbledon stehen, einmal der Hauptdarsteller in einem Piratenfilm sein und mit Borussia Mönchengladbach Deutscher Meister werden“, sagte er in einem Chat. „Die Wahrscheinlichkeit dieser Wünsche tendiert leider gegen Null.“