Nach Berichten eines US-Senders hat das Weiße Haus hat am Mittwoch entschieden, kein Foto mit dem getöteten bin Laden zu veröffentlichen.
Washington/Islamabad/Hamburg. Das Weiße Haus wird nach Informationen des US-Senders CNN keine Fotos des getöteten Terroristenchefs Osama bin Laden veröffentlichen. Das habe die US-Regierung Mittwoch entschieden, berichtete der Sender.
Immer wieder wurden neue Details zur Kommandoaktion gegen den Terrorchef Osama bin Laden bekannt, die für neue Verwirrung sorgten. Denn das Weiße Haus hatte seine Darstellung von der Tötung des Al-Qaida-Chefs in Teilen revidiert. Direkt nach der Sensationsnachricht vom Tode bin Ladins waren immer wieder Details zu Anwesenden, zur Erschießung und zu den Umständen des Seal-Einsatzes an die Öffentlichkeit gelangt, die kurz darauf zurückgezogen werden mussten. Dazu hatten jedoch vor allem pakistanische Berichte beigetragen, in denen auch Fotos auftauchten. Die waren jedoch plumpe Fälschungen. Bin Ladin sei während der dramatischen Aktion in seinem pakistanischen Versteck nicht bewaffnet gewesen, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney.
Barack Obamas Sprecher Carney sagte: "Er war nicht bewaffnet.“ Allerdings seien andere Männer in dem Anwesen bewaffnet gewesen und hätten Widerstand geleistet. Bin Ladin sei bei einem "unberechenbaren Schusswechsel“ ums Leben gekommen. Carney bekräftigte, das Ziel des Einsatzes sei die Festnahme und nicht die Tötung bin Ladens gewesen. Wegen des "großen Widerstandes“ sei er aber erschossen worden.
Das Weiße Haus ruderte auch bei der angeblichen Tötung einer Ehefrau bin Ladins zurück. Anders als zunächst mitgeteilt, sei die Frau mit einem Schuss ins Bein verletzt worden, sagte Carney. Die Frau habe sich in demselben Zimmer befunden wie bin Ladin und sei auf die US-Soldaten zugestürmt. Damit rückte Washington auch von der Version von Anti-Terror-Berater John Brennan ab, wonach die Frau von ihrem Gatten als menschlicher Schutzschild missbraucht und so getötet worden sei.
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Ein US-Sonderkommando hatte bin Ladin in der Nacht zum Montag in seinem Anwesen in Abbottabad nahe der pakistanischen Hauptstadt Islamabad erschossen. Auf dem Gelände lebten laut Carney neben bin Ladin und einigen seiner Angehörigen noch zwei Familien; eine im ersten Geschoss des Hauptgebäudes, die andere in einem weiteren Haus. Bei der Kommandoaktion wurden nach Angaben des Weißen Hauses neben bin Ladin vier weitere Menschen getötet. Zwei Kuriere des Terrornetzwerks und eine Frau seien im ersten Stock des Hauptgebäudes getötet worden, während der Terrorchef und seine Angehörigen sich im zweiten und im dritten Stock aufgehalten hätten, sagte Carney. Bei dem fünften Getöteten handele es sich vermutlich um einen Sohn bin Ladins.
Zahlreiche US-Politiker debattierten darüber, ob ein Foto des Getöteten veröffentlicht werden sollte, um Verschwörungstheorien ein Ende zu setzen. Die Bilder seien „grauenvoll“, sagte Regierungssprecher Carney. CIA-Chef Leon Panetta sagte: „Ich denke, wir sollten dem Rest der Welt zeigen, dass wir in der Lage waren, ihn zu kriegen und zu töten.“ Die Entscheidung über eine Veröffentlichung liege aber beim Weißen Haus.
Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, bezeichnete die Debatte über eine Veröffentlichung von Fotos als „makaber“. Der republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus, Patrick Meehan, dagegen sagte, er hoffe, es könne „eine Art Foto“ veröffentlicht werden, „das keine Fragen dazu, was geschehen ist, offen lässt“.
Auch in Deutschland gibt es Aufregung um eine Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hatte die Tötung bin Ladens als „gute Nachricht“ bezeichnet. „Als Christin kann ich nur sagen, dass es kein Grund zum Feiern ist, wenn jemand gezielt getötet wird“, sagte die Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne).
Auch mehrere CDU-Mitglieder, darunter der Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (CDU), übten scharfe Kritik an den Äußerungen Merkels. Kauder kritisierte in der „Passauer Neuen Presse“ die Äußerungen Merkels: „Ich hätte es so nicht formuliert. Das sind Rachegedanken, die man nicht hegen sollte. Das ist Mittelalter.“ Kauder äußerte auch Zweifel an der rechtlichen Grundlage für die Tötung bin Ladens: „Eine willkürliche Tötung ist nach dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Freiheiten nicht erlaubt. Wenn man zu dem Ergebnis kommt, bin Laden war schon längst nicht mehr aktiv, könnte die Tötung willkürlich sein“, sagte der Rechtsausschussvorsitzende. Es bestehe „eine außerordentlich schwierige rechtliche Gemengelage“, die differenziert aufgearbeitet werden müsse. Hier seien die Vereinten Nationen gefordert.
Auch Unions-Fraktionsvize Ingrid Fischbach, ging zur Äußerung Merkels auf Distanz. „Aus christlicher Sicht ist es sicher nicht angemessen, Freude über die gezielte Tötung eines Menschen und dessen Tod zu äußern“, sagte die CDU-Politikerin, die auch dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken angehört.
Der Tod von bin Ladin bedeutet nach Angaben des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Ernst Uhrlau, „zunächst keinen Zuwachs an Sicherheit“. Die Gefahr des Terrorismus existiere weiter, „deshalb müssen die Sicherheitsbehörden weiterhin sehr wachsam sein“, sagte der Geheimdienst-Chef dem „Hamburger Abendblatt“. Dennoch bewertet Uhrlau den US-Einsatz als gelungen: „Die erfolgreiche Operation kann durch den Wegfall der Integrations- und Identifikationsfigur Osama bin Laden, in der weiteren Entwicklung zu einer nachhaltigen Schwächung von Kern-Al-Qaida führen.“ Eine Einflussnahme bin Ladens auf das taktisch-operative Tagesgeschäft des Terrornetzwerks sei zwar seit Längerem nicht mehr möglich gewesen. Sein Tod habe aber große Bedeutung, da bin Laden nicht nur innerhalb der Al-Qaida-Gesamtorganisation, sondern auch darüber hinaus eine „unangefochtene Rolle als zentrale Integrations- und Leitfigur“ innegehabt habe. Uhrlau rechnet nicht damit, dass es den Terroristen gelingt, diese Lücke schnell wieder zu füllen.
Der ehemalige US-Präsident George W. Bush hat unterdessen eine Einladung seines Nachfolgers Barack Obama zum gemeinsamen Besuch von Ground Zero in New York ausgeschlagen. „Präsident Bush wird am Donnerstag nicht zugegen sein“, zitierte die „New York Times“ Bushs Sprecher David Sherzer. Obama will sich am Donnerstag – vier Tage nach der Tötung bin Ladens – mit Angehörigen der Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 treffen. Bin Laden gilt als Hauptdrahtzieher der Anschläge, bei denen allein in New York etwa 2600 Menschen ums Leben gekommen waren. Bush habe die Einladung begrüßt, aber nach dem Ende seiner Amtszeit wolle er sich weitgehend aus dem Rampenlicht heraushalten, erklärte sein Sprecher.
In den USA ist harsche Kritik laut geworden, dass der Tod von bin Laden vom Militär durch den Codenamen „Geronimo“ bestätigt wurde. Geronimo war ein Häuptling der Apachen, der Ende des 19. Jahrhunderts mehrere Jahre gegen die Truppen der USA und Mexikos kämpfte, bis er sich 1886 schließlich ergab. Sein Kampf machte ihn zu einem der berühmtesten Indianer Nordamerikas. Die führende Beraterin des Senatskomitees für indianische Angelegenheiten, Loretta Tuell, erklärte, es sei völlig unangemessen Geronimo, „einen der größten Helden der indianischen Ureinwohner“, mit dem meist gehassten Feind der USA in Zusammenhang zu bringen. Tuell gehört dem Volk der Nez Perce an und wuchs in der Reservation des Stammes in Idaho auf.
Im pakistanischen Abbottabad hat die Polizei rings um das Anwesen, in dem Terrorchef Osama bin Laden aufgespürt und getötet wurde, die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Nachdem Hunderte Menschen zu dem Gelände geströmt waren, sperrte die Polizei das Gebiet für die Öffentlichkeit und für Medienvertreter weitläufig ab. Ein örtlicher Polizeivertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP, mehr als 300 Polizisten seien in Abbottabad und nahe des Anwesens „aus Sicherheitsgründen“ stationiert. Auch mehrere Militärs hielten Wache.
Mit Material von dpa, dapd, AFP