Hamburg. Wohin steuert die Stadt? Wie wollen wir leben? Was muss sich in Hamburg ändern? Den Anfang macht Senatorin Dorothee Stapelfeldt.

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Zur Grundsteinlegung schaute die Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt persönlich vorbei: Im Corona-sicheren Studio des Abendblatts stellte sich die 64-Jährige dem neuen Podcast-Format „Was wird aus Hamburg?“ – er widmet sich der Stadtentwicklung, will kontroverse Projekte diskutieren, Visionen aufzeigen und sich dabei stets um die Frage drehen, was Hamburg noch lebenswerter macht.

In der aktuellen Debatte um das Einfamilienhaus, das nach grün-roter Beschlusslage im Bezirk Nord zum Auslaufmodell erklärt worden ist, mahnt sie zur Besonnenheit: „Man muss bei dieser Diskussion unsere ganze Stadt betrachten“, sagt die SPD-Politikerin. „Die Stadt hat viele Einfamilienhäuser, Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Reihenhäuser. Sie alle gehören zu Hamburg, übrigens auch zu Hamburg Nord.“ Sie verweist darauf, dass noch heute Jahr für Jahr rund 1000 bis 1400 Ein- und Zweifamilienhäuser neu gebaut werden.

„75 Prozent der Hamburger Haushalte leben in Mehrfamilienhäusern“

„Es gibt viele unterschiedliche Wohnwünsche – und die muss man respektieren. Deshalb möchte ich nicht kritisieren, dass die Hansestadt viele Einfamilienhäuser gebaut hat“, sagt sie. „Wenn der Bezirk Hamburg-Nord nun seinen Schwerpunkt im Geschossbau setzt, ist dagegen aber überhaupt nichts zu sagen.“

Angesichts der weiterhin großen Nachfrage sieht sie hier eher die Zukunft. „75 Prozent der Hamburger Haushalte leben in Mehrfamilienhäusern“, sagt sie. „Da sollten wir uns vernünftigerweise auf den Geschossbau konzentrieren, gerade im innenstadtnahen Bereich. Das kann in der Fläche anders aussehen.“

Sie verweist auf die Bauoffensive, die in der Hansestadt seit einem Jahrzehnt läuft – und Beifall von Experten findet. „Hamburg ist mit seinen seit 2011 rund 75.000 neu gebauten Wohnungen längst zum Vorbild für Metropolen geworden“, lobt beispielsweise Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), der früher SPD-innenminister in Schleswig-Holstein war.

Stolz sagt Stapelfeldt, dass seit ihrem Amtsantritt 2015 fast 70.000 Wohnungen genehmigt und 44.600 davon fertiggestellt worden sind. Kritik an dem Mangel an Sozialwohnungen kontert sie mit Zahlen: „2020 kamen 3400 Sozialwohnungen dazu – damit sind wir in Bezug auf die Bevölkerung in Deutschland führend.“ Trotzdem gibt die SPD-Politikerin zu: „Das langt nicht. Das wissen wir auch. Es ist eine unserer Kernaufgaben für dieses Jahrzehnt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“

Bezahlbarer Wohnraum: „Das ist ein unglaubliches Pfund"

In der Hansestadt vermieten die Wohnungsbaugenossenschaften und die Saga fast 270.000 Wohnungen zu günstigen Konditionen – die Durchschnittsmieten liegen bei 7,05 Euro beziehungsweise 6,84 Euro. „Das ist ein unglaubliches Pfund, das wir in der Stadt haben“, lobt die Senatorin.

Zuletzt wurden Stimmen lauter, dass die Städte – noch verstärkt durch die Pandemie – an Glanz verlieren: Gerade junge Familien drängen ins Umland. Durch Corona ist der eigene Garten plötzlich noch wertvoller, während die städtische Infrastruktur vom Café bis zum Theater im Lockdown verharrt. Auch das Homeoffice macht das Haus im Grünen attraktiver: Manche Metropolen mussten 2020 den ersten Bevölkerungsrückgang seit Jahren hinnehmen.

Neubauten an der Oliver-Lissy-Straße in Eidelstedt: Eimsbüttel lag in diesem Jahr als nur einer von vier Hamburger Bezirken über dem vereinbarten Wohnungsbauziel.
Neubauten in Eidelstedt: Eimsbüttel lag 2020 als nur einer von vier Hamburger Bezirken über dem vereinbarten Wohnungsbauziel. © Imago/Hoch Zwei Stock/Angerer | Unbekannt

Trotzdem will Stapelfeldt bei den ambitionierten Planungen bleiben. „In dieser Legislaturperiode werden wir auf jeden Fall 10.000 Wohnungen jährlich auf den Weg bringen – und ich bin dafür, diese Marke auch über 2025 hinaus anzustreben. Wir müssen vorausschauend planen.“ Sie verweist auf Prognosen, die in den kommenden Jahren ein weiteres Bevölkerungswachstum voraussagen. „Ich glaube nicht an ein Ende der Renaissance der Städte. Die Qualitäten der Metropolen wirken weiter, gerade junge Menschen suchen die kurzen Wege, gute Schulen und Kitas, die soziale Infrastruktur. Ich glaube nicht, dass eine großen Anzahl ins Umland zieht.“

Stapelfeldt sorgt sich um die Hamburger Innenstadt

Die Pandemie dürfte das Arbeitsleben nachhaltig verändern: Das Homeoffice wird wichtiger, manche Wege und Pendlerströme werden entfallen. „Es wird sicher auch Veränderungen beim Büroraum geben – darin liegen aber auch Chancen.“

Sorgen macht sich die SPD-Politikerin um die Innenstadt – schon vor dem monatelangen Lockdown war die City in der Krise, wie vor allem die Schließung der großen Häuser an der Mönckebergstraße zeigt: Sowohl Karstadt Sport als auch Kaufhof schlossen 2020 ihre Pforten. Die Pandemie verschlimmert die Krise, weil in Hamburg die besonders betroffene Bekleidungsbranche stark vertreten ist. Sie habe sich kürzlich mit Einzelhändlern getroffen, erzählt Stapelfeldt. „Das Bild, das wir da bekommen haben, ist bedrückend.“

Nach mehr als 50 Jahren schloss Galeria Kaufhof im Klöpperhaus an der Mönckebergstraße Ende 2020 die Türen.
Nach mehr als 50 Jahren schloss Galeria Kaufhof im Klöpperhaus an der Mönckebergstraße Ende 2020 die Türen. © Unbekannt | Andreas Laible

Sie rät dazu, die Innenstadt in Zukunft „nicht allein auf Konsum und Handel zu reduzieren“. Auch andere Funktionen bringen Frequenz in die Stadt: Behörden, Theater, Kinos, der Bahnhof. „Natürlich wäre es wünschenswert, dass wir wie in den 50er-Jahren auch wieder Musikclubs in der Spitaler Straße hätten.“ Sie bedauert zudem, dass manche Kinos schließen mussten. „Kultureinrichtungen sind wichtig, damit auch noch am Abend etwas in der Stadt passiert.“ Zugleich drängt die Senatorin darauf, dass wieder mehr Menschen in die Stadt ziehen.

15.000 Menschen leben inzwischen in der Innenstadt

Hamburgs Innenstadt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten geradezu entleert: Lebten 1880 noch 171.000 Menschen in der Innenstadt, waren es zur Jahrhundertwende noch 137.000, bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 66.000 Bewohner. Diese Zahl rutschte bis Ende der 70er-Jahre auf nur noch 12.000 Menschen. Inzwischen ist die Trendwende geschafft, heute leben dort wieder rund 15.000 Menschen.

700 Wohnungen sind in Planung oder im Bau: „Wir brauchen sehr viel mehr Wohnen in der Stadt. Wir schauen, dass bei allen Projekten, die beim Oberbaudirektor auf den Schreibtisch kommen, ein Anteil von Wohnen dabei ist“, sagt Stapelfeldt. „Das kann auch noch mehr werden – denn Wohnen trägt zur Belebung und Attraktivität der Stadt bei.“

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Klar ist, dass es dauern dürfte, bis die City sich von Corona erholen werde: Offen zeigte sich Stapelfeldt für Ideen eines Centre Pompidou in einem der ehemaligen Kaufhäuser. „Man muss schauen, ob sich das umsetzen lässt.“ Die Besitzer müssten zu deutlichen Abstrichen bereit sein – wenn sich schon ein Kaufhaus nicht mehr rechnet, wird sich ein temporäres Kulturzentrum sicherlich nicht allein tragen können. „Wir sollten offen sein: Für einen bestimmten Zeitraum sollten wir Übergänge gestalten, um Leerstand zu verhindern, etwa mit der Kreativgesellschaft.“

Auch die Behörden müssten solche Umnutzungen mit einem großzügigen Genehmigungsprozess unterstützen. Die Stadt sei bereit, mit Initiativen und Geld zu helfen, stellte die Senatorin klar. Eine Aufgabe sieht sie darin, die City attraktiver zu gestalten, etwa mit einer Verbesserung der Plätze: „Wir werden den Burchardplatz oder den Hopfenmarkt noch schöner machen.“ Zugleich seien auch die Grundeigentümer gefordert – sie müssten ihre Renditeerwartungen kritisch überprüfen. Eine Abkehr von der autoarmen Innenstadt lehnt sie ab. Sie sieht auch hier Potenzial für Neugestaltung für Kultur, Wohnen oder Gewerbe, etwa bei leerstehenden Parkhäusern.

Frei finanzierte Wohnungen auf dem Holsten-Areal?

Zum Abschluss des Podcasts sprach die Senatorin über fünf Großprojekte in der Stadt: Das Holsten-Areal neben der Neuen Mitte entwickelt sich immer mehr zum Ärgernis Nummer 1 – beim ersten Verkauf des Grundstücks hieß es, 2021 sollten die ersten Menschen in Altona Häuser beziehen. Doch bislang ist nicht passiert. „Das Grundstück ist weitergereicht worden, der Preis ist gestiegen und damit sind auch die Anforderungen des Investors gewachsen“, kritisiert Stapelfeldt.

Sie fordert, dass dort frei finanzierte Wohnungen entstehen können, die sich die Menschen leisten können. „Unsere Aufgabe als Stadt lautet, bezahlbares Wohnen durchzusetzen. Meine Forderung an den Investor ist, sich zur Stadt und zum Standort zu bekennen und nicht die Idee zu verfolgen, es an irgendwelchen Immobilienmärkten weiter zu veräußern, wenn er das Planrecht hat. Das gilt im Übrigen für alle Quartiere in der Stadt.“

Elbtower werde "eine Bereicherung für die Stadt"

Die Frage, ob Hamburg den 245 Meter hohen Elbtower an den Elbbrücken, Deutschlands dann dritthöchster Wolkenkratzer, benötigt, beantwortet sie mit einem klaren Ja. „Das ist ein besonders Projekt und wird eine Bereicherung für die Stadt.“ Den neuen Standort für den Elbdome mochte die Senatorin nicht preisgeben – nur so viel: „Es wird im Süden der Stadt sein“. Es gebe Machbarkeitsstudien und Analysen, aber die finale Entscheidung brauche noch einige Monate. „Bislang ist die Veddel präferiert worden – ein Platz, auf dem auch der Busbetriebsbahnhof der Hochbahn entstehen soll. Unsere Aufgabe ist jetzt, zwei Ideen weiterzuentwickeln und eine gute Entscheidung für alle zu treffen.“

An den Elbbrücken soll der 245 Meter hohe Elbtower entstehen.
An den Elbbrücken soll der 245 Meter hohe Elbtower entstehen. © picture alliance / SIGNA_Chipper | dpa Picture-Alliance / SIGNA_Chipperfield

Zuversichtlich äußerte sich Stapelfeldt über die Entwicklung und den Planungsstand des Kleinen Grasbrook als Scharnier zwischen dem Norden und dem Süden der Stadt. „Dort können wir zeigen, was eine gemeinsame Stadtentwicklung mit dem Hafen bedeutet.“ Hafenflächen, die nicht mehr genutzt werden, bergen großes Potenzial: „Wenn wir es schaffen, einen neues Stadtteil mit Wohnen und Gewerbe in Nachbarschaft zu Industrie und Hafen aufzubauen, wäre das ein sehr gutes Beispiel, was in Zukunft möglich ist.“

Ein Herzensanliegen ist für die Senatorin das Thema Baukultur. „Davon brauchen wir mehr. Die gebaute Umwelt ist wichtig für das Wohlbefinden“, sagt die Kunsthistorikern auf die Frage nach ihrem persönlich wichtigsten Projekt. „Gerade bei der Schnelligkeit, mit der sich die Stadt wandelt, ist es wichtig, innezuhalten und über die Qualität nachzudenken, bei allem, was gebaut wird.“