Hamburg. Handel verliert an der Mönckebergstraße mit Kaufhof und Karstadt Sports zwei Magnete. Der Onlinehandel legt stark zu.
Hamburgs Haupteinkaufsmeile steckt mitten in einem tiefen Wandel. An der Mönckebergstraße musste Karstadt Sports schließen. Das bedeutete bereits im Sommer ein fast leer gekauftes Haus mit abgesperrten Abteilungen. Ein paar Meter weiter das Kaufhof-Haus – ebenfalls ohne Perspektive. Überall stießen die Kunden beim Bummel durch die City auf große rote Rabattschilder und auf Verkäuferinnen, denen die Unsicherheit über ihre berufliche Zukunft in die Gesichter geschrieben stand.
Hamburger City: Misere des Karstadt-Konzerns wird Einkaufserlebnis verändern
Das Ende etlicher Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof wird in der City und anderen Quartieren der Stadt große Lücken reißen. Denn oft wirkten die traditionsreichen Häuser wie Magnete für die Kunden, die im Anschluss auch umliegende Läden besuchten. Dazu kommt: Die Zukunft der Immobilien ist in vielen Fällen ungewiss, oft droht monatelanger Leerstand. Auch die Versuche des Senats, die Innenstadt wieder in einen Ort zum Wohlfühlen und Verweilen zu verwandeln – etwa mit der Sperrung des Jungfernstiegs für den privaten Autoverkehr – werden von vielen Kaufleuten mit (An-)Spannung beobachtet.
Klar ist eines: Die Misere des Karstadt-Konzerns wird das Einkaufserlebnis in Hamburg nachhaltig verändern. Und Corona dürfte vielen weiteren Händlern den Todesstoß versetzen. Gleich zweimal, erst ab Mitte März und dann noch einmal im Winter, mussten die Läden wegen der Pandemie wochenlang schließen. Verwaiste Fußgängerzonen waren und sind die Folge.
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Trend zum Homeoffice setzt der Modebranche zu
Beim Hamburger Betreiber von Einkaufscentern, der ECE, arbeiten die Mitarbeiter der Verwaltung in Poppenbüttel immer wieder reduzierte Mietverträge aus. Ohne diese Zugeständnisse hätten viele Läden etwa in der Europapassage oder im AEZ schon längst geschlossen.Gerade im Modebereich, der wegen des Trends zum Homeoffice und ausgefallenen Feiern ohnehin einen schweren Stand hat, sind viele Marken in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Auch hier sind große Häuser in Hamburger Toplagen betroffen. So wie der Anbieter von Damenmode, Appelrath Cüpper, der noch vor Weihnachten seine Blusen und Blazer mit 50 Prozent Nachlass verkaufte. Im preiswerten Segment hat die Kette Pimkie ein Schutzschirmverfahren beantragt. Tom Tailor mit Sitz der Zentrale in Niendorf meldete im Sommer Insolvenz an.
Auch Firmen wie Peek & Cloppenburg wollen Personal abbauen
Auch der Hamburger Modeschmuckfilialist Bijou Brigitte bekam zu spüren, dass sich potenzielle Kunden weniger um ihr Aussehen kümmern, wenn sie den halben Tag mit einer Maske im Gesicht verbringen. Der Anbieter von Accessoires wie Armreifen und Ohrringen schraubte seine Umsatzerwartungen für das laufende Geschäftsjahr herunter. Die Hamburger Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord brachte die desolate Lage im Einzelhandel bei der Weihnachtspressekonferenz auf den Punkt: „Ein Drittel der Unternehmen ist in der Existenz bedroht“, warnte Brigitte Nolte. Sie rechnet in den nächsten Monaten mit einem weiteren Anstieg der Insolvenzen in der City.
Dabei müssen nicht nur die Beschäftigten der bekannten Sorgenkinder wie Galeria Karstadt Kaufhof um ihre Existenz bangen. Auch Firmen wie Peek & Cloppenburg wollen in der Zukunft Personal abbauen, ergab die Umfrage des Abendblattes.
Arbeitslosigkeit im Hamburger Einzelhandel 2020 um 22,4 Prozent gestiegen
Insgesamt ist die Arbeitslosigkeit im Hamburger Einzelhandel im Jahresverlauf um mehr als 1.500 Beschäftigte oder 22,4 Prozentpunkte gestiegen. Die Situation könnte sich noch verschärfen, denn die jetzt geplanten Staatshilfen für von Schließungen betroffene Geschäfte bemängeln Verbände als nicht ausreichend
Gewinner ist wie in den Vorjahren der Online-Handel. Das Shoppen im Internet bekam durch die Zwangsschließungen der Geschäfte erneut einen Schub. Der Handel im Netz legte in Deutschland im zu Ende gehenden Jahr um 18 Prozent auf 70 Milliarden Euro zu. Allein im Norden erreicht das digitale Geschäft ein Volumen von 5,7 Milliarden Euro; dies verdeutlicht den Wunsch vieler Bürger nach kontaktlosem Einkaufen in Zeiten der Pandemie.
Amazon, Ebay und Co sind nicht die einzigen Profiteure
Nicht nur US-Konzerne wie Amazon und Ebay wachsen beim E-Commerce, auch die Hamburger Handelsgruppe Otto profitiert. Mit voraussichtlich zweistelligen Umsatzzuwächsen rechnet der Konzern in diesem Geschäftsjahr. „Wir haben für die ganze Gruppe ein wirklich sehr schönes Weihnachtsgeschäft“, sagte Vorstandsmitglied Marcus Ackermann. Viele bestellen in Zeiten von Corona Hanteln und Fahrräder im Netz, etliche Hamburger wollen trotz geschlossener Fitnessstudios und ausfallendem Fußballtraining weiter Sport treiben und kaufen die entsprechende Ausstattung bei Amazon & Co.
„Die Nachfrage nach Heimsportprodukten hat sich vervierfacht, und es werden zeitweise zehnmal so viele Kraftsportgeräte bestellt“, sagte bereits im Frühjahr Anne Remy, Sprecherin von Otto. Stark nachgefragt waren bei dem Konzern mit Sitz in Bramfeld auch Möbel sowie Küchen- und Badausstattungen. Denn eine Wohnung zum Wohlfühlen wird den Deutschen in Zeiten des Virus immer wichtiger. Den ordentlichen Erlösen entsprechend soll der Personalbestand laut Umfrage im nächsten Jahr auf gleichem Niveau bleiben.
Zu den Gewinnern zählten auch Baumärkte
Gute Umsätze meldeten in diesem Jahr auch Supermärkte und Discounter. Geschlossene Restaurants und viele Berufstätige, die zu Hause arbeiten und selber kochen, trieben die Erlöse bei Lebensmitteln in die Höhe. Immer wieder sorgten dabei Hamsterkäufe, etwa bei Hefe und Haferflocken, für leere Regale. Branchenprimus Edeka mit Sitz in der City Nord eröffnete neue Läden wie durch Kaufmann Lars Tamme an der Spitaler Straße. Auch in Zukunft will die genossenschaftlich organisierte Gruppe weiter wachsen und Beschäftigte einstellen. Zu den Gewinnern zählten auch Baumärkte. Gefragt waren Pflanzen, Gartenhäuschen und sogar Pools. Denn viele Bürger griffen während der Kurzarbeit oder in der Quarantäne zu Schaufel und Säge. Sie wagten sich an Projekte, die das eigene Zuhause aufwerten sollen, den scheinbar letzten sicheren Platz in unsicheren Zeiten der Pandemie.
Viel Arbeit droht rund um den Jahreswechsel auch den Händlern. Denn sechs Monate nach der befristeten Senkung der Mehrwertsteuer müssten die Preise ab Januar 2021 eigentlich wieder steigen. Denn die Mehrwertsteuer wird von 16 auf 19 beziehungsweise von fünf auf sieben Prozent auf das alte Niveau angehoben.