Stade. War es das mit dem 20-Millionen-Projekt für Surfer und Wellenreiter bei Hamburg? Welche Rolle Bordelle im jüngsten Gerichtsspruch spielen.
Wassersportler aus dem Raum Hamburg müssen nach einem neuen Gerichtsurteil noch länger auf den ersehnten Surfpark in Stade warten. Ihnen bleibt nur zu hoffen, dass den Investoren in das ambitionierte 20-Millionen-Euro Projekt zwischenzeitlich nicht die Luft beziehungsweise die Lust ausgeht. Die Initiatoren tun alles, um die Geldgeber bei der Stange zu halten und wollen weiterhin um ihren Surfgarten kämpfen.
Surfer-Brüder aus dem Alten Land kämpfen seit 2016 für Surfpark
Damit haben Jan und Dirk Podbielski nämlich jahrelange Erfahrung. Seit 2016 sind die Brüdern aus dem Alten Land in Sachen Surfpark am Ball. Die beiden leidenschaftlichen Surfer, die hauptberuflich im Bereich der Erneuerbaren Energien tätig sind, wollen mit dem 20-Millionen-Vorhaben auf einem fünf Hektar großen und ehemals landwirtschaftlich genutzten Areal an der Kreisstraße 30 ein 20.000 Quadratmeter großes Surfbecken mit verschiedene Surfzonen bauen, in dem Wassersportlern mit bis zu 1000 künstlich erzeugten Wellen pro Stunde optimale Bedingungen zum Wellenreiten vorfinden sollen. Der Surfgarten in Stade wäre Deutschlands erster Surfpark in dieser Form, die Besucher sollen bis zu 2,40 Meter hohe Wellen „reiten“ können. Geplant sind zudem eine Freizeitanlage, Gastronomie, ein Shop und eine Surf-Schule. Ursprünglich sollte der Surfpark bereits 2024/2025 eröffnen.
BUND hat Bedenken hinsichtlich des Natur- und Klimaschutzes
Während das Projekt von einer großen Ratsmehrheit sowie der Stadt Stade und dem Landkreis Stade von Anfang an gefördert wurde und nach wie vor begrüßt wird, geht der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) im Kreis Stade gegen den Surfpark aufgrund von Bedenken hinsichtlich des Natur- und Klimaschutzes vor. Auch, nachdem das Mammutprojekt im Anschluss an ein über Jahre laufendes baurechtliches Genehmigungsverfahren Anfang 2023 das Baurecht erhalten hatte und der Bau des Surfparks Ende 2023 begann.
An Surfpark-Standort soll eigentlich Großindustrie
Ende April mussten die Arbeiten allerdings wieder eingestellt werden, weil der BUND Eilklage gegen die Baugenehmigung eingereicht hatte, in deren Folge das Verwaltungsgericht Stade einen Baustopp verhängte. Dieser wurde jetzt vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg verlängert. Allerdings nicht, weil das Gericht die vom BUND vorgebrachten umweltbezogenen Bedenken teilen würde, sondern weil der Standort des Surfparks laut Gericht als Vorranggebiet für Großindustrie anzusehen ist.
Industriefläche kontra Fläche für Freizeitspaß
Autsch. Die Richter sagen also quasi, dass die Surfpark-Planer hinsichtlich des Natur- und Umweltschutzes alles richtig gemacht haben, das Projekt aber mit der aktuellen Raumordnung nicht vereinbar sei, weil es ein Areal zerstückele, das planerisch als Industriefläche vorgesehen ist. Das jetzt schriftlich vorliegende Urteil stellt klar auf diese Unvereinbarkeit des Surfparks mit dem Vorranggebiet Industrie und Gewerbe ab. Der BUND feiert das Urteil trotzdem. „Wir begrüßen, dass der Baustopp weiter bestehen bleibt. Der Gewerbe- und Surfpark wäre in der freien Kulturlandschaft als Fremdkörper erschienen und hätte das Landschaftsbild nachhaltig geschädigt“, meint Heiner Baumgarten, Kreisvorsitzender des BUND Stade.
Planung in Bezug Arten- und Klimaschutz wasserdicht
Das sehen die Podbielski-Brüder naturgemäß komplett anders: „Wie bereits in der mündlichen Verhandlung durch das Gericht sehr klar kommuniziert und nun noch einmal schriftlich bestätigt wurde, ist unsere Planung insbesondere in Bezug auf die Themen Arten- und Klimaschutz in sämtlichen Punkten in Ordnung und die Argumentation des BUND war und ist hier gänzlich unzutreffend“, sagt Jan Podbielski. Dass der BUND mit einem formalen Argument durchgedrungen sei, nach dem der Standort des Surfparks als Vorranggebiet für Großindustrie anzusehen sei, zeige die Absurdität in der Argumentation und der Vorgehensweise des Umwelt- und Naturschutzbundes.
Initiator beklagt „destruktive Vorgehen des BUND Stade“
Der BUND Stade gehe gegen ein Projekt vor, das in die Region investiere, den regionalen Tourismus fördere, Arbeitsplätze schaffe und vor allem auch Kindern und Jugendlichen in der Region eine neue und attraktive Sport- und Freizeitmöglichkeit biete, so Podbielski. „Unser Vorhaben ist von den Behörden genehmigt und von der Politik mit einer 80-prozentigen Mehrheit durch den Stader Rat demokratisch legitimiert. Das kümmert den BUND als gemeinnützigen Verein aber offensichtlich nicht. Er nutzt sein umweltbezogenes Klagerecht, um mit Spendenmitteln einer Bürgerinitiative und dem ,Großindustrie‘-Argument für emissionsstarkes Gewerbe einzutreten und gegen ein emissionsarmes Projekt des Freizeitgewerbes vorzugehen“, ärgern sich die Brüder.
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Ob diese Vorgehensweise im Sinne der Idee eines Umweltverbandes sei, erscheine äußerst fragwürdig. „Wir sind überzeugt, dass Projekte für regionalen Tourismus, Freizeit, Sport und soziales Miteinander wichtig sind“, sagt Jan Podbielski. „Das destruktive Vorgehen des BUND Stade und der negativen Nein-Sager können wir nicht nachvollziehen.“
Brüder wollen ihr Herzensprojekt nicht aufgeben
Aufgeben wollen die Surfer-Brüder aber nicht. „Der Gerichtsprozess hat unser Projekt zwar verzögert, aber die Ergebnisse geben uns Klarheit in Bezug auf unsere Planung und Sicherheit für die erfolgreiche Umsetzung“, sagt Dirk Podbielski. „Wir arbeiten nun weiter an der Realisierung des Surfgartens und werden dies wie gehabt mit viel positiver Energie tun.“
Bauarbeiten sollen nächstes Jahr weitergehen
Es sei gut, dass nun die schriftliche Urteilsbegründung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vorliege. „Auf dieser Grundlage wird die Hansestadt Stade die notwendigen Schritte einleiten und den Bebauungsplan heilen, so dass wir die Bauarbeiten so schnell wie möglich wieder aufnehmen können“, sind die Brüder überzeugt. Sie hoffen, im Laufe des nächsten Jahres mit den Bauarbeiten endlich richtig loslegen zu können. So gesehen, sei das Urteil sogar gut: „Der Gerichtsprozess hat uns zwar verzögert aber die Ergebnisse geben uns Klarheit in Bezug auf unsere Planung und Sicherheit für die erfolgreiche Umsetzung“, sagt Dirk Podbielski.
BUND sieht sich durch Gerichtsurteil bestätigt
Aber auch der BUND sieht sich durch das Ggericht bestätigt: „Das Urteil dient dem Schutz der Landschaft vor weiterer Versiegelung und stärkt die Position des BUND zu einer dringend notwendigen Reduktion unseres Flächenverbrauchs“, meint BUND-Landesgeschäftsführerin Tonja Mannstedt. „Auch wenn das Gericht seine Entscheidung primär nicht auf Natur- und Artenschutz begründet hat, so hat es doch die zahlreichen Fehler in der Abwägung für andere Belange, die vom BUND auch vorgetragen wurden, als so gravierend angesehen, dass der B-Plan keine Rechtswirksamkeit entfalten kann“, so Mannstedt.
Kleiner „Fun Fact“ am Rande: Das Gericht monierte in seinem Urteil auch, dass die Ansiedlung von Bordellen im städtischen B-Plan für das Gewerbegebiet, in dem der Surfpark gebaut werden soll, nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde...