Undeloh. Früher waren sie bei Shell oder der Polizei, heute bauen sie Bänke fürs Dorfidyll. Über sechs Senioren, die ihr Lebensglück gefunden haben.
Am Rande der dritten Etappe des Heidschnuckenwegs, mitten im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide, liegt Wehlen, ein Dörfchen in der Nähe von Undeloh, das wie aus der Zeit gefallen wirkt: Bauernhöfe mit Fachwerkgebälk unter uralten Eichen, und dort, wo die Seeve sprudelt und gluckst: eine Bank mit bester Aussicht. Für erschöpfte Wanderer oft die letzte Rettung, für Radfahrer ein beliebter Zwischenstopp.
Doch der Zahn der Zeit nagte an dem Liebling vieler Outdoorfans. Und plötzlich – war die Bank weg. Um nur wenige Wochen später durch ein neues Prachtstück ersetzt zu werden: Solide, bequem, aus bestem Eichenholz und in Zeiten leerer Kommunalkassen schlichtweg ein kleines Wunder. Wie ist es dazu gekommen?
Lüneburger Heide: Coole Rentner-Gang hilft selbst den Nacktwanderern am Heidschnuckenweg
Lautes Hämmern dringt aus einer Scheune in Sahrendorf bei Undeloh. „Jo, dat passt“, ruft eine Männerstimme. Sie gehört zu Wilhelm Meyer, der die Scheune und einen früheren Getreidespeicher gepachtet und zur Werkstatt umfunktioniert hat. Für einen guten Zweck. Denn an diesem regnerischen Vormittag haben sich hier sechs Senioren getroffen, um gemeinsam eine Bank zu bauen.
Früher waren sie Polizist, Finanzbeamter oder Landwirt. Heute werkeln sie für ihr Dorf, für die Gemeinschaft, und natürlich auch für die vielen Touristen im Herzen der Heide. „Nu man tau“, so nennen sie ihre Gruppe, die kein Verein ist, keine Beiträge erhebt, aber viel Engagement von ihren Mitgliedern verlangt. Schon 42 Bänke an den schönsten Plätzen in und um Undeloh hat „Nu man tau“ aufgestellt.
Überall, wo es hakt im Touristenort Undeloh, ist „Nu man tau“ zur Stelle
Nicht lang schnacken, einfach machen – diese pragmatische Einstellung brachte die Senioren im Jahr 2018 zusammen, als der Teich vor dem Hotel Heiderose in Undeloh erneuert werden sollte. „Wir haben der Gemeinde dabei geholfen“, erklärt Wilhelm Meyer. Der 72-Jährige war bis vor kurzem als Qualitätsprüfer der Firma Shell im In- und Ausland unterwegs. „Helfen“ – das bedeutete, den alten Teich auszuheben, die Fische umzuquartieren, den Wanderweg, der das Kleinod in der Dorfmitte umgibt, neu zu befestigen und dabei 6,5 Tonnen Kies zu verteilen.
Hat funktioniert. Ebenso wie die Pflasterung des Platzes vor dem Verkehrsverein des Ortes, den „Nu man tau“ ebenfalls übernahm. Überall, wo es hakt im Touristenort, wo Schilder erneuert, Unterstände repariert und – natürlich – Bänke ersetzt werden müssen, sind die Mitglieder von „Nu man tau“ zur Stelle und packen an.
Das Holz, das die Männer bearbeiten, stammt manchmal aus Spenden. Auch ganze Eichen fällt das ehrenamtliche Team bei Bedarf, holt sie vom Hof und schafft sie zum Sägewerk. Alles freiwillig und ohne Honorar. Selbst delikate Spezialaufträge werden diskret erfüllt: Wenn die Nutzer des Naturistenwegs mäkeln, dass die Bänke doch glatter sein müssten, ein nackter Po und auch das Drumherum seien schließlich empfindlich, rücken die Oldies doch tatsächlich mit dem Hobel an.
Berührend: Viele touristisch wichtige Projekte finanzieren die Senioren aus eigener Tasche
Zuweilen erhält die multiaktive Gruppe einen Zuschuss vom örtlichen Verkehrsverein. Auch kommt es vor, dass Undeloher Bürger sich für ihren Lieblingsplatz in der Heide eine Bank wünschen. „Für 300 Euro Spende realisieren wir diesen Wunsch“, erklärt Meyer. Und fügt schmunzelnd hinzu: „Bedingung ist natürlich, dass der Bankbesitzer auch mal andere drauf lässt.“
Viele touristisch wichtige Projekte finanzieren die Senioren aus eigener Tasche. Der Stolz auf die eigene Leistung, die Freude daran, etwas für die Dorfgemeinschaft tun zu können und auch der Spaß in der Gruppe halten „Nu man tau“ zusammen. „Jedes Mal, wenn wir uns treffen, haben wir hinterher etwas geschafft und geschaffen, das ist ein gutes Gefühl“, beschreibt Norbert Person.
Lesen Sie auch
- Wandern auf dem Heidschnuckenweg: In elf Etappen zum Glück
- Heidschnuckenweg: Der Wilseder Berg – ein echter Höhepunkt
- Von Buchholz nach Handeloh: Mystische Feenteiche und ein Heide-Moor
Während die Männer in der Scheune Holzteile montieren, werden im benachbarten Getreidespeicher richtig dicke Bretter gebohrt. Ein Höllenlärm. Mittendrin Klaus Burmester mit einem strahlenden Lächeln. Der 85-Jährige war früher der Kaufmann von Undeloh, fuhr mit seinem Bus über die Dörfer, um die Bewohner von Wesel bis Wilsede mit Dingen des täglichen Bedarfs zu versorgen. Nun kommt er regelmäßig zu den Treffen und hilft, wo er kann. Was ihm daran gefällt: „Es ist zwanglos, man bleibt aktiv und gesund.“
Streit ist in der Gruppe ein Fremdwort, Gemeinschaft steht im Vordergrund: Jedes Mal wird zusammen gegessen, manchmal zusammen gefeiert. „Nu man tau ist offen für alle, die anpacken wollen, handwerkliche Kenntnisse sind kein Muss, denn wir bringen uns gegenseitig alles bei“, sagt Wilhelm Meyer. Er ist zu erreichen unter Tel. 0171/346 9359.