Lüneburger Heide. Ein Sammelsurium an seltenen Tieren und historische Einblicke. Und dazwischen? Die höchste Erhebung der Lüneburger Heide. Teil 5 der Wander-Serie

Die höchste Erhebung der Lüneburger Heide erklimmen – das mag wie ein ambitioniertes Tagesziel klingen. In Wahrheit ist der Wilseder Berg (169,2 m) aber nicht die große Herausforderung, die Wanderinnen und Wanderer auf der 5. Etappe des Heidschnuckenwegs erwartet, sondern vielmehr ein belohnendes Highlight. Ein Marsch durch die größten Heideflächen Europas ist genau das richtige, nachdem es die zwei vorherigen Wandertage eher regnerisch-trüb war. Nach dem kurzweiligen Ausflug ins Pietzmoor bei Schneverdingen ist die Motivation meinerseits groß, das historisch anmutende Undeloh in Richtung Niederhaverbeck zu verlassen und dem großen Ziel am Celler Schloss wieder einen Tagesmarsch näher zu kommen.

Dabei geht es direkt los auf den Heide-typischen Sandwegen – die besonders für Insekten einen wertvollen Lebensraum bieten - zwischen Kuhweiden und Besenheide durchs Radebachtal. Laut meinem persönlichen Wanderplan soll es heute bis nach Bispingen gehen (30 km). Allerdings ist es je nach körperlicher Fitness auch möglich, die Etappe in Wilsede (9 km), Niederhaverbeck (14 km) oder Behringen (22 km) zu beenden.

Traditionsreiche und seltene Tierrassen gibt es auch zu sehen

Traditionsreiche und seltene Tierrassen gibt es auch zu sehen. Bereits wenige hundert Meter außerhalb des Dorfes ist schon das mittlerweile bekannte Schafsblöken jenseits der sanften, mit Wacholder und Heidekraut bewachsenen Hügel zu hören. Allerdings ist die Heidschnuckenherde diesmal so weit entfernt, dass es bei einer Bewunderung aus der Ferne bleiben muss. Der Versuch näher an die Herde zu gelangen scheitert zwar, der kleine Umweg führt jedoch zu einem großen Schafstall, der ganz in Lüneburger Manier mit einem traditionellen Reetdach gedeckt ist und in jedem Fall einen beeindruckenden Anblick bietet.

Richtung Wilsede führt der Weg weiter durch idyllische Heideflächen, entlang der Strecke gibt es sogar noch einige andere Tiere zu bestaunen: Beispielsweise grasen einige Dülmener Pferde – eine der ältesten deutschen Pferderassen und 2014 zur „Gefährdeten Nutztierrasse des Jahres“ gekürt – gemütlich und ungestört auf einer Weide. Dabei tragen die hier in den 90ern angesiedelten Vierbeiner – ähnlich wie die hier lebende Rinderrasse der Wilseder Roten und natürlich auch die Heidschnucken – ihren Teil zur Landschaftspflege bei, indem sie das Zuwachsen der Heide mit fleißiger Arbeit ihrer kräftigen Kiefer verhindern.

Alte Schafställe sieht man in diesem Abschnitt des Heidschnuckenweges häufiger.
Alte Schafställe sieht man in diesem Abschnitt des Heidschnuckenweges häufiger. © HA | Timo Strohschnieder

Auf den Spuren von Pastor Bode auf dem Weg nach Wilsede durch die Lüneburger Heide

Einige Kilometer vor Wilsede trifft der Heidschnuckenweg im Radebachtal auf den Pastor-Bode-Weg und knickt Richtung Westen ab. Pastor Wilhelm Bode (*1860, †1927) ist als damaliger Egestorfer Pfarrer vor allem für seine Verdienste um die Lüneburger Heide als Naturschutzgebiet bekannt. Der „Heidepastor“ erwarb zuerst selbstständig und dann im Namen des Verein Naturschutzpark Lüneburger Heide (VNP) diverse Heideflächen und setzte sich vehement für den Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft ein.

Die letzten Kilometer vor Wilsede werden also automatisch auf dem nach dem Pastor benannten Weg gelaufen, bis der Sandweg dann langsam in eine Straße aus Kopfsteinpflaster wandelt. Plötzlich schieben sich immer mehr riesige reetgedeckte Schafsstelle zwischen den Baumreihen hervor, die ersten Fachwerkhäuser präsentieren ihre rustikalen Holzstreben-Geflechte, und alte Bienenhäuser, Kutschräder sowie allerlei traditionelles Handwerkszeug säumen die Gärten und Felder der anliegenden Höfe.

Die Geschichte der Lüneburger Heide hautnah erleben

Neben dem Heidemuseum „Dat ole Huus“ gibt es hier mehrere Gasthäuser traditioneller Art (positiv überrascht hat das vegan-freundliche Gasthaus Zum Heidemuseum) und ein Museumsladen, der zum Stöbern einlädt. Noch ein angenehmer Pluspunkt: Die einzigen fahrbaren Untersätze, die hier erlaubt sind, sind Pferdekutschen. Man kann sich also ohne Auto- und Straßenlärm voll auf die historische Siedlung einlassen und die Geschichte der Heide hautnah erleben.

Weitblick vom Wilseder Berg.
Weitblick vom Wilseder Berg. © HA | Timo Strohschnieder

Außerdem ist heute der erste Tag, an dem mir größere Mengen an Tageswanderern, Fahrradfahrerinnen und sogar eine geführte Wandertour begegnen – das spricht wohl für sich.

Wer die Tagesetappe in Wilsede oder Niederhaverbeck beendet möchte, könnte abseits des offiziellen Heidschnuckenwegs auf der in Wilsede verlaufenden Heideschleife einen Kilometer südlich des Dorfes den Totengrund aufsuchen – der Talkessel wurde als ersten Heidegebiet von Wilhelm Bode erworben und gilt als Ausgangspunkt für die Naturschutzbemühungen in der Lüneburger Heide. Für alle anderen heißt es: Rucksack schultern unter weiter geht’s.

Den Wilseder Berg hinauf – auf die höchste Erhebung der gesamten Heide

Und zwar zunächst den Wilseder Berg hinauf – die höchste Erhebung der gesamten Heide. Oben angekommen erzählen mir andere Reisende, dass der Wilseder Berg auch ein beliebtes Ziel zu Silvester ist – denn bei gutem Wetter kann man wohl bis nach Hamburg schauen. Schwer zu glauben ist das nicht, denn der Ausblick reicht weit auslaufend über die Landschaft, die mit Waldstücken, Heideflächen und schlängelnden Wegen in unterschiedlichster Form und Größe besticht.

Pferde auf einer Weide in der Lüneburger Heide zwischen Undeloh und Wilsede.
Pferde auf einer Weide in der Lüneburger Heide zwischen Undeloh und Wilsede. © HA | Timo Strohschnieder

Weiter über Niederhaverbeck – das ebenfalls mit diversen Gasthöfen und Cafés zu einer zweiten längeren Rast einlädt – verläuft der Weg dann wieder vermehrt durch schattige Waldstücke, die nach den langen Heideabschnitten in der prallen Sonne sehr willkommen sind. Während sich die Sonne an diesem langen Wandertag langsam dem Horizont nähert, zeigt sich die Behringer Heide kurz vor dem Ziel in ihrem besten Licht. Und dabei bleibt es dann auch, denn der dortige Campingplatz Brunautal befindet sich quasi direkt am Weg. Auch für Reisende ohne Zelt bietet sich hier die Möglichkeit, in einem Chalets oder in einem Schlaffass zu nächtigen.