Handeloh. Nacktwanderer und Heidschnucken-Herden: Auf der 3. Etappe des Wanderwegs durch die Lüneburger Heide gibt es einiges zu sehen.
Die 3. Etappe des Heidschnuckenwegs startet im gemütlichen Handeloh mit seinen knapp 2600 Einwohnerinnen und Einwohnern. Das Wetter an diesem Tag: Zum ersten Mal auf meiner Wanderung gießt es in Strömen, was das morgendliche Aufraffen deutlich erschwert.
In diesem Fall versprechen zwei Heilmittel Erleichterung: Petrichor – das ist die offizielle Bezeichnung für den angenehmen Duft, den die Erde während und nachdem es regnet verströmt. Und: Angemessene Regenkleidung kann das Leben eines Wanderers doch deutlich erleichtern.
Heidschnuckenweg auf der 3. Etappe: 17 Kilometer von Handeloh nach Undeloh
Auch ein Regenschutz für den Rucksack erweist sich als wertvoll, denn nach einem Schauer in trockene Kleidung schlüpfen zu können ist wirklich Gold wert – und selbst der klassische Deuter-Rucksack hat eine Regensäule, die irgendwann erschöpft ist.
Auf diesem 17 Kilometer langen Streckenabschnitt von Handeloh nach Undelohn sind die Verpflegungsmöglichkeiten wie zuvor schon rar gesät. Es lohnt sich daher ein kurzer Abstecher zum örtlichen Markt vor dem Start in die Etappe. Dann heißt es jedoch: Rucksack festzurren, Stiefel schnüren und den Sitz der Regenkleidung überprüfen.
Zum ersten Mal im größten Naturschutzgebiet Niedersachsens
Die Strecke startet wieder entlang einer Bahnschiene, führt dann jedoch recht schnell über Feld und Wiese zu den ersten Waldstückchen. Hier werden die Wanderer auch schon von den ersten Heidschnucken begrüßt, die den Weg säumen. Sie laufen nicht einmal weg. Es handelt sich nämlich um Figuren und Skulpturen aus Holz am Wegesrand, und selbst bei Dauerregen hellen sie die Stimmung auf.
Schon bald schwingt der Weg in waldiges Gebiet um, und somit betritt man auch zum ersten Mal offiziell in das größte Naturschutzgebiet Niedersachsens: die Lüneburger Heide mit ihrer spektakulären Fläche von 23.436,0 Hektar. Dieses sehr ursprüngliche Waldstück im Nordwesten der Lüneburger Heide vermittelt vor allem bei regnerischem Wetter schnell eine tropische und dschungelartige Ausstrahlung.
Verschlungene Wege und dichtes Grün: Urwald-Feeling in Norddeutschland
Mit Pilzen überwuchertes Totholz, wuseliges Insektentreiben und die gemächlich vor sich hinfließende Seeve – ich habe das Gefühl, dass meine Füße wie von selbst laufen. Ich staune in alle Richtungen. Die verschlungenen Wege und das dichte, vielfältige Grün sind überwältigend. Ein Urwald-Feeling in Norddeutschland. An einem wohligen Sommertag böte sich die Seeve hier an mehreren Stellen an, um den Füßen eine Abkühlung zu verschaffen. Heute genügt mir allerdings der Anblick.
An der jungen Seeve entlang führt der Weg dann buchstäblich über Stock und Stein, denn durch den Schutzstatus des Waldes werden menschliche Eingriffe hier möglichst geringgehalten.
Einer von zwei deutschlandweiten Nacktwanderwegen führt hier entlang
Aus dem Wald heraus führt ein klassischer Forstwirtschaftsweg, der einige Kilometer vor dem Heidedorf Wesel auf den Naturistenweg trifft. Wer sich der Natur nach diesem Abschnitt also noch immer nicht nahe genug fühlt, kann es den textilfreien Wanderenthusiasten gleichtun und einige Kilometer des Weges unbekleidet laufen. Oh ja, kein Scherz. Hier verläuft einer von zwei deutschlandweiten Nacktwanderwegen ganz im Sinne der klassischen FFK.
Daran zu partizipieren ist selbstverständlich vollkommen optional, und ich möchte an dieser Stelle auch keine explizite Warnung aussprechen, aber wie Sheldon Cooper aus The Big Bang Theory sagen würde: „Ich habe Sie dahingehend informiert.“
Ein gemächliches Heidedorf mit rustikal anmutenden Fachwerkhäusern
Ja näher ich dem Zwischenziel in Wesel komme – laut dem sehr zu empfehlenden Outdoor-Wanderführer von Hartmut und Friederike Engel wäre dieses Dorf das Tagesziel – desto mehr hellt sich der Himmel auf und gibt den Blick frei auf ein gemächliches Heidedorf mit rustikal anmutenden Fachwerkhäusern.
Das Weseler Hexenhaus bietet einen ansehnlichen Platz zur Einnahme der mitgebrachten Speisen – gleich danach geht es entlang der sogenannten Pastorenteiche in das nächste Heidetal: die Weseler Heide.
Hier gibt es neben beeindruckenden Schafsställen alter Bauart und weiten Heideflächen ein besonderes Highlight. Schon bevor ich sie sehe, kann ich sie hören. Ein weit entferntes und mehrstimmiges Blöken wechselt sich in Duett-Manier mit Hundegebell ab.
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Die nächste Anhebung ist also schnell erklommen, und schon bietet sich ein Anblick, der wohl jedes Wanderers Herz höherschlagen lässt: Eine beachtliche Herde Heidschnucken schmiegt sich wie eine Ansammlung luftiger Wölkchen in die hügelige Landschaft. Ein Hirtin hält die Herde gemächlichen Schrittes zusammen, begleitet von ihren beiden Hunden.
Mein Glück ist allerdings noch größer als gedacht, denn da die Herde und ich in die gleiche Richtung müssen, muss ich sogar – nach kurzer Überwindung – mitten hindurch laufen. Die friedlichen Schafe stieben zwar auseinander, aber die Schäferin und ihre Hunde haben ihre Hausaufgaben gemacht: ohne große Absprache werden die Ausreißer zurückgepfiffen und gliedern sich wieder in die Herde ein, um ihren Weg gemächlich fortzusetzen.
Nach diesem besonderen Erlebnis vergeht der restliche Weg bis zum Etappenziel in Undeloh wie im Flug. Hier treffen die Reisenden auf ein Heidedorf, wie es im Buche steht: Das auf beiden Seiten von traditionellen Heidehäusern gesäumte Dörfchen besticht durch eine Vielzahl an gemütlichen Gasthäusern und Schafsställen sowie der im 12. Jahrhundert errichteten St.-Magdalenen-Kirche mit frei stehendem Glockenturm.