Lauenburg/Grimma. Seit der Elbe-Flut 2013 wurde in Lauenburg viel geredet, aber wenig getan. Eine Delegation hat sich nun in Grimma inspirieren lassen.
Was kann Sachsen, was Schleswig-Holstein nicht kann? In Sachen Hochwasserschutz offenbar eine ganze Menge. Während in Lauenburg mehr als zehn Jahre nach der letzten Katastrophe die historische Altstadt heute den Fluten noch immer schutzlos ausgeliefert wäre, könnten die Bewohner von Grimma gelassener sein. Woran das liegt und was man sich eventuell abschauen kann, das wollte eine Lauenburger Delegation nun aus erster Hand erfahren.
Die Erwartungen waren hoch – und wurden übertroffen. So das übereinstimmende Urteil der Teilnehmer an der dreitägigen Fachexkursion. Neben Mitarbeitern der Verwaltung und der Landesregierung gehörten Vertreter der Politik, des Wasser- und Bodenverbandes und der Freiwilligen Feuerwehr zur Lauenburger Reisegruppe. Auch Akteure der Betroffenengemeinschaft Hochwasser wollten sich vor Ort ein Bild machen, ebenso Vertreter des Landesumweltministeriums.
Hochwasserschutz: Warum läuft‘s in Sachsen einfach besser?
Organisiert hatte die Reise Lauenburgs ehemaliger Bauamtsleiter Reinhard Nieberg. In dieser Funktion gehörte er automatisch zum Krisenstab, wenn ein extremes Hochwasser in der Schifferstadt wieder einmal gewaltige Schäden anrichtete – zuletzt im Juni 2013. Ende vergangenen Jahres ging er in den Ruhestand, das Thema Hochwasser und vor allem der Schutz davor ließen ihn aber nicht los. Neben seinem Engagement in der Hochwasserpartnerschaft Elbe wurde er kürzlich als Vorsitzender des Wasser- und Bodenverbandes Delvenau-Stecknitzniederung gewählt. Das ist für Lauenburg eine der wichtigsten Positionen in Sachen Hochwasserschutz. Anders als zum Beispiel in Sachsen ist der ehrenamtlich geleitete Verband Träger sämtlicher Maßnahmen, die diesbezüglich in Lauenburg geplant und umgesetzt werden.
In Grimma, einer Stadt mit rund 28.000 Einwohnern, liegt die historische Altstadt am Ufer der Mulde. Im Jahre 2002 hatte das verheerende Hochwasser Schäden in Höhe von 250 Millionen Euro verursacht. Die sächsische Landesregierung beschloss daraufhin die Errichtung einer Hochwasserschutzanlage. Das Planfeststellungsverfahren dauerte nicht mal ein Jahr. Das Hochwasser 2013, das in Grimma einen fast ebenso großen Schaden verursacht hatte, warf den Zeitplan gehörig durcheinander. Trotzdem konnte die Hochwasserschutzanlage am 2. August 2019 offiziell eingeweiht werden. Seit der Flut im Jahr 2002 hat der Freistaat Sachsen 2,9 Milliarden Euro in den Hochwasserschutz sowie in die nachhaltige Schadensbeseitigung investiert.
Hochwasserschutz: In Lauenburg ist es schon schwierig, einen Termin zum Reden zu finden
Die Strukturen der Planung für den Lauenburger Hochwasserschutz sind dagegen kompliziert. Seit 2017 laufen bei der Lauenburger Verwaltung die Fäden der Abstimmung aller Arbeitsschritte, Terminüberwachung und Information der Öffentlichkeit zusammen. In einer sogenannten kleinen Lenkungsgruppe stimmen sich Vertreter des Landes und der Stadt über die nächsten Schritte in Sachen Hochwasserschutz ab. In der großen Lenkungsgruppe sitzen die Entscheidungsträger zusammen. Kommt man dort zu dem Schluss, dass die Vorschläge nicht überzeugend seien, fängt die kleine Lenkungsgruppe quasi von vorn an.
Allein die Terminfindung der Zusammenkünfte sei ein riesengroßes Problem, hieß es aus der Stadtverwaltung schon des Öfteren. Die Verantwortung für die Ausschreibung der Leistungen im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz liegt dagegen nicht bei der Stadt, sondern bei der Gebäudemanagement Schleswig-Holstein AöR (GMSH). Krasser Kontrast zu der riesen Gruppe von hauptamtlichen Entscheidern: Träger der Maßnahme ohne Entscheidungskompetenz ist der ehrenamtlich geführte Wasser- und Bodenverband.
„Wir wollen schauen, was in Sachsen anders und vielleicht auch besser läuft“, so hatte Bürgermeister Thorben Brackmann seine Erwartung vor Reiseantritt formuliert. Jetzt ist er sich sicher: „Es gibt bei der Planung des Hochwasserschutzes in Lauenburg zu viele Ebenen. Wir haben während unserer Reise gesehen, dass es mit weniger Entscheidungsträgern deutlich schneller und besser läuft.“
Hochwasserschutz: Wie wurde in Grimma der Denkmalschutz berücksichtigt?
Für Jörg Sönksen von der Betroffenengemeinschaft Hochwasser auch interessant: Wie wurde in Grimma der Denkmalschutz in die Planung des Hochwasserschutzes eingebunden? Die mehr als zwei Kilometer lange und bis zwölf Meter tief in den Fels gegründete Hochwasserschutzanlage entlang des Altstadtkerns bindet dort zahlreiche denkmalgeschützte Bauten und die 800 Jahre alte Stadtmauer ein. Träger der Hochwasserschutzmaßnahmen ist in Sachsen die Landestalsperrenverwaltung. „Die verantwortlichen Mitarbeiter haben von Anfang an einen Architekturprofessor der Uni Dresden mit ins Boot genommen, der den gesamten Planungsprozess begleitet hat“, berichtet Sönksen. Auch da seien wohl ab und zu die Fetzen geflogen, aber man habe sich letztlich immer geeinigt. Das Projekt „Hochwasserschutzanlage für Grimma an der Mulde“ erhielt 2022 den Sächsischen Staatspreis für Baukultur.
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Auch für Reinhard Nieberg hat die Reise nach Sachsen wichtige Erkenntnisse gebracht: „Wir werden uns die gesamte Struktur der Hochwasserschutzplanung für Lauenburg noch einmal anschauen müssen“, ist er überzeugt. Bleibt zu hoffen, dass das nächste Hochwasser der Elbe weiter auf sich warten lässt. Nach vielem nach hinten korrigierten Prognosen war zuletzt die Rede davon, dass die geschlossene Schutzlinie 2030 fertig sein wird. Heute möchte sich niemand mehr auf einen Termin festlegen lassen. Denn das nächste Problem ist schon absehbar: Da der Hochwasserschutz überwiegend auf Privatgrundstücken errichtet werden müsse, benötige die Stadt die Zustimmung der rund 60 Hausbesitzer