Buchholz. Kein Hund lebt gerne im Heim – doch in Buchholz kommen die Vierbeiner trotzdem auf ihre Kosten. Zu Besuch an einem außergewöhnlichen Ort.
Auch sie haben sich ihr Hundeleben mit Sicherheit anders vorgestellt: Monty, Tony und Ronja, die alle dasselbe Schicksal teilen: Sie verbringen ihre Tage und Nächte in einem Tierheim.
Und gerade in den Sommermonaten wird es hier gerne mal voll: 266 ausgesetzte Tiere zählt der Hamburger Tierschutzverein seit dem 1. Juni. Nun warten sie im Tierheim an der Süderstraße auf Vermittlung. Und das platzt aktuell aus allen Nähten. 159 bellende Vierbeiner sind schon dort untergebracht.
Wenn schon Tierheim, dann Buchholz: Wie ein hochengagiertes Team seine Hunde verwöhnt
Für das Tierheim in Buchholz, rund 30 Autominuten von der Süderstraße entfernt, eine schier unvorstellbare Menge. Hier werden aktuell zehn Hunde betreut, darunter Doggen-Mischling Ronja oder der American Staffordshire Tony. Doch ein trostloses Dasein im Zwinger? Gibt es in Buchholz nicht.
Nein, die Hunde wohnen in „Zimmern plus Auslauf“, so Tierheim-Leiterin Melanie Neumann – zum einen, weil die Platzverhältnisse es möglich machen. Zum anderen, weil dieses Tierheim es so will. Und auch, wenn kein Hund gern im Tierheim lebt: Besser als in Buchholz kann es ein Vierbeiner wohl kaum haben.
Selbst Physiotherapie bekommen die Hunde in Buchholz – vor Ort
Vieles, was den kleinen und großen Vierbeinern hier zur Verfügung steht, ist in anderen Tierheimen undenkbar. Etwa der 2000 Quadratmeter große Hundeplatz mit Schwimmteich zum Spielen, Toben und Planschen. Auch Physiotherapie bekommen die Hunde hier vor Ort – von einer Buchholzer Therapeutin, die eigentlich keine Hausbesuche anbietet, für die Bewohner des Tierheims aber eine Ausnahme macht.
Das alles kostet nicht gerade wenig Geld. Doch es lohnt sich, davon ist Rolf Schekerka, Erster Vorsitzender des Tierschutzvereins Buchholz, überzeugt: „Wir investieren in die Zukunft“. Ein von Politikern oft missbrauchter Satz, zugegeben. Aber Rolf Schekerka ist kein Schnacker. Er ist ein echter Macher, der in seiner Freizeit gern handwerklich im und am Tierheim arbeitet, zur großen Freude von Ronja, die ihn jedesmal ausgelassen begrüßt.
Je vier Vollzeit- und vier Teilzeitkräfte umfasst das Team des Buchholzer Tierheims aktuell, hinzu kommt ein Azubi im Bereich Tierheim und eine Person, die Bundesfreiwilligendienst leistet.
„Jeder Hund, der hier einzieht, hat sein Päckchen zu tragen“
Melanie Neumann, geboren und aufgewachsen in Harburg, ist der zunächst ehrenamtliche Job im Tierheim so ans Herz gewachsen, dass sie schon seit vielen Jahren mit ihrer Familie in Buchholz lebt und sich für die Tiere im Heim engagiert.
Die Einstellung mancher Menschen zu ihren Tieren findet sie erschütternd: „Das Tier hat zu funktionieren, aber Tiere funktionieren nicht immer so, wie man sie haben möchte.“
Auch würden Hunde oft als Prestigeobjekt angeschafft, kurz in den Garten gelassen und fertig. „Viele Leute kapieren nicht, was es heißt, einen Hund zu halten“, so die Tierheimleiterin. Erst wenn das Kind beziehungsweise der Hund in den Brunnen gefallen sei, rufen die Besitzer um Hilfe, und das möglichst sofort. „Jeder Hund, der hier einzieht, hat sein Päckchen zu tragen“, sagt Melanie Neumann. „Der eine mehr, der andere weniger.“
Im Landkreis Harburg ist die Zahl der Fundtiere im Sommer sogar rückläufig
Und doch: Einen Anstieg von Fundtieren zur Ferienzeit hat es auch in diesem Sommer wieder nicht gegeben. Anders als in Hamburg steige die Anzahl der in den Ferien ausgesetzten Tiere nicht an in den Orten und Gemeinden, für die das Tierheim Buchholz zuständig ist – also Buchholz, Hanstedt, Hollenstedt, Jesteburg, Rosengarten und Tostedt. Im Gegenteil: Sie sei sogar zurückgegangen, sagt Neumann.
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Grund zur Sorge hat das Team dennoch – weil es stetig mehr Katzen zu betreuen hat: 60 Samtpfoten warten aktuell auf ihre Vermittlung, darunter 35 Jungtiere, zwei Wochen bis drei Monate alt.
Manch kranke Katze wird einfach im Korb vor der Tür des Tierheims abgestellt
Weitere 28 Katzen wohnen dauerhaft im Buchholzer Tierheim. Unfassbar: Manch kranke Katze wird einfach im Korb vor der Tür des Tierheims abgestellt. „Alles wird teurer, und dann sind Tiere die ersten, die auf der Strecke bleiben“, sagt Melanie Neumann mit traurigem Blick.
Rund 6000 Euro Tierarztkosten trage der Verein monatlich, so Rolf Schekerka. Hinzu kämen noch Ausgaben wie jene für Physiotherapie für Hunde. Wie das Tierheim die hohen Kosten wuppt? Da sind zum einen die Fundtierverträge, welche das Tierheim mit den Kommunen abgeschlossen hat, also Buchholz, Hanstedt, Hollenstedt, Jesteburg, Rosengarten und Tostedt.
Tierheime in Deutschland: Nur selten holt ein Besitzer sein Tier wieder ab
Denn: Rechtlich gesehen gelten Fundtiere als Fundsachen, so dass es die Pflicht von Städten und Gemeinden ist, sie unterzubringen. Diese Aufgabe geben sie an die örtlichen Tierheime ab. Genau wie bei einem im Fundbüro abgegebenen Fahrrad hat der Besitzer eines Haustiers ebenfalls sechs Monate Anspruch auf das gefundene Tier – was allerdings äußerst selten passiert.
Melanie Neumann hat das im Laufe der 25 Jahre, die sie im Tierheim Buchholz arbeitet, erst einmal erlebt.